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FRANKFURT/ Alte Oper: Konzert hr-Sinfonieorchester, Francesco Piemontesi, Klavier, Alain Altinoglu, musikalische Leitung. Beethoven und Mahler – Ein monumentaler Auftakt zur neuen Saison

12.10.2024 | Konzert/Liederabende

Beethoven und Mahler – Ein monumentaler Auftakt zur neuen Saison.11. Oktober 2024

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Copyright by hr/Sebastian Reimold

Mit einem ebenso virtuosen wie emotional tiefgreifenden Konzert startete die „Große Reihe“ in der Alten Oper Frankfurt in die neue Spielzeit. Auf dem Programm standen zwei Giganten der Musikgeschichte: Beethovens 5. Klavierkonzert Es-Dur Op. 73, das „Kaiser“-Konzert, und Gustav Mahlers 5. Sinfonie, deren legendäres Adagietto die Zuhörer seit jeher fasziniert. Der Schweizer Pianist Francesco Piemontesi, das hr-Sinfonieorchester und Chef-Dirigent Alain Altinoglu sorgten für einen unvergesslichen Abend.

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Francesco Piemontesi. Copyright by hr/Sebastian Reimold

Der Abend begann mit Beethovens 5. Klavierkonzert, dessen aufbrausender Charakter von Piemontesi perfekt eingefangen wurde. Schon im ersten Satz zeigte sich, dass Piemontesi nicht nur Virtuosität, sondern auch feine musikalische Sensibilität in seine Interpretation einfließen ließ. Seine Darbietung des „Kaiser“-Konzerts überzeugte durch rhythmische Präzision, differenzierte Dynamik und eine Klarheit in den Phrasierungen, die Beethovens oft kantige Textur durchlässig und organisch wirken ließ. Der brillante Beginn und die majestätischen Läufe des Klaviers dominierten diesen Satz, allerdings wirkte die Darbietung stellenweise doch auch etwas zu sehr auf technische Raffinesse konzentriert, sodass der Raum für die emotionale Auskostung teilweise verloren ging. Im zweiten Satz entfesselte Piemontesi jedoch eine wahre Klangpoesie. Die Innigkeit, mit der er die lyrischen Linien gestaltete, schuf eine magische Atmosphäre, die an die Grenzen des Transzendenten reichte. In diesem zweiten Satz offenbarte sich seine große Kunst, der Musik Raum zum Atmen zu geben und dabei die leisen Töne ebenso meisterhaft auszugestalten wie die kraftvollen. Der Übergang in den dritten Satz war meisterhaft abgestimmt, und als das Rondo schließlich im mitreißenden Tempo einsetzte, zeigte der Pianist erneut sein hervorragendes Timing und seine technische Perfektion. Was ihn besonders auszeichnet, ist die Fähigkeit, kraftvolle Virtuosität mit einem feinsinnigen Gespür für musikalische Strukturen zu verbinden.

Alain Altinoglu und das hr-Sinfonieorchester gestalteten Beethovens Klavierkonzert mit einem drahtigen und kantigen Klang, der dem kämpferischen Esprit des Werks gerecht wurde. Altinoglu dirigierte mit großer Aufmerksamkeit, immer im Dialog mit dem Solisten, und führte das Orchester dynamisch und präzise durch die komplexe Partitur. Die musikalische Balance zwischen Orchester und Solist war stets gewahrt, wobei besonders die Streicher durch ihre transparente Klanggebung hervortraten. Sehr klare Farbakzente kamen dazu von Lars Rapp an der Pauke.

Piemontesi zeigte sich auch nach dem offiziellen Teil von seiner besten Seite. Zwei Zugaben bot er dem begeisterten Publikum: Zunächst Johann Sebastian Bach mit einer Transkription von „Wachet auf ruft uns die Stimme“. Den Abschluss bildete das zauberhafte As-Dur Impromptu Nr. 2 Op. 142 von Franz Schubert, das durch seine lyrische Feinheit und die unvergleichliche Zartheit Piemontesis noch lange nachhallte.

Nach der Pause folgte Gustav Mahlers fünfte Sinfonie in cis-moll, ein gewaltiges Werk, das nicht nur durch seine Länge, sondern auch durch seine emotionalen Extreme besticht. Von den ersten Takten an war klar, dass Altinoglu und das hr-Sinfonieorchester hier eine überraschende Interpretation präsentieren würden. Der erste Satz begann mit einem herausragenden Solo der Solo-Trompete von Sebastian Berner – scharf und klar, mit grimmigen Akzenten, die den düsteren Charakter des Satzes verstärkten. Das Orchester drängte unaufhaltsam nach vorne, ohne Hast, und behielt dabei eine markante Dramatik bei.

Der zweite Satz forderte vom Orchester vehemente Ausdruckskraft. Die scharfen, fratzenhaften Einwürfe der Bläser kontrastierten wirkungsvoll mit den aufwallenden Streicherpassagen. Besonders in diesem Satz bewies Altinoglu seine Fähigkeit, die eruptiven Ausbrüche des Werks klug zu dimensionieren, ohne ihnen die notwendige Intensität zu nehmen.

Das folgende Scherzo öffnete das Orchester in ein weiträumiges, helles Klangpanorama, das von Kristian Katzenberger am Horn strahlend angeführt wurde. Seine solistischen Einwürfe waren von einer bemerkenswerten Leichtigkeit und Souveränität, hervorragend unterstützt von der gesamten Horn-Gruppe.

Das berühmte Adagietto im vierten Satz begann beinahe aus dem Nichts. Anne-Sophie Bertrand an der Harfe und die warmen Streicherklänge schufen eine kammermusikalische Atmosphäre, die sich langsam zu einem leuchtenden Forte entwickelte. Hier zeigten die Streicher des hr-Sinfonieorchesters ihre volle Klangkultur, deren Schönheit die Zuhörer den Atem anhalten ließ.

Das finale Rondo bildete einen kecken, lebensfrohen Abschluss. Begeisternd, welche Reserven der Klangkörper noch mobilisieren konnte und dabei stets durchsichtig musizierte. Altinoglu dirigierte das Orchester zu einer lichtvollen Apotheose, die den krönenden Abschluss dieses eindrucksvollen Werks bildete.

Alain Altinoglu führte die Sinfonie mit offensivem Gestus, vermied dabei jedoch jede Spur von Kitsch oder übertriebener Süße. Seine klare erzählerische Linie verlieh dem Werk eine packende Intensität, die durch die gesamte Sinfonie hindurch spürbar war. Mit dieser Interpretation legte er einen großartigen Auftakt für die neue Konzertsaison hin, der sicherlich noch lange nachwirken wird.

Das hr-Sinfonieorchester präsentierte sich an diesem Abend in Höchstform. Der Gesamtklang des Ensembles war kraftvoll und präzise, besonders die Holz- und Blechbläser leisteten Hervorragendes. Auch das Schlagzeug zeigte sich spielfreudig, hätte aber durchaus noch mehr Wucht vertragen. Die Streicher zeigten im Adagietto ihre volle Klangkultur, während die exponierten Soli – Berner an der Trompete, Katzenberger am Horn, Bertrand an der Harfe – das Publikum durch ihre Ausdrucksstärke und technische Perfektion beeindruckten. Großer Jubel!

Am Ende des Konzerts wurde der langjährige Schlagzeuger Burkhard Roggenbuck unter großem Applaus von Orchester und Dirigent in den Ruhestand verabschiedet, was dem Abend einen besonders emotionalen Abschluss verlieh.

Ein gelungener Auftakt zur neuen Saison, der die künstlerische Qualität des hr-Sinfonieorchesters und die Handschrift von Alain Altinoglu eindrucksvoll unter Beweis stellte. Beethoven und Mahler bildeten eine gelungene Einheit. Ein Abend, der das Publikum begeistert und berührt zurückließ.

Dirk Schauß, 12. Oktober 2024

Besuchtes Konzert in der Alten Oper Frankfurt am 11. Oktober 2024

Francesco Piemontesi, Klavier

hr-Sinfonieorchester

Alain Altinoglu, musikalische Leitung

 

 

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