Frankfurt / Alte Oper: „YURI REVICH-FRANKFURTER, OPERN- UND MUSEUMSORCHESTER- SEBASTIAN WEIGLE“ – 08.12.2019
Am Vorabend absolvierte das qualifizierte Frankfurter Opern- und Museumsorchester die WA von Verdis „Don Carlo“ an der Oper Frankfurt, nun nach kurzer Nachtruhe heute Vormittag um 11h eröffneten die Musiker das 3. Abo-Konzert in der Alten Oper – Bravo, eine absolute Glanzleistung.
Zur Einleitung dieser Matinee stand das „Violinkonzert“ von Antonin Dvorak auf dem Programm, als Solist wurde der 28-jährige Österreicher mit russischen Wurzeln Yuri Revich gewonnen. Nun hatte ich während der letzten Jahre öfters das Vergnügen das Werk mit elitären Solisten(innen) zu erleben, war somit auf diese Begegnung umso mehr gespannt und wurde angenehm überrascht.
Fernab jeglicher Routine eröffnete Yuri Revich das Allegro in spannungsvoller Rhythmik im fein abgestuften Dialog mit dem wunderbar aufspielenden Frankfurter Orchester unter der sensiblen und umsichtigen Leitung von GMD Sebastian Weigle. Gestalterisch in allen Parametern, technisch markant profilierend begegnete der Solist diesem Werk, seine Bogenführung wirkte einerseits klar energisch und beinhaltete dennoch romantische feine Tongebungen. Das feingliedrige Innenleben dieser Einleitung, die zauberhaften Melodien mit ihrem emotionalen Flair rückte Revich mehr ins expressive Licht. Der Bogen schien zuweilen die Saiten seiner wertvollen Stradivari mehr zärtlich zu streicheln um sodann wieder herb männlich zupackend dem Adagio eine ganz individuelle Note zu schenken.
Vortrefflich vom begleitenden Orchester in rasanten Tempi untermalt stürzte sich der junge Violinist in gewissem Maße technisch differenziert unter versiertem Hochdruck ins finale Allegro giocoso und absolvierte ein spannendes instrumentales Feuerwerk.
Trotz herzlichen Zuspruchs des Publikums keine Zugabe.
Zum Slogan der programmatischen Gestaltung „Böhmisches und Bruckner“ erklang nach der Pause Anton Bruckners „Sechste Symphonie“. Als der Komponist das Werk im Jahre 1881 vollendete war er bereits 13 Jahre in Wien ansässig, dennoch wurden von den Wiener Philharmonikern erst 1883 nur die beiden Mittelsätze aufgeführt. Entgegen der vielen Korrekturen welche Bruckner an den meisten seiner Symphonien vornahm, blieb die Sechste verschont, es gibt also nur die authentische Version also genau am Manuskript orientiert, wurde in eigenwilliger Orchestrierung angelegt und vom Komponisten selbst als seine „Keckste“ bezeichnet.
Zum einleitenden Maestoso begann Sebastian Weigle mit dem hervorragend disponierten Frankfurter Opern- und Museumsorchester in einer stillen Ostinato-Figur zu hoher Violinen-Textur aus welcher sich das Hauptthema langsam aber kräftig aus den Celli und Kontrabässen erhob. Prägnant formte der Dirigent den Klangkörper in der für Bruckner typischen Kombination in die Tuttiüberschwänge und leitete zum Satzfinale das niederstürzende Unisono-Motiv zur Steigerung, ließ es in Exposition ruhig ausklingen.
Im Adagio beschwor Weigle zur klagenden Oboe, den dunklen tiefen Streicher-Kantilenen, die weitschwingende, empfindungsvolle, hymnische Trauerstimmung, hob zugleich die unverkennbar qualitative Spielkultur seines Orchesters hervor. Im melodischen Bogen des sphärisch anmutenden Satzes, im ungemein modulationsreichen Musizieren des Klangkörpers wähnte man sich dem Himmel nahe. Effektvoll wurden die Themen als Steigerungselement variiert und klar formell, auf verklärte Weise klangen die Melodien aus.
Entgegen der üblichen Scherzo-Sätze mit größtenteils energischen Tonstufen bestückt, komponierte der Tonschöpfer in seiner „Sechsten“ anders als zuvor. In phantastischen Visionen zog eine Mixtur diverser Elemente an uns vorüber, in klaren Differenzierungen der Streicher sowie Holz- und Blechbläser. Melodisch erklangen die Pizzicati des Trios zum Dialog der Hornrufe und phrasierten Holzinstrumenten. Herrlich wehten die Takte mild und leise aus dem „Tristan“ herüber und unterstrichen definitiv Bruckners große Wagner-Verehrung.
Tonale, energische Kontraste, Fanfaren der Hörner und Trompeten, in Amplitude verschleierte Melodien in Turnus-Kombinationen prägten das Finale individuell. Brillant vermittelte Sebastian Weigle Instrumental-Dimensionen, türmte die gewaltigen des prächtig aufspielenden Orchesters zum exzellenten Klangdom. Wow – einfach großartig!
Das Publikum feierte den GMD und sein Orchester mit großer Begeisterung.
Ach ja, zum Publikum meine weniger schmeichelhaften Anmerkungen: durchsetzt zu 80 % mit Besuchern meiner betagten Altersklasse ließen vermutlich Bildung und Anstand zu Hause, hustete – nein was sage ich, bellte lautstark hemmungslos, waren Busladungen aller hessischen Lungen-Sanatorien zugegen?
Entschuldigung Herrschaften so geht das nun wirklich nicht! Eine Ansage oder ein Hinweis an der Orgelfront wäre durchaus legitim, denn die entsprechende kleingedruckte Bitte im Programmheft wird ohnedies geflissentlich übersehen.
Gerhard Hoffmann