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FRANKFURT/ Alte Oper: Münchner Philharmoniker Alexandre Kantorow, Klavier Tugan Sokhiev, musikalische Leitung. Russisches Klangspektrum von Tschaikowsky bis Rimski-Korsakow

28.10.2024 | Konzert/Liederabende

FRANKFURT/ Alte Oper: Münchner Philharmoniker Alexandre Kantorow, Klavier Tugan Sokhiev, musikalische Leitung. 27.10.2024

Magische Nächte in der Alten Oper

Russisches Klangspektrum von Tschaikowsky bis Rimski-Korsakow (27.10.2024)

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Tugan Sokhiev. Foto: Wonge Bergmann

In der Alten Oper Frankfurt präsentierten die Münchner Philharmoniker unter der Leitung von Tugan Sokhiev am 27. Oktober ein Programm, das ganz im Zeichen russischer Meister stand. Die Verbindung von Tschaikowsky, Rachmaninow und Rimski-Korsakow versprach ein Konzert, das die ganze emotionale, klangliche Bandbreite dieser drei Giganten der russischen Musiktradition auslotete. Drei russische Klassiker in einem Abend: der elegante Schwung einer Polonaise, das virtuose Feuerwerk einer Rhapsodie und die verzaubernde Erzählkunst von „Scheherazade“.

Der Auftakt des Abends erfolgte mit der Polonaise aus Tschaikowskys Oper „Eugen Onegin“. Dieses brillante Stück Tanzmusik wurde in großer, symphonischer Besetzung vorgetragen. Die Münchner Philharmoniker spielten mit edler Klangfülle. Allerdings ließ es Tugan Sokhiev doch recht schwerfällig angehen, sodass dieser bekannte Ohrwurm doch arg bleiern geriet. Der festliche Charakter der Polonaise blieb gewahrt, wenn auch rhythmisch vage.

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Alexandre Kantorow. Foto: Tobias Hase

Als Solist des Abends trat sodann der junge französische Pianist Alexandre Kantorow auf, der mit Rachmaninows „Rhapsodie über ein Thema von Paganini“ die technische Brillanz und musikalische Tiefe des Werkes zur vollen Entfaltung brachte. Kantorow, bereits als „Teufelspianist“ gefeiert, zeigte in seiner Interpretation der Rhapsodie nicht nur überragende Virtuosität, sondern auch eine bemerkenswerte Sensibilität. Sein Anschlag war äußerst fein nuanciert, dynamisch flexibel und mit einer Präzision durchsetzt, die jedem Detail des komplexen Werks gerecht wurde. Besonders in den lyrischen Passagen, wie der berühmten 18. Variation, offenbarte Kantorow eine ergreifende Gefühlsintensität und musikalische Poesie. Die heiklen, schnellen Passagen meisterte er mit atemberaubender Leichtigkeit, ohne jemals den Fluss der Musik zu verlieren. Sein Klavierspiel wirkte atemberaubend selbstverständlich, so als würde er sich und das Zusammenspiel seiner Hände beobachten. Mit hoher Aufmerksamkeit spürte er den Akkorden nach und erzeugte damit bannende Ruhepunkte. Die Harmonie zwischen Solist und Orchester war gut, Tugan Sokhiev erwies sich als ein aufmerksamer Begleiter, der den orchestralen Part mit klarer Struktur unterstützte und zugleich Kantorow sehr viel Raum gab, seine Klangfarben frei zu entfalten. Allerdings blieb dadurch der noble Klang des Orchesters allzu sehr im Hintergrund. Der Gesamtklang wirkte leider zu deutlich gedämpft, sodass auch die faszinierenden Schlagzeugeffekte mehr Andeutung als deutliche Farbgebungen waren. Das Publikum feierte begeistert den hinreißenden Vortrag von Alexandre Kantorow, der sich mit einer innigen Zugabe bedankte.

Nach der Pause öffnete sich das Tor zu einer märchenhaften Klangwelt mit Nikolai Rimski-Korsakows „Scheherazade“. Diese sinfonische Dichtung, die die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht in farbenfrohen Klangbildern erzählt, zeigte die Münchner Philharmoniker nun in Hochform. Sokhiev verstand es gut, die subtilen Übergänge zwischen den erzählerischen Episoden zu gestalten und den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten. Der Dialog zwischen Orchester und der Solo-Violine, die Scheherazade verkörperte, wurde feinfühlig und souverän von der Konzertmeisterin gespielt. Sie gab der orientalischen Erzählerin mit ihrem warmen, klangvollen Spiel eine geheimnisvolle und zugleich sinnliche Stimme. Dabei konnte sie sich von den intensiven Klängen der Harfe wunderbar tragen lassen.

Besondere Beachtung verdienten auch die Solisten der Bläsersektion: Das Fagott im zweiten Satz, das die geheimnisvollen Töne zum Ausdruck brachte, spielte mit weicher, tragender Tiefe, dabei erstaunlich in der dynamischen Abschattierung bis ins feinste Pianissimo, während im dritten Satz die Holzbläser die sanften und melancholischen Farben des Meeres gekonnt herausarbeiteten. Die Schlagzeuger, insbesondere die markanten Trommelwirbel, das wirbelnde Tamburin und Beckenschläge im finalen vierten Satz, brachten die dramatische Spannung des Stückes voll zur Geltung und ließen die musikalischen Wellen geradezu brechen.

Tugan Sokhiev zeigte in dieser Aufführung nicht nur seine Fähigkeit, das Orchester in große dynamische Höhen und feinste klangliche Schattierungen zu führen, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Struktur und den erzählerischen Gehalt von „Scheherazade“. Unter seiner Leitung verwoben sich die einzelnen musikalischen Themen zu einem faszinierenden Ganzen, das die Zuhörer beeindruckte. Die andauernde Begeisterung wurde mit dem unverwüstlichen „Trepak“ aus Tschaikowskys „Nussknacker“-Ballett belohnt.

Dieses Konzert präsentierte vielfältig die reiche Palette russischer Musik. Tugan Sokhiev und die Münchner Philharmoniker bewiesen einmal mehr, dass sie bestens in der Lage sind, klangliche Präzision mit vielschichtigen Emotionen farbintensiv zu verbinden.

Dirk Schauß, 28. Oktober 2024

 

Besuchtes Konzert in der Alte Oper Frankfurt am 27. Oktober 2024

Münchner Philharmoniker
Alexandre Kantorow, Klavier
Tugan Sokhiev, musikalische Leitung

 

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