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FRANKFURT/ Alte Oper: Konzert Bruce Liu, Klavier Wiener Symphoniker Marie Jacquot, musikalische Leitung.

26.11.2024 | Konzert/Liederabende

FRANKFURT/ Alte Oper: Konzert Bruce Liu, Klavier Wiener Symphoniker Marie Jacquot, musikalische Leitung.

Zwiespältig – Ein Abend mit den Wiener Symphonikern

Die Alte Oper Frankfurt wurde am 25. November zum Schauplatz eines Konzerts mit den Wiener Symphonikern unter der Leitung von Marie Jacquot, der ersten Gastdirigentin des Orchesters. Trotz eines ambitionierten Programms, das Anton Bruckners Adagio aus der siebten Sinfonie (in der Bearbeitung seines Schülers Ferdinand Löwe), Ludwig van Beethovens drittes Klavierkonzert sowie seine fünfte Sinfonie vereinte, konnte Jacquot den Abend nicht vollständig zu einem künstlerischen Erfolg führen.

Den Auftakt bildete das Adagio aus Bruckners siebter Sinfonie in der Bearbeitung Ferdinand Löwes. Löwes Version, entstanden in einer Zeit, als Bruckners Werke oft der Anpassung bedurften, um Akzeptanz zu finden, bewahrt die weit gespannte Melodik und den spirituellen Charakter des Originals, bringt aber die Details in einer verdichteten orchestralen Form zum Vorschein. Der Satz, auf gut sieben Minuten Spielzeit gekürzt und für Blechbläser, Pauken und Becken arrangiert, beginnt mit dem bekannten Eingangsthema und springt schnell zu einer sinfonischen Gipfelbesteigung mit zwei fulminanten Beckenschlägen, um schließlich in einer leicht gekürzten Coda zu enden. Die Bläser der Wiener Symphoniker interpretierten diesen anspruchsvollen Satz mit feiner Geschlossenheit. Jacquot dirigierte mit klarer Zeichengebung, wählte jedoch ein unnötig zügiges Tempo, das den feierlichen, spirituellen Charakter des Adagios etwas verblassen ließ. Statt meditativer Tiefe wirkte der Satz allzu beiläufig und emotionslos.

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Bruce Liu – Copyright by Christoph Koestlin

Der zweite Programmpunkt, Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 in c-Moll, brachte den kanadischen Pianisten Bruce Liu erneut auf die Bühne der Alten Oper Frankfurt. Als bereits mehrfach gefeierter Gast bewies Liu auch an diesem Abend seine herausragenden Qualitäten: makellose Technik, außergewöhnliche Musikalität und eine enorme Bühnenpräsenz.

Im dramatischen ersten Satz ließ Liu die dunkle, fordernde Atmosphäre des c-Moll-Themas in einer Mischung aus Präzision und Dramatik aufleben. Mit feinen Rubati, perfekter Artikulation und bestechender Dynamik erlebten die Zuhörer einen ganz außerordentlichen Vortrag! Besonders hervorzuheben ist seine meisterliche Gestaltung der Kadenz, die in diesem Werk als eine der technisch anspruchsvollsten Beethovens gilt. Liu durchmaß die schwierigen Sprünge und komplexen Läufe mit einer Leichtigkeit, die verblüffte, und verlieh den abrupten dynamischen Wechseln eine nahezu atemberaubende Spannung. In den Übergängen zwischen lyrischen Passagen und kraftvollen Ausbrüchen bewies Liu eine bemerkenswerte Balance, die die tiefen Kontraste dieses Satzes perfekt einfing.

Das Largo war ein Moment reiner Poesie. Liu entlockte dem Klavier eine gesangliche Qualität, die an die Ausdruckskraft eines Sängers erinnerte. Sein einfühlsames Legato und die subtilen Phrasierungen ließen den Satz in strahlender Schlichtheit erblühen. Hier offenbarte sich die meditative Tiefe des Solisten, der das Publikum mit jeder Note in eine andere Welt entführte. Der Dialog zwischen Klavier und Orchester wirkte, trotz Jacquots eher zurückhaltendem Dirigat, harmonisch und stimmig.

Im abschließenden Rondo zeigte Liu seine bestechende Virtuosität, ohne die spielerische Leichtigkeit und den Humor dieses Satzes zu verlieren. Sein perlender Anschlag verlieh den raschen Läufen Transparenz, während er die rhythmische Prägnanz des Hauptthemas mit einer spürbaren Freude an der Musik zelebrierte. Besonders beeindruckend war sein dynamisches Spiel, das von strahlendem Fortissimo bis zu federleichten Nuancen reichte. Marie Jacquot und die Wiener Symphoniker hielten das Tempo lebendig und unterstützten Lius virtuose Läufe mit präzisem Zusammenspiel. Dennoch blieb ihr Dirigat auch hier ohne interpretatorische Aussage, so dass dem Pianisten ein inspirierender Partner fehlte. Das Publikum feierte den herausragenden Pianisten frenetisch, der mit einem hingebungsvollen Impromptu von Frédéric Chopin dankte.

Nach der Pause gehörte der zweite Teil des Abends Beethovens Sinfonie Nr. 5, einem Werk, das mit seinem ikonischen Anfangsmotiv die Grenzen musikalischer Ausdruckskraft sprengt – vorausgesetzt, es wird mit Hingabe und visionärem Zugriff interpretiert. Doch genau das blieb aus. Marie Jacquots Dirigat war von einer auffallenden Ideenlosigkeit geprägt und schien primär auf einen unfallfreien Ablauf bedacht. Die Wiener Symphoniker wirkten unterfordert und ließen die für Beethoven so essenzielle emotionale Intensität vermissen.

Im ersten Satz fehlten den markanten „Schicksalsklopfern“ der Streicher die unerbittliche Wucht, während die Bläser die dramatischen Höhepunkte defensiv musizierten. Die Durchführung, die ein packendes Wechselspiel zwischen Sturm und innerer Reflexion sein könnte, blieb farblos und ohne architektonische Klarheit. Haupt- und Nebenstimmen traten nicht in einen lebendigen Dialog; stattdessen erschienen sie isoliert und desinteressiert.

Das Andante con moto bot keine gelungene Abwechslung. Zwar zeichnete sich der warme, gesangliche Streicherklang der Wiener Symphoniker aus, doch die notwendigen dynamischen Abstufungen blieben aus. Der Satz wirkte ohne Struktur und Feierlichkeit.

Das Scherzo begann erdenschwer, ohne aufbauende Spannung, und das Finale, nahtlos aus dem Scherzo hervorgehend, erstrahlte nicht im triumphalen Glanz, den Beethoven verlangt. Die Trompeten und Posaunen ertönten allzu zurückhaltend, während das Zusammenspiel zuweilen ungenau war. Kleinere Unsauberkeiten in den Hörnern und unpräzise Abschläge der Pauken trübten den Eindruck zusätzlich. Es schmerzte, diese geniale Musik derart nebensächlich reproduziert zu hören. Jacquots Beethoven-Interpretation war eine blasse Wiedergabe, die keine Faszination ausstrahlte. Das Publikum zeigte sich dennoch zufrieden und applaudierte freundlich, bevor zwei Polkas als Zugabe dargeboten wurden.

Dieser Abend war ein geteilter Erfolg: Marie Jacquot scheiterte daran, sowohl Bruckners als auch Beethovens Werke packend zu gestalten. Ihr Dirigat blieb ohne konzeptionelle Stringenz und emotionale Intensität. Bruce Liu hingegen war der unumstrittene Höhepunkt des Abends. Seine Interpretation von Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 war ein Ereignis von technischer und musikalischer Überlegenheit und rettete den Abend vor Mittelmaß.

Dirk Schauß, 26. November 2024

 

Besuchtes Konzert am 25. November 2024 in der Alten Oper Frankfurt

Bruce Liu, Klavier

Wiener Symphoniker

Marie Jacquot, musikalische Leitung

 

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