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FRANKFURT/ Alte Oper: SALOME – konzertante Aufführung der Superlative

11.09.2016 | Oper

Frankfurt: „SALOME“ 10.09.2016. Aufführung der Superlative in der AOF

 

Oper konzertant ? Viele Opernfreaks rümpfen die Nase! Denke ich zurück an so manches szenische Missverständnis sträuben sich mir nachträglich die Nackenhaare und deshalb ziehe ich eine Produktion auf dem Konzertpodium vor und erinnere mich sehr gerne an grandiose Aufführungen dieser Form, verhehle es nicht ich liebe derartige „Inszenierungen“.  Die Protagonisten wissen um die Materie, singen agieren, schieben meist den Notenständer beiseite legen los und wie ohne befremdliche Ideen eines unkundigen Regisseurs. Ein derartig nachhaltiges Event der Superlative durfte man heute in der Alten Oper mit „Salome“ (Richard Strauss) erleben. Der Saal war merklich abgedunkelt, die Programm-Störer  hatten keine Chance, in optimal buntem Lichtdesign erstrahlte die Orgel – alles erschien perfekt.

Ohne die phänomenalen Leistungen der Sänger zu schmälern, war der absolute „Star“ des Abends das hr-sinfonieorchester unter dem beflügelten Dirigat seines GMD Andrés Orozco-Estrada lief der Klangkörper zum Saisonauftakt zu prachtvoller Hochform auf.  Es schien hier wurde hervorragende Probenarbeit geleistet, dank der vortrefflichen Akustik des Großen Saals der AOF schenkte der versierte Dirigent der Partitur einen ungewöhnlich schillernden Farbreichtum, umhüllte die Solisten mit flüssigen Tempi in bester Klangbalance dank des minutiös präparierten Orchesters. Detailliert beleuchtete der temperamentvolle GMD den sorgfältig herausgearbeiteten Kontrapunkt Tanz der sieben Schleier im lasziv-sinnlichen, exotisch anmutenden Sound zur orgastisch steigernden, symphonischen Finalekstase. Herrlich, wundervoll, wundervoll  waren die Worte des Herodes – fürwahr!

Andrés Orozco-Estradas Version lässt die Partitur in neuen Licht erstrahlen, immer dichter folgen aufeinander Passagen, welche man in derartigen Form  noch nicht hörte, fern aller spätromantischen Instrumentalkunst. Da flossen überwältigende emotionale Momente  elementarer Schönheit  mit ein, im Gegensatz zur typisch konträren Klangkonstruktion des Komponisten. Höchst beindruckt spielt der hessische Ausnahmeklangkörper in virtuoser Sinnlichkeit, steigert sich in Dimensionen explosiver Orchestrierungen. Fein ziseliert der Dirigent die Streicher, grell dominant vereinen sich die Blechsegmente zum genialen Gesamtklang einer überwältigenden musikalischen Psychoanalyse.

In die sehr lange Liste meiner bisher gehörten Salome-Interpretinnen reihte sich nun Emily Magee ein. Die amerikanische bereits in Sachen Strauss versierte Sopranistin findet für die kräftezehrende Partie fein kultivierte Töne lotet sie für trotzige Wut und Aggression, für kindliche Neugier in sehnsüchtigen Kantilenen aus. Gewinnend setzt Magee die warme Mittellage ihres expansiven Soprans ein, überzeugt im Volleinsatz ihrer vokalen Mittel, vermittelt im Schlussmonolog eine ganz eigene im Piano intonierte Stimmfärbung, eindrucksvoll die Fassungslosigkeit, das erkennende Entsetzen über sich selbst. Ohne gleisende Höhen präsentiert Emily Magee in vorbildlicher Diktion die Salome und krönt die ausgezeichnete Interpretation mit einem fulminanten Finale.

Der imposante Bassbariton Wolfgang Koch verlieh dem Jochanaan bedrohliche Gefährlichkeit, verstand es aber dennoch die herrlich timbrierte Stimme vortrefflich selbst im mächtigen  Forte zu zügeln und ließ nuanciert weiche Töne mit einfließen.  Seine Stimme ruht perfekt in sich selbst, er singt die Partie mit geradezu oratorischer Gelassenheit  und Klangschönheit dazu gesellt sich noch die subtil vortreffliche Artikulation. Prächtig erklangen die Hasstriaden der „Kerkerszenen“ von der Orgelempore in gedämpftem Volumen.

Als Luxusbesetzung des Narraboth dürfte man Benjamin Bruns bezeichnen, einen so herrlich timbrierten Tenor hört man in dieser relativ kurzen Rolle nicht alle Tage. Jugendlich, lyrisch, höhensicher erklingt das wunderschöne Material und schenkt dem verliebten jungen Schwärmer zusätzlich die glaubwürdige Präsenz.

Michaela Schuster  verleiht der Herodias eine rätselhafte Dämonie, den fülligen Mezzoton paart die grandiose Sänger-Darstellerin mit ausgezeichneter Diktion und Würde ohne  die sonst üblichen ordinären Untertöne. Den Pagen singt mit hinreißend-lockendem Goldton ihrer wunderschönen Altstimme Claude Eichenberger.

Es schien eine Sternstunde für den Tetrarchen: Nuancenreich die Diktion gleich einem Schauspieler charakterisierte Peter Bronder diese unangenehm hoch liegende Partie mit enorm vokalen tenoralen Glanzpunkten. Höhensicher und klanglich scharf akzentuiert lässt Bronder keinen Zweifel, dass von diesem triebgesteuerten Herodes auch einiges an Bedrohung ausgehen kann.

Ungewöhnlich mit schönen Stimmen formierten sich die fünf Juden Christian Sturm, Benedikt Nawrath, Christoph Wittmann, David Lee, Joachim Goltz zum sonst penetranten Gezeter. Ausgezeichnet formierten sich ebenso Sung Ha, Markus Grassmann  (Nazarener), Torben Jürgens, Stephan Somburg (Soldaten), Peter Maruhn (Cappadocier), Babett Dörste-Ewald (Sklave) ins explosiv-dramatische Geschehen.

Das Publikum war begeistert und feierte alle Mitwirkenden ohne Ausnahme dieser grandiosen Aufführung  12 Minuten in lautstarken Ovationen.

Nun seid bedankt Ihr holden Gönner! Welch lobenswerte  Superidee die Konzertsaison mit einer Oper zu eröffnen, man sollte diesen Gag traditionell wiederholen. Geeignete pausenlose grandiose Raritäten halten de Falla, Massenet etc. bereit.

Gerhard Hoffmann

 

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