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FRANKFURT/ Alte Oper: PAULUS-ORATORIUM von Felix Mendelssohn-Bartholdy

Wachet auf, ruft uns die Stimme!

28.05.2018 | Konzert/Liederabende

Frankfurt / Alte Oper: „PAULUS-ORATORIUM“ – 27.05.2018

Wachet auf, ruft uns die Stimme!

Mit einer Träne im Knopfloch (vom Vorabend im Opernhaus) wandelte ich heute Vormittag gut ausgeschlafen, frisch gestärkt und frohen Mutes bei strahlendem Sonnenschein durch Frankfurts schöne Park-Auen in Richtung Alte Oper zur Matinee des „Paulus-Oratoriums“ (Felix Mendelssohn) und durfte einer exzellenten Wiedergabe beiwohnen.

Der zwanzigjährige Komponist hatte sich zu Beginn des Jahres 1829 mit dem befreundeten Sänger Eduard Devrient vorgenommen die „Johannes-Passion“ Johann Sebastian Bachs aus dem hundertjährigen Dornröschenschlaf wieder zuerwecken. Nur zwei waren es, welche sich an jenes Vorhaben wagten: Felix Mendelssohn und Johann Nepomuk Schelble der Leiter der Chorgemeinschaft Frankfurter Cäcilienvereins welchen er 1818 gründete. Jedoch durch dessen plötzliche Krankheit und Tod wurde der „Paulus“ nie hier aufgeführt und wurde nun endlich im 200. Jubiläums-Jahr des Cäcilienchors heute nachgeholt.

Wegen akuter Blinddarm-OP in Tokyo konnte GMD Sebastian Weigle die denkwürdige Frankfurter „Premiere“ nicht leiten und somit übernahm in dankenswerter Weise der künstlerische Leiter des Cäcilienchors Christian Kabitz das Dirigat.

Die alten Konturen seiner barocken Vorgänger versah Felix Mendelssohn mit dem Glanz seiner schimmernden romantischen Harmonie in farbenreich gestalteter Instrumentalmelodik.

Der erste Teil des herrlichen Oratoriums begann mit dem hymnischen Bläserchoral Wachet auf, ruft uns die Stimme, der orchestralen Ouvertüre und dem klangmächtigen Choral eingeleitet, schildert er die Predigt und Steinigung des ersten christlichen Märtyrers Stephanus sowie die Bekehrung des Saulus durch dessen Vision in Damaskus zum Paulus. In einer Fülle herrlicher Arien und Ensembles endet der Teil und findet seine wahre Erfüllung im folgenden Zweiten mit seinen hochdramatischen Chorpassagen welcher zugleich vom Wirken des Apostels, seiner Glaubensbrüder und auch derer späteren Verfolgung erzählend berichtet.

Das immense Werk erlebte nun heute eine wahrhaft exzellente Wiedergabe ganz besonders dank der Chorgemeinschaften: Cäcilienchor – Figuralchor – Frankfurter Kantorei und Frankfurter Singakademie welche übermächtig auf Orgel- und Orchesteremporen platziert wurden. In dreifacher Funktion: agierend, handelnd, berichtend und reflektierendrabsolvierten die Sängerinnen und Sänger in höchst beachtenswerter Bravour ihre gewaltigen Parts. Vital, präzise, sensibel sehr effektiv leitete Christian Kabitz nicht nur die Chöre sondern verstand es ausgezeichnet die inständigen Emotionen, die wuchtigen Expansionen der Orchester-Passagen zu vermitteln. Den prachtvollen Sound, ganz im Duktus des musikalischen „Dramas“ mit präzisen Blechfanfaren aber auch herrlich weiche Instrumental-Lyrismen, Augenblicke vollendeter stiller Schönheit lieferte das bestens disponierte Frankfurter Opern- und Museumsorchester. Ein besonderes Lob gebührt diesem bemerkenswerten Klangkörper: glänzten dessen Musiker noch Stunden zuvor während der WA der „Adriana Lecouvreur“ im Opernhaus in bezwingender Intensität.

Eingebettet und umhüllt von so viel orchestralem Schönklang fühlten sich die vier Sanges-Solisten regelrecht beflügelt und absolvierten ihre Parts auf sehr hohem Niveau. Zwischen oratorischer Strenge und melodienseliger Ekstase fanden sich die Stimmen in ausdrucksstarker Balance und bezwingender Innigkeit.

In feinen Tonzeichnungen verstand es Kateryna Kasper ihrem wunderschön timbrierten und klaren Sopran das engelhaft Schwebende zu schenken. Einfühlsam betörend im Detail träufelte die anmutige Sängerin ihren Arien herrliche Couleurs und so ab und an eine Vokal-Träne bei. Was für eine herrliche Stimme auf deren Entfaltung man sich in Opern-Projekten schon jetzt freuen darf. Berührende Inständigkeit schenkte Katharina Magiera prächtig nuanciert den vom Komponisten stiefmütterlich behandelten Alt-Passagen und demonstrierte plastisch, schönstimmig die fraulich-dunklen Vokalharmonien.

Als wahrer „Glücksfall“ zur Besetzung des umfangreichen Tenorparts erwies sich AJ Glueckert. Der junge Amerikaner aus dem Ensemble der Oper Frankfurt fesselte mit strahlend hellem sowie fein abgestuftem Mittelklang seines angenehmen und wunderbaren Timbres. Spannungsreich im breiten Spektrum des klangvoll-farbigen Materials verhalf der junge Tenor den erzählenden Rezitativen und dramatischen Arien zu eindringlicher Gestaltung. Wehmutsvoll gedachte ich des Vorabends, was hätte Glueckert wohl für einen Belcanto-Maurizio interpretiert?

Im hervorragenden Solisten-Quartett gebührt die Krone zweifellos Michael Nagy. Hinterließ der exzellente Sänger vor zwei Jahren mit dem „Elias“ einen sehr nachhaltigen Eindruck, schien er diesen heute noch zu übertreffen. Nagy gestaltete den Apostel Paulus mit seinem inzwischen nachgedunkelten Bariton zu sonoren Bassregister-Qualitäten in prächtigem Wohlklang. Individuell in frappierend-nuanciertem Farbreichtum entfaltete der sympathische Sänger kontrastreich seine kultivierte Stimme während der bewegenden Rezitative und Arien. Ob verhalten, beschwörend, ergreifend, emotionstief flehend der Sänger fesselte in ehrlicher Anteilnahme während seines grandiosen Gesangs.

Zwei Stunden erhaben-bewegende Vokalisen und beglückend interpretierte Klangmagie schwanden wie im Fluge und wurden vom begeisterten Publikum euphorisch anhaltend bejubelt.

Gerhard Hoffmann

 

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