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FRANKFURT/ Alte Oper: Konzert mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester (Weber, Schumann, Raff)

18.03.2025 | Konzert/Liederabende

Ein Wald aus Klang – Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester mit Davies und Schumanns Hornquartett

Die Alte Oper Frankfurt, am Abend des 17. März 2025. Kein überbordender Prunk, keine Ablenkung – der Raum selbst überlässt der Musik das Wort. Und die Musik sprach an diesem Abend mit der Stimme des Waldes: schattig und lichtdurchflutet, sanft atmend und unwiderstehlich drängend. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester widmete sich drei Werken, die in ihrer musikalischen Sprache den Zauber der Natur einfangen: Carl Maria von Webers dramatische „Freischütz“-Ouvertüre, Robert Schumanns brillantes Konzertstück für vier Hörner und Joachim Raffs selten gespielte dritte Sinfonie „Im Walde“. Ein Programm, das die Hörner ins Zentrum rückte – jenes Instrument, das in der Romantik zum Symbol für Jagd, Sehnsucht und Naturverbundenheit wurde.

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Dennis Russell Davies. Foto: Copyright by Ralph Winkler

Carl Maria von Webers „Freischütz“ gilt als Inbegriff der deutschen Romantik. Die Ouvertüre fasst die dramatische Erzählung der Oper in konzentrierter Form zusammen: finstere Mächte, gespenstische Klänge, doch auch Erlösung und triumphales Licht. Dennis Russell Davies ließ die Musik aus dem Nichts erwachsen. Die tiefen Streicher atmeten weit, wie ein leises Raunen aus der Erde. Die Holzbläser setzten tastende Linien darüber, die Hörner schimmerten aus dem Klanggrund hervor, erst zaghaft, dann mit wachsender Sicherheit. Hier zeigte sich bereits die Qualität des Orchesters: Die Phrasen waren fein aufeinander abgestimmt, kein Ton stand isoliert, jede Stimme fand ihr natürliches Gegenüber. Wenn das Hauptthema kam, geschah das mit organischer Kraft – die Geigen leuchteten, das Blech strahlte, die rhythmische Energie war messerscharf fokussiert. In der Durchführung türmte Davies die Dramatik mit untrüglichem Gespür auf, ließ das Orchester fiebern, sich ducken, neu auflodern. Und als sich schließlich die Düsternis in triumphales C-Dur auflöste, war dies nicht nur ein harmonischer, sondern ein Sieg der Gefühle.

Ein Höhepunkt des Abends war Robert Schumanns Konzertstück für vier Hörner und Orchester. Geschrieben in einer Zeit der Euphorie, zeugte es von Schumanns Faszination für das Ventilhorn, das ihm neue klangliche Möglichkeiten eröffnete. Dieses Konzertstück ist mehr als nur ein Schaustück für virtuose Bläser – es lebt von der Wechselwirkung zwischen solistischen Linien und orchestraler Strahlkraft.

Die vier Hornisten (Matthijs Heugen, Alexander Boukikov, Tuna Erten, Genevieve Clifford) des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters betraten mit sichtbarer Konzentration die Bühne. Das Orchester zeigte sich hier als idealer Partner für seine Kollegen: Es begleitete nicht nur, sondern gestaltete mit, wob feine Dialoge mit den Hörnern, umrahmte und akzentuierte, ohne je zu dominieren.

Schon die ersten fanfarenhaften Rufe der Solisten – satt, golden, präzise – zeigten, auf welchem Niveau hier musiziert wurde. Davies formte die orchestrale Antwort mit seidiger Eleganz: Die Geigen sangen, die Klarinetten warfen Fragen in den Raum, das Blech funkelte, ohne zu blenden. In der lyrischen Mittelsektion entfaltete sich eine der schönsten Klangfarben dieses Abends: Die Hörner verschmolzen in einem einzigen Atem, während das Orchester eine schimmernde, schwerelose Harmonie darunterlegte. Es war, als würde der Klang in warmem Licht schwimmen. Im finalen Presto schließlich gerieten alle Kräfte in Bewegung – schmetternde Läufe, kühne Wechsel, ein atemberaubendes Crescendo. Und doch blieb alles kontrolliert, keine Note ging verloren, nichts verschwomm in bloßem Effekt. Das Publikum hielt den Atem an, bevor der Applaus losbrach.

Joachim Raffs Sinfonie Nr. 3 „Im Walde“ war einst ein Publikumsliebling, ein sinfonisches Naturgemälde, das von Waldeslicht und dämmrigen Schatten, plätschernden Quellen und stürmischen Nächten erzählt. Raff, einst ein Schüler Liszts und später Direktor des Hoch’schen Konservatoriums in Frankfurt, ließ sich von Beethoven und Mendelssohn inspirieren, doch seine Musik trägt eine eigene Handschrift – feinsinnig instrumentiert, voller melodischer Erfindung und atmosphärischer Dichte.

Dennis Russell Davies nahm sich Zeit für die erste Abteilung, „Am Tage, Eindrücke und Empfindungen“, die Musik konnte atmen, organisch wachsen. Die Streicher setzten mit federndem Flirren ein, die Holzbläser malten den lichten Sonnenschein. Das Orchester bewies hier seine ganze Farbpalette: Die Geigen leuchteten in sanftem Gold, die Flöten perlten, die Klarinetten schmeichelten. Die Bläser – allen voran die Hörner – verschmolzen mit der Klangwelt, alles war Teil eines lebendigen Geflechts.

Die zweite Abteilung, „In der Dämmerung, Träumerei und Tanz der Dryaden“, beginnt mit einem eindringlichen Gesang des Waldes, wahrlich zum Träumen. Es folgte ein tänzerisches Intermezzo, in dem das Orchester seine Transparenz und Leichtigkeit ausspielte. Die Holzbläser glitzerten wie Wasserperlen, die Streicher tänzelten, die Pizzicati federnd, doch nie spröde. Zu erleben war, wie fein Davies die Artikulation gestaltete – jedes Motiv war deutlich, jede Geste präzise, nichts blieb unklar oder beiläufig. Deutliche Anklänge an Mendelssohns „Sommernachtstraum“ waren zu vernehmen, und doch zeigt Raff hier seine ganz eigene Art, mit den Farben des Orchesters zu verzaubern.

Und dann die dritte Abteilung, „Stilles Weben der Nacht im Walde, Einzug und Auszug der wilden Jagd und Anbruch des Tages“ – eine orchestrale Naturgewalt. Die tiefen Streicher grollten heran, die Holzbläser schwirrten unheimlich, dann brach der Sturm los: Paukenschläge wie grollender Donner, das Blech blitzte auf, das Orchester entfesselte eine unaufhaltsame Kraft. Immer wieder blitzte listig der helle Klang der Triangel auf. Doch Davies bewahrte die Kontrolle, ließ den Sturm nicht bloß toben, sondern formte ihn zu einem dramaturgischen Höhepunkt. Der Moment, in dem das Licht langsam zurückkehrte – die dunklen Farben sich auflösten, das Orchester sich in warmem Dur öffnete – gehörte zu den eindrucksvollsten dieses Abends. In diesem Moment wurde klar, warum Tschaikowsky von dieser Sinfonie fasziniert war: Die finale Auflösung ins triumphale Dur erinnert an den Marsch seiner Pathétique – ein Echo, das vielleicht kein Zufall ist.

Was dieses Konzert so außergewöhnlich machte, ist nicht nur die kluge Programmwahl, sondern die Art, wie das Frankfurter Opern- und Museumsorchester die Werke durchdrang. Hier wurde nicht einfach gespielt, es wurde erzählt, geformt, gemeinsam geatmet. Dennis Russell Davies dirigierte mit klarem Konzept, aber ohne Dogma – er gab Struktur, doch ließ den Musikern Raum für Farben, für Schattierungen, für ein lebendiges Miteinander. Keine Frage, Davies beeindruckte mit der hohen Souveränität seines langen Lebens als enorm vielseitiger Dirigent. Mit klarer, sachlicher Zeichengebung führte er den Klangkörper mit Stilgefühl und Kompetenz. Ein besonderes Erlebnis, diese starke Musikerpersönlichkeit zu erleben.

Als der letzte Ton verklungen war, blieb ein Moment der Stille – diese besondere, kostbare Stille, die entsteht, wenn ein Konzert berührt. Dann brach der Applaus los, lang, dankbar, begeistert. Die Musiker verneigten sich. Es war ein Abend, der nicht nur den Wald musikalisch beschwor, sondern auch die Seele der Romantik lebendig machte – in all ihrer Lichtfülle, ihren Geheimnissen, ihrem Drängen nach Ausdruck.

Ein Konzert, das nachhallt – wie ferne Hornrufe in der Tiefe des Waldes.

Dirk Schauß, 18. März 2025

Konzert mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester am 17. März in der Alten Oper Frankfurt

 

 

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