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FRANKFURT/ Alte Oper: „PIOTR ANDERSZEWSKI – LONDON S.O. – SIR JOHN ELIOT GARDINER“

05.03.2018 | Konzert/Liederabende


Piotr Anderszewski – London S.O- John Eliot Gardiner. Copyright: Judith Kissel

Frankfurt / Alte Oper: PIOTR ANDERSZEWSKI – LONDON S.O. –

SIR JOHN ELIOT GARDINER“ – 04.03.2018

Ursprünglich war als Solistin beim Pro Arte – Abo-Konzert in der Alten Oper die Grande Dame des Klaviers Maria JoaoPires vorgesehen, doch verlautete die Solistin zog sich inzwischen von großen Konzert-Projekten zurück. An ihrer Stelle wurde der international gefeierte Pianist Piotr Anderszewski verpflichtet und zwangsläufig ergab sich auch eine kleine Programm-Änderung statt dem Schumann-Konzert erklang das „1. Klavierkonzert“ von Ludwig van Beethoven.

Der renommierte Pianist mit den polnisch-ungarischen Wurzeln erwies sich als feinfühliger Gestalter der Partitur und hat zu Beethoven ohnedies eine besondere Affinität. Bereits zum einleitenden Allegro con brio wurde die frische Musizierlust, Lebendigkeit und Intensität des hervorragenden Solisten offenbar, die Fähigkeit die brillanten Figuren der orchestralen Tutti pianistisch famos untermalend zu variieren.

Dem As-Dur-Largo des zweiten Satzes schenkte Anderszewski hinreißende Phrasierungen, sich entwickelnde sanglich-träumerische Schwere, rückte die fließend artikulatorische Raffinesse seines Spiels schon in Chopin-Nähe. Ich muss gestehen, in derart warm fein abgerundeter Kantilene hörte ich diesen Largo-Part noch nie.

Vortrefflich pointiert und herrlich im Einklang mit dem Solisten lieferte Sir John Eliot Gardiner mit dem hervorragend disponierten London Symphony Orchestra die frischen klaren Themen und Zwischenspiele in delikater, aber auch forscher Instrumental-Begleitung.

In atemberaubender Rasanz, pianistischer Virtuosität, energisch pulsierender Brillanz erklang sodann im stimmungsvollen Miteinander-Musizieren das finale Rondo. Geprägt von musikantischer Solidarität entfaltete Anderszewski nochmals hochkonzentriert bis in die Fingersätze, seine ungewöhnliche klaviertechnische Brillanz.

Der langanhaltende herzliche Beifall wurde mit „Drei ungarischen Volksliedern aus Csik“ (Bela Bartok) in rhythmisch-virtuoser Dynamik interpretiert, belohnt.

Eröffnet wurde der Konzertabend mit der Ouvertüre zu „Genoveva“ (Robert Schumann) in musikdramatischer Manier des Handlungsablaufs des Komponisten einziger geschaffener Oper. Zündend skizzierte Sir John Eliot Gardiner mit seinem englischen Elite-Orchester die Farbnuancen dieses kurzen Vorspiels, ließ besonders die Hörnergruppen exemplarisch solistisch erklingen und unterstrich auf delikate Weise den gesamten instrumentalen Reiz der Komposition.

Zum Finale erklang die „Zweite Symphonie“ Schumanns, gleich einem musikalischen Kaleidoskop der Gefühlsregungen. Der Frühling ist vergangen, die lähmende Krankheit des Komponisten wird spürbar, Geniales kontrastiert neben Mattem, Erschütterndes resigniert neben Schmerz. Dieses C-Dur-Werk und zugleich längste Symphonie des Tonschöpfers ist das tragische Zeugnis des Kampfes eines musikalischen Genies mit seinem Dämon. Pathetisch geistert das melancholische Motiv nach langsamer Einleitung durch das Allegro und Sir John Eliot Gardiner schien mit seinem klangvoll musizierenden London S.O. die gewisse Monotonie, die verquälte Stimmung der Gefühle durchbrochen von gelegentlichen Ausrufen echten Schmerzes, noch orchestral zu verstärken.

In frisch-klangvoller farbenreicher Instrumentierung vermittelte der erfahrene Dirigent mit seinem herrlich aufspielenden Klangkörper wehmütiges Flair und schenkte dem freudvollen Scherzo starke aussagekräftige Impulse. Facettenreiche Akzente verlieh er dagegen dem süßen Wohllaut des Adagio zum verwebenden Gesang der Violinen und samtenen Nachklang der Holzbläser, gleich einer Romanze sanften Schwermuts.

Heroisch lichtdurchströmt die vorigen Sätze variiert zitierend verlieh dem finalen Allegro molto vivace formale Gestalt. Gardiner mobilisierte nochmals den instrumentierten Grundgedanken dieser zu Herzen gehenden Komposition, dem musikalischen Gleichnis eines Sieges über die dunklen Mächte, welche den Geist des Tonsetzer bedrohten.

Mit Bravos und herzlicher Zustimmung verabschiedete man die englischen Gäste.

Gerhard Hoffmann

 

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