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FRANKFURT/ Alte Oper: KONZERT Augustin Hadelich, Violine, Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, Pietari Inkinen, musikalische Leitung

17.02.2025 | Konzert/Liederabende

Verborgene Emotionen – Hadelich und Inkinen verzaubern in der Alten Oper Frankfurt

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Pietari Inkinen – Copyright by Andreas Zähler

Am 16. Februar bot die Alte Oper Frankfurt einen Konzertabend, der die Zuhörer in die faszinierende Welt der russischen Musiktradition entführte. Unter der Leitung des scheidenden Chefdirigenten Pietari Inkinen spielte die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern ein Programm, das in seiner stilistischen Vielfalt die ganze emotionale Bandbreite dieser Musik offenbarte. Mit der herausragenden Interpretation von Augustin Hadelich, der das Violinkonzert von Peter Tschaikowsky mit technischer Brillanz darbot, wurde der Abend zu einem außergewöhnlichen Erlebnis.

Den Auftakt bildete Sergej Rachmaninows sinfonische Dichtung „Die Toteninsel“ Op. 29. Inspiriert von Arnold Böcklins berühmtem Gemälde, entfaltet das Werk in tiefen Streicherpassagen, dunklen Holzbläserfarben und dynamischen Wellenbewegungen eine geheimnisvolle, tranceartige Atmosphäre. Inkinen ließ das Werk in seiner ganzen strukturellen Klarheit aufleben. Die Deutsche Radio Philharmonie folgte ihm mit beeindruckender Geschlossenheit und auf hohem spielerischen Niveau: Die Streicher zeichneten die melancholisch wogenden Klangflächen mit großer klanglicher Homogenität nach, während die Bläser – besonders die tiefen Register – eine sakrale Gravitas vermittelten. Die fein abgestuften Crescendi, die das Orchester mit größter Sorgfalt gestaltete, verstärkten die Sogwirkung der Musik und verliehen dem Werk eine nahezu unentrinnbare dramatische Intensität. Inkinen gelang es großartig, die Spannung über den gesamten Verlauf hinweg zu halten, bis das Werk in seinen finalen dunklen Akkorden verklingt – ein Moment von beklemmender Stille, der im Saal nachhallte.

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Augustin Hadelich – Copyright by Suxiao Yang

Das zentrale Werk des Abends, Tschaikowskys Violinkonzert D-Dur Op. 35, eröffnete einen Kontrast von leidenschaftlicher Dramatik und kantabler Eleganz. Augustin Hadelich, einer der faszinierendsten Violinisten der Gegenwart, zeigte eine Interpretation, die sich gleichermaßen durch makellose Technik wie durch eine feinsinnige musikalische Gestaltung auszeichnete. Schon im ersten Satz beeindruckte er mit einer fabelhaften Phrasierung: Die weit ausschwingenden Melodiebögen erklangen mit leuchtender Kantabilität, während die virtuosen Passagen eine staunenswerte Balance aus Brillanz und struktureller Klarheit fanden. Besonders bemerkenswert war sein Umgang mit der Dynamik: Hadelich ließ die Motivketten in fein abgestuften Nuancen aufblühen, wodurch das Geschehen stets organisch atmete. Verblüffend synchron verlief das Zusammenspiel mit der herrlich aufspielenden Deutschen Radio Philharmonie. Bei zugespitzten Tempi baute sich eine atemberaubende Spannung auf, die sich bereits nach dem ersten Satz in Ovationen entlud.

Die Canzonetta des zweiten Satzes geriet unter Hadelichs Händen zu einem lyrischen Kleinod von berückender Zartheit. Mit einem wunderbar leichten Strich formte er die schwebende Melodie, deren innige Zurückgenommenheit im Zusammenspiel mit den sanft atmenden Holzbläsern des Orchesters eine Atmosphäre von intimer Reflexion schuf. Inkinen, der mit feinem Gespür für Phrasierung und Tempo agierte, hielt die Orchesterbegleitung stets transparent und flexibel, sodass Hadelichs Spiel in voller poetischer Strahlkraft erblühen konnte. Hervorragende Einzelleistungen kamen von Flöte und Klarinette.

Das Finale, ein überschäumendes Allegro vivacissimo, war ein mitreißendes Feuerwerk an Virtuosität und rhythmischer Energie. Hadelich meisterte die blitzschnellen Läufe mit umwerfender Präzision und einer Leichtigkeit, die nie ins Mechanische abglitt. Dabei faszinierte seine differenzierte Artikulation, mit der er selbst in den rasantesten Passagen feine Schattierungen herausarbeitete. Inkinen und das Orchester standen ihm dabei als gleichwertige Partner zur Seite: Die rhythmische Pointierung der Begleitung war messerscharf und von einer tänzerischen Beweglichkeit, die das Finale in eine wahre Klangexplosion verwandelte. Der Jubel des Publikums war dementsprechend frenetisch und wurde mit zwei unterhaltsamen Zugaben bedankt: Zunächst erklang der mitreißende „Wild Fiddler’s Rag“ in einem Arrangement von Augustin Hadelich nach Howdy Forrester, voller Virtuosität und mit federndem Swing. Danach folgte der Tangoklassiker „Por una cabeza“ von Carlos Gardel, ebenfalls in einer fesselnden Bearbeitung Hadelichs. Die Zuhörer waren hingerissen.

Den Abschluss des Programms bildete eine Suite aus Sergej Prokofjews Ballett „Romeo und Julia“, die Inkinen aus den Suiten Op. 64a und Op. 64b zusammengestellt hatte. Die Deutsche Radio Philharmonie zeigte hier ihr breites Klangspektrum: Die düster-dramatischen Akzente der Einleitung gerieten wuchtig und mit präzise gesetzten Schärfungen in den Blechbläsern, während die lyrischen Abschnitte – Montagues und Capulets – von einer großen Sanglichkeit geprägt waren. Inkinen dirigierte mit klarem Fokus auf den erzählerischen Charakter der Musik. Besonders eindrucksvoll gerieten die kontrastreichen Wechsel zwischen den grotesk tänzerischen Episoden und den tragischen Momenten, in denen das Orchester mit kammermusikalischer Transparenz spielte. Höhepunkt der Wiedergabe war „Tybalts Tod“! Inkinen ließ sein hingebungsvolles Orchester an der Grenze der Spielbarkeit furios ertönen. Es stockte einem der Atem, in welchem Höllentempo die große Streichergruppe traumwandlerisch sicher zusammenspielte. Blechbläser und die wuchtigen Schlagzeuger sorgten für besondere Wonnemomente, während der abschließende Teil „Romeo an Julias Grab“ in seinem Schmerz eine ergreifende Wirkung entfaltete.

Der Konzertabend in der Alten Oper Frankfurt erwies sich als ein glanzvolles Beispiel für musikalische Exzellenz. Die Deutsche Radio Philharmonie zeigte sich als Spitzenorchester und spielte unter der inspirierenden Leitung von Pietari Inkinen mit klanglicher Differenzierung und hoher gestalterischer Sensibilität. Augustin Hadelich bewies mit seiner Interpretation von Tschaikowskys Violinkonzert einmal mehr, warum er zu den führenden Geigern seiner Generation zählt. Mit der düsteren Mystik Rachmaninows, der emotionalen Vielschichtigkeit des Tschaikowsky-Konzerts und der dramatischen Wucht von Prokofjews Ballettmusik entfaltete das Programm eine Ausdruckskraft, die sich tief ins Gedächtnis der Zuhörer einbrannte. Ein großer Konzertabend!

Dirk Schauß, 17. Februar 2025

Konzert in der Alten Oper am 16. Februar 2025

Augustin Hadelich, Violine

Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern

Pietari Inkinen, musikalische Leitung

 

 

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