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FRANKFURT/Alte Oper: „LONDON SYMPHONY ORCHESTRA – SIR SIMON RATTLE”

Abschied vom Leben …

29.04.2018 | Konzert/Liederabende


Sir Simon Rattle. Foto: Achim Reissner

Frankfurt / AOF: „LONDON SYMPHONY ORCHESTRA –

SIR SIMON RATTLE” – 28.04.2018

Abschied vom Leben …

Abschied, Todesnähe sind die Bezeichnungen, es ist von der “Neunten Symphonie” Gustav Mahlers die Rede, umweht doch schließlich ein gewisser Lebewohl-Charakter das gesamte Werk – ein Abgesang.

Zum erneuten Gastspiel des London Symphony Orchestra in der Alten Oper leitete Sir Simon Rattle „sein“ Orchester als dessen Musikdirektor er seit 2017 waltet und versprach Mahler-Wonnen allererster Güte.

Als Sound der Leidenschaft könnte man dieses Konzertereignis nennen! Sir Simon Rattle wählte bedächtige Tempi, betonte zuweilen öfters durch zugespitze schattenhafte Passagen den eruptiven Gesamtklang (ich kannte es in weicheren Formationen). Sein Musizierstil erschien mir wollte sich jeglicher Larmoyanz verweigern, betonte mehr die lebensbejahende Dynamik besonders in Bezug der ersten beide Symphoniesätze mit ihren zerklüfteten melodischen Ansätzen, den gewaltigen Aufschwüngen, den Variationen im Zusammensinken der Themen.

Der Dirigent wies den musikalischen Fluss wie selbstverständlich strukturell in jene vom Komponisten vorgegebenen Kanäle, die Musik schien sich immer wieder neu zu finden, entbehrte des geforderten allegorischen Charakters nicht, stets den Blick nach vorn gerichtet erklangen die Themen mehr von Sehnsucht und Leidenschaft statt von Tod und Trauer gekennzeichnet.

Von manchen instrumentalen Ecken, kantigem Felsgestein im expressiven Verlauf abgesehen, durchflutete lichte Transparenz diese zum Himmel strebende Musik. Schwerlich zu beschreiben das akkurate Musizieren des exzellenten LSO in seiner überwältigenden Ensembleleistung welche interpretatorisch keine Wünsche offen ließ, ob zum weichen Streicherklang, den warmtönenden Holzbläsern oder perfekten Fraktionen der Blechbläser, erstaunten gleichwohl zu brillanter Spielfreude. In überirdische Sphären entführte Maestro Rattle mit dem elitären bestens disponierten Klangkörper, dass es einem den Atem verschlug.

Akribisch zog die Partitur gleich einer tönenden Autobiografie Mahlers am Zuhörer vorüber, ein Programm, ein literarischer Leitfaden, welcher das Werk als ein einziges herzergreifendes Lebewohl deutet: Trennungsschmerz und Wehmut im Andante, der Galgenhumor im Ländler wuchs weit über das Derbe hinaus, wirkte eher fein parodistisch mit ernstem Hintergrund. Starke Konturen betonte der Dirigent zur Rondo-Burleske in grell höhnischer Akzentuierung.

Gleich dem Verfließen einer Wolke im Blau der himmlischen Atmosphäre intonierten die Streicher das Adagio, eröffneten in vielschichtigem Melodienreichtum den ergreifenden Abschiedsgesang, welcher sich sodann im anmutig steigernden Crescendo auftürmt. In einzigartiger Fazilität zwischen Melancholie und Apotheose in unhörbaren Piani der Streicher entschwebte die Musik, man wähnte sich der Welt abhanden gekommen.

Viel zu früh, ohne besinnliches Innehalten entluden sich die Ovationen für Sir Simon und sein LSO.

Das Faible Sir Simons gegenwärtige Konzertliteratur einem klassischen symphonisches Epos voran zusetzen ist hinreichend bekannt. Nun erwählte der Dirigent das zum Triptychon erweiterte Werk „Woven Space“ der zeitgenössischen britischen Tonsetzerin Helen Grime als DEA zum Konzertauftakt. Es grenzt schon an Blasphemie derartige kontroverse Verzweigungen von Noten, quasi Geräuschkulissen im gleichen Atemzug eines göttlichen Giganten zu nennen, sorry eine absolut verzichtbare Fadaise.

Gerhard Hoffmann

 

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