Frankfurt: „DRESDNER KREUZCHOR +
PHILHARMONIE-RODERICH KREILE“
Konzert in der AOF 08.11.2016
Zum Pro Arte Abo-Konzert waren der renommierte Dresdner Kreuzchor sowie die Dresdner Philharmonie unter der Leitung des Kreuzkantors Roderich Kreile geladen und brachten ausschließlich Werke von Johannes Brahms zu Gehör.
Einleitend erklang das „Schicksalslied“ aus dem Epos „Hyperion“ von Friedrich Hölderlin, es schildert die konträren Leiden der Menschen zur sphärischen Götterwelt. Die gedämpft melancholische Komposition begann Roderich Kreile mit der trefflich aufspielenden Philharmonie sehnsuchtsvoll in effektiver Steigerung. Leise fast apathisch wirkten zu Beginn die Vokalgruppen des Kreuzchors, formierten sich im heroischen Allegro, um sodann im finalen Adagio wie in Verklärung zu verhauchen. In ausgeglichenem Klang betonte Kreile die mythische Atmosphäre des Orchestralen und schenkte mehr den Chor-Elementen dominante Präsenz.
Ähnliche Interpretationspunkte vernahm man zu „Nänie“ der Vertonung in Anlehnung der Dichtung von Friedrich von Schiller sowie klassizistischen Gemälden von Anselm Feuerbach, wurde wiederum die mythologische griechische Bezugswelt beschworen. Auf höchst respektablem Niveau demonstrierten die Dresdner vokal wie instrumental transparente Emphase und Eleganz.
Nach der Pause folgte „Ein deutsches Requiem“ von dessen Struktur Johannes Brahms anfangs selbst nicht so recht wusste, wohin sich sein Projekt entwickeln würde. Requiem? Damit verbindet man in der Musikgeschichte die Dies irae – Wuchten bei Mozart und Verdi. Doch Brahms dachte anders, er wollte nicht die Vorstellung eines Weltgerichts musikalisch abbilden, nicht die Schrecken des Todes, nicht existential ein Leben nach dem Tod besingen, mehr oder weniger als Tor zur Ruhe zur Heimkehr.
Mit dem Zitat aus der Bergpredigt eröffnen die Chorpassagen Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden – die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten, ist bereits das Grundthema des Werkes mit all seinen Spannungen umrissen. Wiederum glänzt der Kreuzchor in architektonisch anmutender Chronik des vokalen Klangs in organisch-stimmiger Phrasierung. Weg vom Brahms-Bleiernen unterstrich ebenso der Dirigent das Werk ins Licht.
Er lässt die Streicher gerader aufspielen, hebt die dissonanten Schärfen in den Akkordknäuel der Einleitung etwas hervor um sie transparenter zu beleuchten. Dieser klare und mitunter etwas nüchtern anmutende Blickwinkel auf die Partitur prägt die gesamte Interpretation.
Der tänzerische Dreierrhythmus im zweiten Satz Denn alles Fleisch wurde betont artikuliert und immer wieder angetrieben, die Fortissimo-Akzente der Blechbläser wirkten formell schonungslos, keine Spur vom romantischen Mischideal also. Vortrefflich verschmolzen dennoch Chor und Orchester in großer dynamischer Bandbreite, in sorgsam facettenreicher Phrasierung zu sinnfälligem Wohlklang. Wie in Verklärung verschmolzen die Knabensoprane mit dem Chor zu traumhafter Klangbalance – einfach himmlisch.
Wunderbar artikulieren die beiden Solisten ihre Parts: die Sopranistin Sibylla Rubens bezauberte mit ihrem kurzen, aber gerade deshalb so heiklen Auftritt in dem Satz Ihr habt nun Traurigkeit mit ihrem herrlich weich strömenden Legato und dem natürlich schwingenden Timbre. Eindringlich kultiviert erklangen die Gesänge Herr, lehre doch mich sowie denn wir haben hier keine bleibende Statt in kraftvoller Tongebung, gestalterischen Schattierungen dank des noblen angenehmen Bariton-Timbres von Daniel Ochoa. Vorzüglich harmonierte die dunkle weitausschwingende Stimme im Dialog mit dem Chor.
Mit herzlicher Zustimmung und Bravochören verabschiedete das begeisterte Publikum die Dresdner Gäste.
Gerhard Hoffmann