Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

FRANKFURT/ Alte Oper: Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia Igor Levit, Klavier Sir Antonio Pappano, Dirigent

Italienische Meisterklänge im Hustensturm

12.11.2023 | Konzert/Liederabende

FRANKFURT/ Alte Oper: Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia Igor Levit, Klavier Sir Antonio Pappano, Dirigent

Italienische Meisterklänge im Hustensturm

pat
Foto: Alte Oper Frankfurt / Tibor-Florestan Pluto

Ein Abend voller musikalischer Brillanz und emotionaler Intensität erfüllte am 11. November 2023 die Alte Oper in Frankfurt. Das Spektakel begann mit Ludwig van Beethovens wegweisendem Klavierkonzert Nr. 3 in c-Moll, Op. 37, das den Übergang des Komponisten von seinen klassischen Wurzeln zu seinen innovativen Werken markiert. Beethoven komponierte es im Jahr 1800 und führte es erstmals im Jahr 1803 auf. Als Solist war Igor Levit zu erleben, der in seinem Auftreten erstaunlich fahrig und nervös wirkte. Häufig nestelte er an seinem offenen Hemd herum, dann dirigierte er mit oder klopfte den Takt an seinen Stuhl. Überzogen auch seine aufgesetzt wirkende Denkerpose mit aufgestütztem Kopf auf den Händen am Flügel. Dieser Firlefanz ist unnötig und lenkt erheblich vom musikalischen Vortrag ab.

Der erste Satz des dritten Klavierkonzertes zeichnet sich durch seine kraftvolle Rhythmik und den dramatischen Ausdruck aus, während der zweite Satz eine introspektive und lyrische Atmosphäre schafft. Igor Levits Interpretation dieser beiden Sätze war geprägt von seiner Fähigkeit, sowohl die stürmischen Passagen als auch die zarten Melodien mit Ausdruckskraft und Nuancenreichtum darzubieten. Levit lieferte dem Publikum unerwartete und zuweilen abrupte Stimmungswechsel, die deutlich und schroff gerieten. Besonders im Largo, das von einer tiefen Melancholie durchdrungen ist, vermochte Levit dann, die emotionalen Tiefen dieser Musik zu ergründen. Der dritte Satz ist von lebhaftem Charakter und besticht durch seine brillanten Klavierpassagen. Beethovens revolutionärer Geist zeigt sich hier in den anspruchsvollen und virtuosen Klavierläufen, die Igor Levit mit Spielfreude meisterte, bei dem ein wenig von Beethovens Humor auf der Strecke blieb. Die Interaktion zwischen dem Solisten und dem Orchester, geleitet von Sir Antonio Pappano, war nahtlos und harmonisch. Beethoven fordert im Schlusssatz einen intensiven Dialog zwischen Solist und Orchester, bei dem Levit und das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia in einer wunderbaren Symbiose agierten. Unter der wissenden Leitung von Pappano entfaltete das Orchester eine meisterhafte Interpretation dieses wundervollen Werkes. Die Klangfülle und die Präzision des Orchesters verliehen Beethovens Musik eine neue Tiefe. Und auch Pappano trieb seinem Beethoven jegliche Nettigkeit aus. Hart und heftig setzte er die Akzente, um dann in den Lyrismen wunderbar kantabel zu phrasieren. Beethovens Klavierkonzert war somit nachhaltig durch den außergewöhnlichen Orchesterbeitrag geprägt, bei dem der etwas bemühte Igor Levit in seinem Vortrag doch das Nachsehen hatte. Viel Beifall und eine Zugabe von Levit.

Franz Schuberts Sinfonie Nr. 7 in h-Moll, D 759, „Unvollendete“, war das zweite Werk des Abends. Schuberts Sinfonie ist ein rätselhaftes Stück, da es in der Mitte des zweiten Satzes abrupt endet. Die Gründe für Schuberts Unvollendung bleiben bis heute ein Mysterium. Die Sinfonie zeichnet sich durch ihren besonderen Charakter und ihre unverkennbare Melodik aus, die von einer tiefen emotionalen Verbindung zeugt. Das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia präsentierte die Sinfonie mit großer Sensibilität und herrlich lyrischem Flair. Pappano führte das Orchester durch die geheimnisvolle und melancholische Atmosphäre von Schuberts Meisterwerk. Die Interpretation des zweiten Satzes, in dem Schubert das unvollendete Thema aufgreift, war besonders bewegend. Die Musiker verliehen diesem Stück eine Tiefe und Intensität, die das Publikum tief berührte. Starke Kontraste und theatralischer Gestus verliehen dem Orchestervortrag Einzigartigkeit.

pap
Foto: Alte Oper Frankfurt / Tibor-Florestan Pluto

Zum Abschluss des Abends folgte Richard Strauss‘ „Till Eulenspiegels lustige Streiche“, op. 28. Dieses Werk ist ein orchestraler Höhepunkt, der von humorvollen und lebhaften Themen bestimmt ist. Die Komposition ist ein Beispiel für Strauss‘ meisterhafte Orchestration und seinen unverwechselbaren Klang. Das Orchester, nun in riesiger Besetzung, brachte die humorvollen und farbenfrohen Facetten von Strauss‘ Musik perfekt zum Ausdruck. Pappano dirigierte mit größtem Schwung und Leidenschaft als gälte es das Leben und die Musiker lieferten eine äußerst mitreißende Darbietung. Die einzelnen Streiche von Till Eulenspiegel wurden mit großer Spielfreude und Virtuosität vorgetragen, was das Publikum zum Schmunzeln brachte. Wie die Holzbläser schrillten und die Blechbläser dröhnten! Die Virtuosität des herrlichen Orchesters war frappierend und auch die Solisten aus dessen Reihen zeigten sich außergewöhnlich: Horn, Klarinette und Violine gaben ihren Soli intensive Gestalt. Großartig! Riesiger Jubel.

Pappano und das Orchester zeigten sich bewegt, als ihnen das Publikum stürmische stehende Ovationen entgegnete. Und so gab es zwei Zugaben. Ottorino Respighis feine Streicher Träumerei „Italiana“, bei dem die große Streichergruppe betörenden Schmelz ertönen ließ. Als fetzigen „Rausschmeißer“ dann noch ein fulminanter ungarischer Tanz von Johannes Brahms. Die Begeisterung kochte nun vollends über. Was für ein Orchester und was für ein Dirigent, die sich nach 18 Jahren gemeinsamer erfolgreicher Zusammenarbeit immer noch innig verbunden sind. Es ist selten, derart viel Wertschätzung auf beiden Seiten zu erleben!

Insgesamt war der Abend in der Alten Oper Frankfurt ein Fest für die Sinne und die Musikseele. Das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia unter der Leitung von Sir Antonio Pappano, begleitet von Igor Levit am Klavier, brillierte mit herausragenden Leistungen. Die Zusammenstellung von Beethovens Klavierkonzert Nr. 3, Schuberts „Unvollendeter“ Sinfonie und Strauss‘ humorvollen Stücken bildete ein vielfältiges und beeindruckendes Konzertprogramm. Die Zuhörer waren begeistert von der Musikalität und dem Können dieser herausragenden Künstler und werden diesen Abend in der Alten Oper Frankfurt sicherlich noch lange in Erinnerung behalten.

Bedauerlicherweise wurde der Abend durch das rüpelhafte Benehmen des Publikums getrübt. Das völlig hemmungslose und ungedämpfte permanente Husten wirkte wie eine Sabotage. Es wird erneut schmerzlich deutlich, dass heutige Konzertbesucher allzu oft den Anstand und das Benehmen während eines Konzertes vernachlässigen. In diesem Zusammenhang wäre es angebracht, dass der Veranstalter explizit darauf hinweist, wie störend das laute Husten ist und wie ein Hustenreiz abgedämpft werden kann. Es ist beklagenswert, dass Menschen, die vorgeben gebildet und kultiviert zu sein, dies nicht von selbst erkennen.

Dirk Schauß, 12. November 2023

 

Besuchtes Konzert in der Alten Oper Frankfurt am 11. November 2023

Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia

Igor Levit, Klavier

Sir Antonio Pappano, Dirigent

 

 

Diese Seite drucken