Brahms‘ innige Dialoge, Martinůs expressive Wucht und Dvořáks tänzerische Virtuosität:
Ein klangreicher Abend mit den Bamberger Symphonikern in der Alten Oper Frankfurt
Copyright: Tibor Florestan Pluto
Am Abend des 29. Septembers verwandelte sich die Alte Oper Frankfurt in einen Raum voller tiefer emotionaler Erlebnisse und musikalischer Brillanz. Unter der Leitung des tschechischen Dirigenten Jakub Hrůša präsentierten die Bamberger Symphoniker ein Programm, das von der lyrischen Komplexität des Spätromantikers Johannes Brahms bis hin zur rhythmischen Vitalität Antonin Dvořáks reichte. Besonders bemerkenswert war das kurzfristige Einspringen der norwegischen Geigerin Vilde Frang, die für die erkrankte Hilary Hahn die solistische Rolle im Doppelkonzert von Brahms übernahm. Trotz der knappen Vorbereitung beeindruckte sie mit technischer Brillanz und tiefer Musikalität.
Johannes Brahms‘ Doppelkonzert in a-Moll, Op. 102 stellt das letzte seiner Werke für Orchester dar und ist von einer eindrucksvollen emotionalen Qualität geprägt. Das Werk verlangt von den Solisten nicht nur Virtuosität, sondern auch ein tiefes musikalisches Verständnis für den Dialogcharakter des Stücks. Das Wechselspiel zwischen Violoncello und Violine ist dabei weniger ein Wettstreit, sondern vielmehr eine intime Konversation, die durch das Orchester fein untermalt wird. Besonders der eröffnende Satz „Allegro“ zeigt die dramatische und zugleich lyrische Tiefe, die Brahms in diesem Konzert entfaltete.
Vilde Frang und Sol Gabetta gaben in Brahms‘ Doppelkonzert eine nahezu symbiotische Darbietung, die das Publikum in ihren Bann zog. Frang, die kurzfristig für Hilary Hahn einsprang, brillierte mit einem feinsinnigen, warmen Ton und einer bewundernswerten Gelassenheit. Ihre Technik war makellos, doch es war ihre Fähigkeit, emotionale Tiefe aus jeder Phrase zu ziehen, die ihre Darbietung besonders machte. Sol Gabetta stand ihr in nichts nach, und ihre Interpretation des Celloparts bestach durch eine unglaubliche Ausdruckskraft und musikalische Klarheit. Die beiden Solistinnen schienen in einem ständigen, wortlosen Dialog miteinander zu stehen, ihre musikalischen Linien verflochten sich organisch und ergänzten sich perfekt. Faszinierend war es, wie genau die Musikerinnen aufeinander achteten. Besondere Wonnemomente waren die vielen leisen Momente, die intensiv und süß zugleich erklangen. Ein großer Harmoniegesang in Streichertönen!
Das Zusammenspiel mit den Bamberger Symphonikern, die von Jakub Hrůša souverän geführt wurden, verlieh dem Werk zusätzliche Strahlkraft. Hrůša verstand es fabelhaft, die Balance zwischen Orchester und Solisten zu wahren, sodass das Orchester den Solisten Raum ließ, ohne an Prägnanz zu verlieren. Besonders in den lyrischen Passagen des zweiten Satzes „Andante“ zeigte sich das Orchester als einfühlsamer Partner, der den warmen Klangteppich ausrollte, auf dem die Solisten ihre feinen musikalischen Linien weben konnten. Aber auch die schroffen und tänzerischen Momente kamen nicht zu kurz. Das Orchester zeigte sich in bestechender Form und verwöhnte mit herausragender Klangqualität an allen Pulten. Starke Ovationen belohnten diese ausgezeichnete Wiedergabe.
Bohuslav Martinůs dritte Sinfonie, H. 299, ist ein Werk von beeindruckender Komplexität und großer Farbigkeit. Sie wurde 1944 während des Zweiten Weltkriegs in den USA komponiert und spiegelt die Zerrissenheit und Unsicherheit der damaligen Zeit wider. Trotz ihrer düsteren Grundstimmung gibt es in der Sinfonie Momente der Hoffnung und des Friedens, die durch den Einsatz ungewöhnlicher Harmonien und rhythmischer Strukturen vermittelt werden. Martinů kombiniert hier eine modernistische Tonsprache mit volkstümlichen Elementen, was seiner Musik eine sehr persönliche Handschrift verleiht.
Die Sinfonie besteht aus drei Sätzen, die ohne Unterbrechung gespielt werden. Der erste Satz, „Allegro poco moderato“, beginnt mit einem unruhigen Puls, der von den tiefen Streichern getragen wird und sich in einem intensiven Dialog zwischen den Blechbläsern und dem Rest des Orchesters steigert. Der zweite Satz, „Largo“, ein intensives Lamento steigert sich in der Mitte zu einem gewaltigen Crescendo, Anklänge an Schostakowitsch lassen sich dabei feststellen. Im dritten Satz, „Poco allegro“, wird die innere Spannung der Sinfonie noch einmal aufgegriffen, das Orchester saust mit höchster Virtuosität durch alle Spielgruppen. Die letzten Minuten dieses Satzes ergeben einen besonderen Zauber. Ein eigenartiger Tanz in den Streichern beginnt, untermalt von einem prägnanten Solo des Konzertmeisters. Dann noch einmal ein kollektives Aufbäumen des gesamten Orchesters, bevor das Werk in einer eigentümlichen Schlussgeste endet.
Hrůša, selbst ein Experte für die Musik seines Landsmannes Martinů, führte die Bamberger Symphoniker sicher durch die komplexen rhythmischen und harmonischen Strukturen der Sinfonie. Besonders beeindruckend war, wie Hrůša die dynamischen Kontraste der Partitur herausarbeitete und den dramatischen Spannungsbogen der Sinfonie bis zum Ende konsequent aufbaute. Die Bamberger Symphoniker, die stolz auf ihre böhmischen Wurzeln und ihren besonderen Klang sind, zeigten in dieser Interpretation eine außergewöhnliche Klangkultur und Präzision. Das Orchester präsentierte sich in Martinůs anspruchsvoller, modernistischer Partitur als ein Ensemble, das sowohl technische Virtuosität als auch emotionale Tiefe zu bieten hat. Besonders die Blechbläser und Holzbläser glänzten mit außergewöhnlicher Klarheit und Ausdrucksstärke. Das Publikum war sehr angetan von diesem selten zu erlebenden Werk.
Das Scherzo capriccioso Op. 66 von Antonín Dvořák, eines seiner weniger häufig gespielten Werke, ist ein charmantes und energiegeladenes Stück, das die folkloristischen Wurzeln des Komponisten betont. Es zeigt Dvořáks unvergleichliche Fähigkeit, melodische Einfälle und rhythmische Finesse miteinander zu verbinden. Das Werk ist geprägt von einem sprühenden, tänzerischen Charakter, der sowohl Leichtigkeit als auch eine gewisse ironische Note in sich trägt. Die raffiniert gearbeitete Orchestrierung lässt die verschiedenen Instrumentengruppen in ständigem Austausch miteinander stehen, was dem Werk einen unverwechselbaren Charme verleiht.
Jakub Hrůša führte das Orchester mit einer Leichtigkeit und Souveränität, die den festlichen Charakter des Werks betonte. Die Bamberger Symphoniker brillierten durch ihre rhythmische Präzision und die warme Klangfülle, die Dvořáks Partitur zum Leuchten brachte. Perfekt war der schwierige Einsatz der Hörner am Beginn zu vernehmen, überhaupt setzte diese Gruppe herausragende Klangmomente. Die Musiker zeigten eine tiefe Vertrautheit mit dem spezifisch tschechischen Klang, der Dvořáks Musik durchzieht. Die tänzerischen Elemente wurden schwungvoll, aber nie überhastet interpretiert, und Hrůša bewies hier einmal mehr sein exzellentes Gespür für die subtilen Nuancen, die Dvořáks Musik auszeichnen. Jubel.
Dieser Konzertabend in der Alten Oper Frankfurt zeigte eindrucksvoll, warum die Bamberger Symphoniker und Jakub Hrůša zu den führenden Orchestern und Dirigenten der heutigen Zeit gehören. Die klangliche Differenziertheit, die technische Brillanz und die tiefe musikalische Verständigung zwischen den Solisten und dem Orchester machten den Abend zu einem musikalischen Höhepunkt. Besonders das kurzfristige Einspringen von Vilde Frang für Hilary Hahn und die energiegeladene Interpretation von Martinů und Dvořák hinterließen einen bleibenden Eindruck. Das Konzert unterstrich auch die enge Verbindung des Orchesters zur tschechischen Musiktradition, die durch seine böhmischen Wurzeln geprägt ist und in jedem gespielten Werk hörbar wurde. Die Bamberger Symphoniker und ihr hingebungsvoller Chefdirigent sind derzeit auf der Höhe ihrer Kunst zu erleben.
Dirk Schauß, 30. Juni 2024
Besuchtes Konzert in der Alten Oper Frankfurt am 29. September 2024
Konzert der Bamberger Symphoniker
Jakub Hrůša, musikalische Leitung
Fotos: Copyright by Tibor-Florestan Pluto