Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

FRANKFURT/Alte Oper: MISCHA MAISKY – HR-Sinfonieorchester/ JÄRVI (Sibelius, Tschaikowsky, Bruch, Schmidt)

27.04.2018 | Konzert/Liederabende

Frankfurt / AOF: „MISCHA MAISKY-HR S.O.-PAAVO JÄRVI“ – 26.04.2018

Zum Abo-Konzert des HR-Sinfonieorchesters in der Alten Oper kehrte der einstige Chef Paavo Järvi als Gastdirigent zurück. In Adoration seiner finnische Heimat eröffnete der Spross der großen Dirigenten-Dynastie die interessante Programmfolge mit dem kurzen symphonischen Poem seines Landsmanns Jean Sibelius: „Nächtlicher Ritt und Sonnenaufgang op. 55“.

Den gespenstig anmutenden orchestralen Ritt durch die unergründlichen Landschaften, umwoben von finnischen Mythen ließ Paavo Järvi mit dem herrlich aufspielenden HR S.O. in dunklen harmonischen Farben vor dem geistigen Auge erstehen. Schmetternde Trompeten, warme Holzbläser kündigten in hinreißender Intonation die aufgehende Sonne an.

Mit einem betörend gespielten „Nocturne d-moll“ (Peter Tschaikowsky) eröffnete der Solist des Abends Mischa Maisky den abwechslungsreichen Konzertabend.

Danach erklang eine der schönsten Melodien der Konzertliteratur „Kol Nidrei“ (Max Bruch), das leider viel zu kurze Adagio heißt wörtlich übersetzt Alle Gelöbnisse, mit dieser Formel wurde das Gebet zum jüdischen Versöhnungsfest eröffnet. Ein Lied hebräischer Melodien aus der Sammlung Lord Byrons legte Bruch zugrunde, das Cello beginnt seine wunderschöne Melodie, im ruhig fortschreitenden Gang intonieren Oboe und Klarinette und Harfe umschmeicheln das Soloinstrument bis sich letztlich das Kol Nidrei durchsetzt und sich alle Melodien überlagern.

Gestaltend in allen Parametern, technisch markant profilierend begegnete der exzellente Cellist diesen herzzerreißend schönen Weisen, brillierte mit hingebungsvollem Spiel, dass man sich wünschte es möge nie zu Ende gehen.

Zu „Rokoko-Variationen“ (Peter Tschaikowsky) entführte der exzellente Cellist in retrospektive Klangwelten des 18. Jahrhunderts. Diese liebenswerte Schöpfung mit seinem gängigen Thema wird siebenmal umgebildet, nicht streng eher fließend und gleitend. Während der hübschen Einzelbilder erschienen Walzer, Menuett sowie verspielte Exempels. Auf wunderbare Weise zelebrierte der Altmeister seines Instruments weich kunstvoll schattierend die herrlichen warmen Cello-Soli und veredelte in beseeltem Spiel diese wunderbaren Klänge. Wohldosiert in delikaten Abstufungen begleitete Paavo Järvi mit dem stimmungsvoll musizierenden Orchester.

Mit Bravos und tosendem Applaus feierte man den charismatischen Künstler.

Nach der Pause erklang ein in Konzerten seltener zu hörendes Werk die „Vierte Symphonie“ von Franz Schmidt. Im Jahre 1933 vollendet, bildete dieses Opus in einem Satz durchkomponiert, den Reflex des Komponisten auf einen persönlichen Schicksalsschlag, welchen ihn sehr traf den Tod seiner Tochter Emma nach der Geburt ihres Kindes.

Gleich zu Beginn eröffnete ein empfindungstiefes, einprägsames Trompetensolo das Werk und sollte auch im finalen Schlusswort das verklärende Sagen haben. Der Charakteristik dieser Musik, den Klang-Finessen, der handwerklichen Perfektion der melodischen Abläufe kann man sich schwerlich entziehen und Schmidt zitierte seine musikalischen Grundgedanken mit folgenden Worten: Es ist sozusagen die letzte Musik, die man ins Jenseits mit hinüber nimmt, nachdem man unter ihren Auspizien geboren wurde und das Leben gelebt hat. Die Musik erscheint uns also als Aspekt des Lebens, welches sich entfaltet und vollendet.

In den vier durchgespielten aber dennoch bezeichneten Sätzen der Symphonie erhoben sich im anfänglichen Allegro die Violinen aufblühend, gleiten intoniert von Harfenklängen in ein leidenschaftliches weiteres rhythmisches Thema und erhoben sich in elementarer Kraft zu architektonischer Formung. In bezwingender Klangreinheit musizierte das HR SO. unter der umsichtigen Stabführung seines ehemaligen Chefdirigenten.

Es scheint als hätte im Adagio ein tragisches menschliches Erleben, einen erschütternden Niederschlag gefunden, der Komponist gibt hier seinem Schmerz über den Tod seines einzigen Kindes emotional Ausdruck. Eine schwermütige Celloklage weint, überirdisch schön sich steigernd, leise vergehend von einem dunklen Trauermarsch begleitet. Diese wunderbare Celloweise erklang wiederum im folgenden Scherzo-Molto vivace in Verbindung der Themen, wurde zum Gegenstand der großartig bezwingenden Klang-Balance.

Das Finale formulierte Schmidt so: Nachdem eine Katastrophe andeutenden Abschluß der Durchführung (Scherzo) tritt die Reprise des ersten Teils ein, in der alles gereifter und erklärter erscheint. Paavo Järvi präsentierte nochmals das gesamte prächtig musizierende Instrumentarium , vereinte in Transparenz die wogenden Streicher, die hintergründigen Holzbläser und Trompeten in pastorale Empfindungen und naturalistische Stimmungen.

Das Publikum feierte nach besinnlicher Stille Orchester und Dirigent in euphorischer Ausgelassenheit und wurde mit dem elegischen hinreißend musizierten Zwischenspiel aus „Notre Dame“ (Schmidt) auf den Heimweg geleitet.

Gerhard Hoffmann

 

 

Diese Seite drucken