Zwischen Wiener Klassik und amerikanischem Swing: Ein Abend voller Kontrast
Dirigent Riccardo Minasi, verwandelte die Konzertbühne der Alten Oper am 07. Februar in ein energiegeladenes Spannungsfeld, in dem Mozarts Musik nicht nur makellose Eleganz, sondern auch dramatische Intensität entfaltete. An diesem Abend traf der Wiener Klassiker auf die Klangwelt Amerikas: Aaron Coplands Klarinettenkonzert, geschrieben für die Jazzlegende Benny Goodman, pulsiert vor rhythmischer Raffinesse und kantabler Weite, während, die Entdeckung des Abends (!) William Grant Stills „Afro-American Symphony“ mit Blues und Spirituals eine ganz eigene sinfonische Sprache formt. Martin Fröst, bekannt für seine virtuose Bühnenpräsenz, verlieh Coplands Werk eine schwebende Leichtigkeit und mitreißenden Drive. Minasi wiederum zeigte mit stilistischer Vielseitigkeit, dass Mozart genauso energetisch und packend klingen kann wie die Werke des 20. Jahrhunderts – ein Abend, der Gegensätze vereinte und musikalische Brücken zwischen den Kontinenten schlug.
Die Sinfonie A-Dur KV 114, die Mozart im Alter von 15 Jahren in Mailand komponierte, zeigt bereits eine erstaunliche kompositorische Reife. Der erste Satz, ein lebhaftes Allegro, sprüht vor Energie und brillanten Einfällen. Das Andante, von kammermusikalischer Intimität, zeugt von Mozarts feinem Gespür für lyrische Linien. Das Menuett ist würdevoll, aber mit italienischem Charme durchzogen, bevor das abschließende Allegro mit spritzigem Witz und technischer Raffinesse glänzt. Minasi und das hr-Sinfonieorchester brachten diese frühe Mozart-Sinfonie mit einem Höchstmaß an Transparenz und Flexibilität zur Geltung. Die Tempi waren fließend, die Artikulation präzise, und das Zusammenspiel der Streicher und Holzbläser betonte die hellen, federnden Qualitäten dieser jugendlichen Komposition. Minasi verstand es fabelhaft, Mozarts Frische und jugendlichen Esprit in den Klang zu transportieren.
Martin Fröst. Foto: Mats Bäcker
Martin Fröst gilt als einer der faszinierendsten Klarinettisten unserer Zeit, berühmt für sein ausdrucksstarkes Spiel, seine makellose Technik und seinen choreografierten Körpereinsatz auf der Bühne. Das Klarinettenkonzert von Aaron Copland, ursprünglich für Benny Goodman geschrieben, vereint jazzige Rhythmen mit lyrischer Eleganz. Der erste Satz, getragen von weiten, melancholischen Linien, entfaltet eine beinahe schwebende Atmosphäre, die Fröst mit wunderbarer Sanglichkeit formte. Staunenswert, wie treffsicher und sonor Fröst seine Töne unhörbar ansetzen kann, daraus ergaben sich schwebende Momente der Ewigkeit. Die Kadenz, in der die Klarinette ganz allein den Raum erfüllt, geriet zu einem Meisterstück an Spannung und Expressivität. Im zweiten Satz brachte Fröst mit schwindelerregender Virtuosität und pulsierendem Swing die rhythmischen Feinheiten voll zur Geltung. Das hr-Sinfonieorchester unter Riccardo Minasi begleitete Fröst mit Sensibilität und Farbigkeit, unterstützte die jazzigen Anklänge und setzte punktgenau die markanten Akzente des zweiten Satzes. Besonders die dezenten Streicherteppiche im ersten Satz schufen eine stimmungsvolle Basis für Frösts Klarinettenklang. Das Publikum war voller Begeisterung, sodass es sich über eine hinreißende Zugabe freuen konnte. Von Chick Corea spielte Martin Fröst eine herrliche Rumba-Komposition mit einer Solistin aus der Gruppe der Kontrabässe und dem swingenden hr-Sinfonieorchester. Ein großer Genuss!
Mozarts „Linzer“ Sinfonie gehört zu seinen Meisterwerken und ist ein Paradebeispiel für seine sinfonische Architektur. Ein feierliches Adagio als Einleitung führt zu einem schwungvollen Allegro spiritoso. Im folgenden Andante zeigt sich schlichte Eleganz und Kantabilität, während das Menuett mit prunkvoller Gravitas erstrahlt. Das Finale sprüht vor Vitalität und jagt mit unbändiger Spielfreude zum Ende. Minasi setzte erneut auf schlanke, sprechende Phrasierungen und atemberaubende Dynamik. Die Transparenz der Struktur wurde durch pointierte Artikulation betont. Besonders in der Einleitung gelang eine Spannung, die sich theatralisch entlud. Die Sforzati erklangen donnernd und federnd zugleich. Mit großem Einsatz zeigte das beherzt aufspielende hr-Sinfonieorchester überragende Klangkultur bei fein abgestimmter klanglicher Struktur.
William Grant Still (1895–1978) war ein bahnbrechender amerikanischer Komponist, der als „Dean of Afro-American Composers“ bekannt wurde. Seine erste Sinfonie, auch bekannt als die „Afro-American Symphony“, komponiert im Jahr 1930, war ein Meilenstein in der Musikgeschichte. Sie war die erste Sinfonie, die von einem afroamerikanischen Komponisten von einem großen Orchester aufgeführt wurde, und markierte einen bedeutenden Schritt in der Anerkennung afroamerikanischer Künstler in der klassischen Musik. Das Werk entfaltet eine starke Sogwirkung, die den Hörer unmittelbar in ihren Bann zieht. Mit ihren weit gespannten Melodiebögen, den rhythmisch pulsierenden Passagen und den farbenreichen Orchestrierungen erinnert sie an die Klangwelten späterer epischer Film- und Landschaftsmusik. Der erste Satz,„Longing“ (Sehnsucht), beginnt mit einem tiefen, bluesigen Thema, das eine melancholische, aber zugleich hoffnungsvolle Stimmung erzeugt. Die Musik wirkt hier wie eine weite, emotionale Landschaft, die den Hörer in eine Geschichte eintauchen lässt. Der zweite Satz, „Sorrow“ (Kummer), vertieft diese Stimmung mit expressiven Melodien, die an Spirituals erinnern. Der dritte Satz, „Humor“ (Humor), bringt eine lebhafte, tänzerische Energie ins Spiel, die von synkopierten Rhythmen und jazzigen Einflüssen geprägt ist. Hier zeigt sich Stills Fähigkeit, Leichtigkeit und Freude musikalisch einzufangen, ohne die emotionale Dichte zu verlieren. Für besonderes Kolorit sorgt hier der Einsatz eines Banjos! Der vierte Satz, „Aspiration“ (Streben), mündet schließlich in einen triumphalen, hoffnungsvollen Schluss, der die Sinfonie mit einem Gefühl der Zuversicht und des Aufbruchs beendet. Riccardo Minasi und das hr-Sinfonieorchester ließen Stills Musik immens leuchten. Besonders die Streicher betonten die warmen Kantilenen, während die Blechbläser kraftvolle Akzente setzten. Die rhythmische Prägnanz wurde mit jazziger Leichtigkeit dargeboten. Das Schlagzeug spielte druckvoll auf, sodass die Farbigkeit dieses Werkes voll zur Geltung kam. Herrliche Solibeiträge kamen von den Holzbläsern und der jazzigen Trompete. Eine wunderbare Begegnung mit einem ganz faszinierenden Werk, was das Publikum entsprechend begeister akklamierte.
Das hr-Sinfonieorchester bewies an diesem Abend seine bemerkenswerte stilistische Bandbreite. Mit präziser Artikulation, feinem Gespür für klangliche Nuancen und einer bestechenden rhythmischen Vitalität meisterten die Musiker den Sprung von Mozarts klassischer Klarheit über Coplands jazzige Eleganz bis hin zur expressiven Klangwelt von William Grant Still. Besonders beeindruckend war die klangliche Flexibilität, mit der das Orchester die unterschiedlichen Idiome der Werke gestaltete – vom schimmernden Mozart-Ton bis zur erdigen Wärme der „Afro-American Symphony“.
Ein Konzert, das Brücken schlug: zwischen Mozart und Amerika, zwischen Tradition und Moderne. Riccardo Minasi bewies sich als packender Gestalter, Fröst als Virtuose von einzigartiger Ausdrucksstärke. Die emotionale Bandbreite dieses Abends reichte von Mozarts Klarheit bis zu den jazzigen und bluesigen Einfärbungen Coplands und Stills – ein außergewöhnliches, beglückendes Konzert voller musikalischer Horizonte.
Dirk Schauß, 08. Februar 2025
Konzert in der Alten Oper Frankfurt am 07. Februar 2025