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FRANKFURT/ Alte Oper: JOHANNES-PASSION von J.S.Bach

Eine fulminant, beispiellose Interpretation !

18.03.2018 | Konzert/Liederabende

Frankfurt / AOF: „BACH: JOHANNES-PASSION“ – 17.03.2018

Eine fulminant, beispiellose Interpretation !

Optimal zur Passionszeit zwei Wochen vor Ostern gastierte das Collegium Vocale Gent unter der Stabführung von Philippe Herreweghe zum 7. Abo-Abend der Frankfurter Bachkonzerte in der Alten Oper und brachten die „Johannes-Passion“ von Johann Sebastian Bach zur nachhaltig-denkwürdigen Aufführung. Vor 294 Jahren fast auf den Tag erlebte das Werk in der Nikolaikirche zu Leipzig am Karfreitag 1724 seine UA.

Es ist Bachs erstes großes kirchenmusikalisches Werk, doch es hat nicht mehr die alte Form des damals gewohnten Responsoriums, sondern mehr oder weniger die aktuellere Fasson der oratorischen Passion zur Karfreitags-Liturgik. Zwei Gesichtspunkte heben diesen neuen Passionsstil vom vorher Üblichen ab: Modernität und Liturgie-Nähe.

Wenn ich bedenke wie „modern zeitgemäß“ so manche Chorpassagen in unseren Ohren anmuten, wie provokant müssen sie damals die Hörer empfunden haben? Wie denn auch sei gleich zu Beginn eröffnete der rhythmische Choreinsatz Herr, unser Herrscher schier zeitlose Hörgewohnheiten und die relativ kleine Anzahl der Chorsolisten des Vocale Gent suggerierten illusorische Volumen-Dimensionen. Ambivalent präsentierten sich die Sänger während der weiteren Choralsätze auf höchstem Vokal-Niveau, verdienen allerhöchstes Lob und sangen natürlich phrasierend, pulsierend, wohlklingend, klar und selbst das Kreuzige wirkte elegant in symphonischer Formation.

Nicht die Affektation war dominierender Maßstab, sondern der direkte emotionale Zugang ins Gemüt der Zuhörer. Das Passionsgeschehen litt weniger unter der Last des Leidens, Philippe Herreweghe beleuchtete mit seinem herrlich musizierenden Collegium Vocale Gent mehr die lichtvollen Aspekte der Erlösung. Stark geprägt wurde dadurch das punktuelle transparente Klangbild voll mitreißendem Elan und elegantem Schwung. Federnd leicht, süffisant, stets in perfekt-exzellenter Orchestrierung ergab sich so eine deutlich intensive Vokal-Begleitung von höchstem Rang.

In derart liebevoller instrumentaler Umhüllung entfalteten sich die Sanges-Solisten in vorbildlicher Perfektion. Allen voran sah sich Maximilian Schmitt uneingeschränkt im Dienst tenoraler Ästhetik und Wohlklangs und versah die Botschaften und Rezitative des Evangelisten mit sehr körperlicher Stimme. Nie verfärbte sich das herrliche Timbre, sein Sprechgesang schien ins Legato eingebunden, selbst hohe unbetonte Noten wurden bis ins feinste Piano qualitativ prächtig ausgesungen. Bravo!

Körperhaften Klang, bassbaritonaler Wohllaut sehr differenziert ausgewogen deklamiert, praktizierte Kresimir Strazanac und verlieh den Passagen Jesus nachhaltige Präsenz zu sensibler Betonung der introvertierten Dramatik des Parts.

Lyrische wie dramatische Ausdrucksfähigkeit, in allen Lagen ausgeglichen, in melodischen Linien nachzeichnend verstand es Robin Tischler den Tenor-Arien Ausdrucksstärke zu schenken. Stilsicher, feinnervig traf Damien Guillon den ätherischen Aspekt zum Vortrag seiner wunderschönen Alt-Arien.

Individuell verstand es Dorothee Mields ihren klangvollen Sopran schlank, dezent farbig kontrastierend einzusetzen. Peter Kooij schenkte den Bass-Arien sowie dem Pilatus nachhaltig sonoren Gehalt.

Im Vokalkollektiv der kleineren Partien sangen souverän und schönstimmig Magdalena Podkoscielna (Magd), Stephan Gähler (Knecht), Philipp Kaven (Petrus) und ergänzten nachdrücklich das qualitativ sehr hohe Niveau dieser denkwürdigen Wiedergabe. Das begeisterte Publikum feierte alle Mitwirkenden mit Bravos und zehn Minuten starkem Applaus.

Gerhard Hoffmann

 

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