FRANKFURT/ Alte Oper: Tanzvariationen Das Museumskonzert am 18. März 2024 (Guggeis; Capuçon)
Tanzvariationen
Thomas Guggeis – Copyright by Sophia Hegewald
Das Museumskonzert am 18. März 2024 in der Alten Oper Frankfurt bot ein faszinierendes Programm, das die Verbindung von Musik, Tanz und Bewegung auf eindrucksvolle Weise zum Ausdruck brachte. Unter der Leitung von Generalmusikdirektor Thomas Guggeis glänzte das Frankfurter Opern- und Museumsorchester in einem Repertoire, das sowohl klassische Meisterwerke als auch seltener aufgeführte Schätze umfasste. Die brillante Vielseitigkeit des Dirigenten und die engagierte Darbietung des Orchesters trugen dazu bei, dass dieser Abend zu einem spannenden Erlebnis wurde. Das Programm begann mit einer Rarität: „Carnaval“ ist ein Klavierzyklus, den Schumann im Jahr 1834 komponierte. Das Werk besteht aus 21 kurzen Charakterstücken, die jeweils eine bestimmte Persönlichkeit oder Stimmung repräsentieren. Maurice Ravel erstellte in den 1920er Jahren eine Instrumentierung für Orchester für einen Ballettabend. Ravel verlieh den vier vorgetragenen Stücken durch die orchestrale Behandlung neue Klangfarben und erweiterte die Palette der Ausdrucksmöglichkeiten. Sie bieten einen Einblick in Schumanns musikalische Welt und Ravel’s Färbung in der Orchesterfassung, indem sie die ursprünglichen Klavierstücke mit einer orchestralen Pracht und Dynamik versehen. Durch die geschickte Integration von Tanzmotiven, wie im „Valse allemande“ und dem „Marsch der Davidsbündler gegen die Philister“, wurde ein lebendiges Bild der musikalischen Welt des 19. Jahrhunderts geschaffen, das gleichzeitig eine künstlerische Rebellion gegen die Konventionen seiner Zeit darstellte. Mit Präzision und Einfühlungsvermögen ließ das Frankfurter Opern- und Museumsorchester die feinen Nuancen von Ravels orchestraler Bearbeitung von Schumanns „Carnaval“ aufleben. Unter der einfühlsamen Leitung von Thomas Guggeis gelang es dem Orchester, die vielschichtigen Charaktere und Stimmungen der Fragmente zum Leben zu erwecken, wobei jede Phrase mit Lebendigkeit und Ausdruck gespielt wurde. Gleich von Beginn an ließ Guggeis offensiv und dynamisch musizieren. Sehr genau war seine Einstudierung, was sich in der päzisen Artikulation und der dosierten Dynamik zeigte. Nach dieser schönen Eröffnung griff Guggeis zum Mikrofon, um die Konzertgäste zu begrüßen und einen Überblick zu den musikalischen Tanzvariationen des Programms zu geben. Sergej Rachmaninows „Sinfonische Tänze“ Op. 45 führten das Publikum daran im Anschluss durch verschiedene Abschnitte, die durch die Sätze „Mittag“, „Sonnenuntergang“ und „Mitternacht“ symbolisiert wurden. Rachmaninow schuf mit dieser Komposition ein kaleidoskopartiges Werk, das sowohl tiefgründige Emotionen als auch überschwängliche Freude zum Ausdruck brachte. Rachmaninows „Sinfonische Tänze“ wurden 1940 komponiert und sind sein letztes orchestrales Werk, sicherlich auch ein Abgesang auf eine vergangene Epoche großer russischer Tanzmusik. Die drei Sätze („Mittag“, „Sonnenuntergang“ und „Mitternacht“) spiegeln verschiedene Stimmungen und Lebensphasen wider, wobei Rachmaninow eine Vielzahl von orchestralen Texturen einsetzt, um die emotionale Vielschichtigkeit des menschlichen Lebens einzufangen. Üppige Soli für Saxophon und Violine wurden intensiv zum Farbeffekt genutzt, wie der pulsierende Walzer. Rachmaninow greift in diesem Werk auf verschiedene musikalische Stile und Traditionen zurück, darunter russische Volksmusik, impressionistische Harmonien und spätromantische Ausdruckskraft. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der Leitung von Thomas Guggeis brillierte mit einer mitreißenden Darbietung. Das Orchester spielte mit breiter Dynamik und einer Vielfalt an Klangfarben, um die emotionalen Facetten dieser Komposition zu vermitteln. Von den lebhaften Rhythmen bis hin zu den lyrischen Passagen gelang es dem Orchester, die Zuhörer fesselnd durch die verschiedenen Lebensabschnitte zu entführen. Vorzügliche Soli, feine Agogik beim stetem Vorwärtsdrang ergaben eine Wiedergabe, die das Publikum mit Enthusiasmus reagieren ließ.
Renaud Capuçon – Copyright by Simon Fowler
Ein Höhepunkt des Abends war zweifellos Robert Schumanns Violinkonzert in d-Moll, dargeboten vom herausragenden Geiger Renaud Capuçon. Schumanns Werk wurde 1853 komponiert, aber erst nach seinem Tod im Jahr 1937 wiederentdeckt und uraufgeführt. Es ist das einzige Violinkonzert von Schumann und zeigt Einflüsse der Romantik sowie des klassischen Konzertstils. Obwohl es technisch anspruchsvoll ist, liegt der Schwerpunkt des Konzerts mehr auf lyrischem Ausdruck und emotionalem Gehalt als auf virtuoser Brillanz. Mit meisterhafter Technik und tiefem musikalischem Verständnis entführte Capuçon das Publikum in die Welt der Romantik, indem er gekonnt die Zwielichtigkeit und Leidenschaft dieses Werkes auf fesselnde Weise zum Ausdruck brachte. Im ersten Satz faszinierte Capuçon mit seiner beeindruckenden Phrasierung und nuanciertem Ausdruck. Seine Virtuosität und sein feines Stilempfinden ließen die melodischen Linien lebendig werden, während er gleichzeitig seine klangliche Vielfalt und dynamische Bandbreite zeigte. Seine Artikulation war klar und ausdrucksstark, wodurch jede Note mit Emotion und Leidenschaft erfüllt war. Klug dosierte er die Intensität des Vibratos, sodass sein Vortrag vielschichtig geriet. Im langsamen zweiten Satz offenbarte Capuçon seine sensiblen Interpretationsfähigkeiten, indem er eine zarte und innige Atmosphäre schuf. Seine überragende Technik ermöglichte es ihm, die lyrischen Passagen mit einer anmutigen Eleganz und einem warmen Ton zu gestalten. Dabei bewahrte er stets eine feine Balance zwischen Intimität und Ausdruckskraft, was zu einem berührenden und bewegenden musikalischen Erlebnis führte. Im dritten Satz zeigte Capuçon seine Virtuosität und sein ausgeprägtes Stilempfinden. Mit mitreißender Energie und feurigem Temperament meisterte er die technischen Herausforderungen des Satzes mit Leichtigkeit und Bravour. Seine brillante Fingerfertigkeit und sein dynamisches Spiel brachten die rhythmische Vitalität und die tänzerische Lebendigkeit dieses Satzes zum Ausdruck, wobei er das Publikum mit seinem mitreißenden Spiel in den Bann zog. Die aufmerksame Leistung des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters unter der Leitung von Thomas Guggeis bildete eine gute Grundlage für das herausragende Solospiel von Renaud Capuçon. Das Orchester begleitete den Solisten mit sensibler Aufmerksamkeit und reagierte auf jede Nuance seiner Interpretation. Unter der einfühlsamen Leitung von Guggeis entstand eine harmonische Balance zwischen Solist und Orchester, wodurch die emotionale Tiefe und Intensität des Werkes auf überzeugende Weise zur Geltung kamen. Auch Guggeis beließ es nicht bei der Begleitung, sondern gestaltete den Orchesterpart äußerst aktiv, sodass die Abgründe hinter den schönen Melodieverläufen stets präsent waren. Capuçon hatte sich eine besondere Zugabe gewählt. Mit feiner Hingabe zelebrierte er die kleine Étude aus der Oper „Daphne“ von Richard Strauss. Hinreißend! Zum Abschluss des Konzerts erklang Maurice Ravels „La Valse“, ein poetisches und zugleich verstörendes Poème chorégraphique, das als Symbol einer untergehenden, tänzelnden Epoche gilt. „La Valse“ wurde 1920 von Maurice Ravel komponiert und ist ein sinfonisches Gedicht, das die künstlerische Reaktion auf das Ende des 1. Weltkriegs und das damit verbundene Ende der europäischen Gesellschaftsstrukturen darstellt. Ravel selbst beschrieb das Werk als eine Hommage an den Walzer, jedoch mit einer düsteren Note. Die Komposition ist von einer beunruhigenden Atmosphäre geprägt, die den Zerfall der alten Weltordnung und die Zerrüttung der Gesellschaft symbolisiert. Ravel verwendete eine reiche Orchesterpalette und komplexe Rhythmen, um die unterliegende Spannung und Zerbrechlichkeit zu vermitteln. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der Leitung von Thomas Guggeis beeindruckte das Publikum mit einer mitreißenden Interpretation. Unter Guggeis‘ kundiger Führung entfaltete das Orchester eine klangliche Pracht und dramatische Intensität, die die Wirbelwind-Energie des Walzers ebenso einfing wie die düstere Atmosphäre seiner Untergangsstimmung. Mit makelloser Technik und einfühlsamer Interpretation bot das Orchester eine fabelhafte Darbietung dieses symbolträchtigen Werkes, das den Abschluss des Konzertabends bildete. Jubel im großen Saal.
Die Kombination zwischen dem neuen GMD und dem Orchester trägt reiche Früchte. Dies bleibt auch international nicht unbemerkt, denn Guggeis erhält weiterhin Einladungen von den großen Orchestern und Bühnen der Welt. In diesem Jahr erfolgte bereits sein Debüt an der Mailänder Scala und in Bälde leitet Guggeis erstmals das großartige Cleveland Orchestra.
Dirk Schauß, 19. März 2024
Besuchtes Konzert am 18. März 2024 in der Alten Oper Frankfurt
Renaud Capuçon, Violine
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
Thomas Guggeis, Leitung