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FRANKFURT / Alte Oper: SERGIO TIEMPO-FRANKFURTER OPERN- UND MUSEUMS ORCHESTER-ALEXANDER PRIOR“

Wenn Sterne singen…

19.11.2019 | Konzert/Liederabende

Frankfurt / Alte Oper: „SERGIO TIEMPO-FRANKFURTER OPERN-UND MUSEUMS ORCHESTER-

                                        ALEXANDER PRIOR“  –  18.11.2019

 

                                              Wenn Sterne singen…

 

 

Sergio Tiempo. Foto: Awiszus jpg.

Der 1972 in Caracas / Venezuela geborene Klavier-Virtuose hatte die „Rhapsodie über ein Thema von Paganini“ (Sergej Rachmaninow) im Gepäck. Nach der kurzen Introduktion bei welcher zur Wiederholung des Hauptmotivs sich immer höhere Oktaven systematisch konstruieren und die Variationen einleiteten. Sergio Tiempo verfügte zweifellos über immense kraftvolle Reserven des Auftrumpfens, doch wie mir schien, bevorzugte der Pianist zunächst mehr die weiche Lyrik, die elegischen Grundzüge des Vortrags und pendelte sich allmählich zu formaler Technik ein. Mit einer Palette von Klangfarben  in höchster Virtuosität beeindruckte Tiempo u.a. zur Variation Nr. 6 durch organische und stilsichere Tempo-Modifikationen.

Faszinierend zu erleben in welcher Intensität sich der Tasten-Künstler in die dramatischen Steigerungen zu brillantem Pathos hineinmanövrierte, in prickelnder Brillanz, kantabel-plastischem Spiel wurden die Variationen 11 + 12 serviert um nur wenige zu nennen, welche der temperamentvolle Pianist als nostalgischen Abgesang voll Melancholie aufzufassen schien und ebenso den weniger expressiven Passagen die emotionale Tiefe sowie lyrische Elegien schenkte.

Frisch, voll spürbarer Spielfreude und elektrisierender Intensität begleitete das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der fachkundigen, spannenden Leitung des Gastdirigenten Alexander Prior, welcher der rhapsodischen orchestralen  Substanz gewisse metallisch-kantige Akzente verlieh.

Das begeisterte Publikum wurde mit einer wunderschön interpretierten Zugabe belohnt.

Quasi als Ouvertüre wurden die Besucher zur „Nacht auf einem kahlen Berge“ (Modest Mussorgsky) geladen. Zur imposanten Orchestrierung des Komponisten-Kollegen Nikolai Rimsky-Korsakow entführte Alexander Prior in die musikalischen Abschnitte: Unterirdischer Lärm von Geisterstimmen – Erscheinen von Geistern in der Finsternis, danach des Satans selbst, vom Komponisten eigens betitelt. Vortrefflich vermittelte das bestens disponierte Orchester die orgiastischen Vorgänge, die erschreckenden Töne der Höllenmesse sowie ebenso die finale Verklärung zum Glöckchen der fernen Dorfkirche, welches den Geistern der Finsternis ihrem dämonischen Treiben ein Ende setzte und zum Tagesanbruch zerstreute.

Nach der Pause erklangen die musikalische Galaxien „Die Planeten“ von Gustav Holst. Wenn Sterne singen, dass Musik eine universelle Sprache sei die direkt aus dem Kosmos auf uns Menschen einwirkt, davon wussten schon die alten Griechen zu berichten. Nun begaben wir uns auf eine musikalische Raumfahrt mit dem FOMO zu diversen Planeten welche allerdings nicht im originalen Ablauf um die Sonne kreisten, sondern lediglich die sieben wichtigsten Lebensphasen der Menschheit widerspiegelten. Schließlich charakterisierte der begeisterte Hobby-Astrologe Holst seine „Planeten“ als eine Folge von musikalischen Stimmungsbildern, einer Synthese spätromantisch-impressionistischer Orchestrierungen.

Nun möchte ich nicht die einzelnen Instrumentalgruppen hervorheben sondern den Klangkörper als kompaktes Ganzes sehen und bewerten. Vortrefflich folgten die Musiker den Intentionen ihres Gastdirigenten welcher es bestens verstand die Farbwirkungen der Partitur besonders dynamisch und klanglich höchst präsent zu offerieren, wenngleich er zuweilen beim Eruptiven über die Stränge schlug zu Lasten der Präzision. Es versteht sich von selbst, dass die konträren teils konstanten oder unregelmäßigen Rhythmen im Mars oder im Neptun ihre hypnotische Wirkung auf den Hörer keineswegs verfehlten. Großartig schwebende Akkorde und lyrische Harfen- und Celesta-Sequenzen unterstrichen zudem die melodischen Konturen,  effizierten auf wunderbare Weise Sphären-Klänge entrückter unendlicher Galaxien. Traumhaft elegisch erklang die friedvolle Stimmung der Solo-Violine zur Introduktion auf der Venus. Hingehaucht, versonnen in unendliche Sphären entschwebend intonierte der Damen der Oper Frankfurt (Tilman Michael) die verklärenden Akkorde des mystischen Neptuns.

Großer langanhaltender Applaus und Bravochöre des Auditoriums als Dank für die spannende musikalische Galaxisreise.

Gerhard Hoffmann

 

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