Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

FRANKFURT/ Alte Oper: „KHATIA BUNIATISHVILI – LONDON SYMPHONY ORCHESTRA – GIANANDREA NOSEDA“  (Tschaikowsky)

03.12.2019 | Konzert/Liederabende


Copyright: Siemon/RMF-jpg

Frankfurt / Alte Oper: „KHATIA BUNIATISHVILI – LONDON SYMPHONY ORCHESTRA – GIANANDREA NOSEDA“  –  02.12.2019

Pro Arte hatte wiederum in die Alte Oper geladen und zwar das London Symphony Orchestra unter der Stabführung von Gianandrea Noseda mit der extravaganten georgischen Tastenkünstlerin Khatia Buniatishvili im Schlepptau und einer Programmfolge mit ausschließlich Werken von Peter I. Tschaikowsky.

Vertraut und dennoch neu vernahm ich die Auslegung des altgedienten pianistischen Ohrwurms des „Klavierkonzert Nr. 1“ mit der inzwischen etablierten und international renommierten Solistin. Nach den prägnanten einleitenden Hornrufen zum Allegro con spirito näherte sich Khatia Buniatishvili impressionabel den Doppel-Oktaven um sich sodann in wahren Akkord-Türmen die erregenden Anklänge der Themen zu offerieren. In bezwingend hochkarätiger Brillanz durchleuchtete die Pianistin die Solokadenzen und unterlegte die Partitur einer akribischen Analyse, in agogischer Feinarbeit entfalteten sich glitzernde Filigran-Arabesken von umwerfender Klang-Akkuratesse. Da spielte selbst der personifizierte Autoerotismus der Dame eine untergeordnete Rolle, Parsifal hätte es so formuliert: So hob sich kühn das Haupt, so flatterten lachend die Locken.

Ruhig, verträumt webte Buniatishvili die schmückenden glanzvollen Finessen des Andante semplice mit zart verspielten Akkord-Figuren, die Finger schienen die Tasten zuweilen zärtlich nur zu streicheln. Vortrefflich einfühlsam auch hier von Gianandrea Noseda und dem bestens disponierten London Symphony Orchestra exquisit begleitet und instrumental hervorragend unterstützt.

Schwelgend in bezwingender orchestraler Dominanz und prächtiger Klangentfaltung formierte sich das Instrumentarium zum finalen Allegro con fuoco zu welchem die versierte Solistin ihre prächtigen Pentimenti in atemberaubender Perfektion, einem farbintensiven Tasten-Feuerwerk krönte.

Für die große Begeisterung des Publikums bedankte sich die Gefeierte mit dem elegisch und zum Weinen schön interpretierten „Impromtus Nr. 4“ von Franz Schubert.

Wie in der „Vierten“ beinhaltet die „Symphonie Nr. 5“ die poetische Schicksals-Motivation,  offeriert zudem die Seelenzustände des unglücklichen Komponisten. Der musikalische Leitgedanke des ersten Satzes gewann seine Ausdrucksform im marschähnlichen Thema von Tschaikowsky als Motiv der vollständigen Beugung vor dem Schicksal gedeutet, sich in allen Folgesätzen des imposanten symphonischen Werkes sequenzierend. Gianandrea Noseda

 nahm diesem Eröffnungs-Grundgedanken wie wir mir schien, die oft gehörte bedeutungsvolle Schwere, stimmte das Andante mit den Klarinetten in tiefer Lage an, ließ allmählich die Strukturen des mächtigen Gesamtapparates aufblühen und reduzierte somit die bleiern drückende Melancholie.

In punktierter Rhythmik stimmten im Andante cantabile Klarinette und Fagott das walzerartige Thema an, die Violinen schwelgten, die Holzbläser intensivierten sich zur formellen Entwicklung. Im Tutti entfaltete sich das prächtig aufspielende London S.O. zu traumhafter Klangentfaltung zur schemenhaften Entwicklung der Seitenthemen um sodann im Fortissimo regelrecht zu explodieren. Noseda bevorzugte weichere Konturen, nahm den Ecksätzen die oft verwendeten Schärfen, kehrte zielstrebig zu beruhendem Intonieren zurück und ließ im pianissimo den Satz ausklingen.

Prägnant, sensibel formte der umsichtige Dirigent mit dem qualifizierten Klangkörper das dreiteilige Allegro moderato mit seiner choralartigen Einleitung zum tiefen Streicher-Monolog, der schwärmerischen Hornmelodie. Im Wechselspiel der Oboen, Celli, Violinen schwangen sich bewegende Klänge in pastoraler Intensität empor, drängend entwickelte sich die hereinbrechende Introduktion. Herrlich transparent, filigran, kapriziös erklang die Walzermelodie des Ecksatzes.

In einer Hymne eröffnete das berühmte Schicksalsmotiv das finale Andante maestoso in wogenden Triolen, wurden Sequenzen umspielt im drängenden Streichersatz. Stampfend erhob sich der Geschwindmarsch, die Holzbläser intonierten das Seitenthema, in spannender Entwicklung entfaltete sich das vom Blech akkurat geschmetterte von jagenden Läufen begleitet das Schicksals-Sujet. In unbändiger Wildheit strebte das Instrumentarium in präziser Orchestrierung brillant dem glanzvollen Finale entgegen. Man wähnte sich regelrecht erschlagen bar soviel interpretatorischer Präzision und unmittelbar entlud sich die Begeisterung des Publikums und überschüttete die englischen Gäste mit Bravo-Salven.

Mit der rhythmisch, prägnant, brillant gespielten Polonaise aus „Eugen Onegin“ wurden die Zuhörer schwungvoll auf den Heimweg in die kalte Nacht entsandt.

Gerhard Hoffmann

 

Diese Seite drucken