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FRANKFURT/ Alte Oper: FRANKFURTER OPERN- UND MUSEUMSORCHESTER; Martin Helmchen, Klavier, Simone Young, musikalische Leitung (Mozart, Korngold)

17.12.2024 | Konzert/Liederabende

Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Simone Young, musikalische Leitung, Martin Helmchen, Klavier (Mozart, Korngold

Zwei Wunderkinder und ein Jubiläum

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Simone Young – Copyright by Sandra Steh

250 Jahre Offenbacher Musikverlag André – ein Anlass, der eine musikalische Reise durch zwei Jahrhunderte eröffnete. Die Frankfurter Museums-Gesellschaft feierte dieses Jubiläum mit Mozarts „Krönungskonzert“ KV 537 und Korngolds spätromantischer Sinfonie in Fis-Dur Op. 40. Mit Martin Helmchen als Solist und Simone Young am Pult des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters wurde der Abend zu einem besonderen Erlebnis: eine Hommage an zwei Wunderkinder und die traditionsreiche Musikgeschichte der Region.

Mozarts Klavierkonzert Nr. 26, bekannt als „Krönungskonzert“, strahlt Leichtigkeit und Eleganz aus, verbunden mit königlicher Festlichkeit. Die Erstaufführung des Werks bei der Kaiserkrönung Leopolds II. in Frankfurt und die spätere Veröffentlichung durch Johann André, der eigenhändig Ergänzungen im Basspart vornahm, zeigen, wie eng das Werk mit dieser Stadt und ihrer musikalischen Geschichte verwoben ist.

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Martin Helmchen – Copyright by Giorgia Bertazzi

Martin Helmchen, gefeierter MuseumsSolist dieser Saison, ist bekannt für seine klare musikalische Sprache, eine tief empfundene Interpretationskunst und die Fähigkeit, selbst bekannten Werken neue Facetten zu entlocken. Bereits mit den ersten Takten bewies er, warum er zu den führenden Pianisten seiner Generation zählt.

Im ersten Satz, einem Allegro von festlichem Charakter, zeigte Helmchen ein makelloses Gespür für Stilsicherheit und Phrasierung. Die subtilen Wechsel zwischen Brillanz und Zurückhaltung ließen den Dialog zwischen Orchester und Solist sehr lebendig werden. Die technischen Anforderungen der ornamentreichen Passagen meisterte Helmchen mit scheinbar müheloser Virtuosität. Besonders hervorzuheben war hier die feinsinnige Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester, das unter Simone Youngs präziser Leitung mit Klarheit und Eleganz agierte. Die transparent gestalteten orchestralen Linien ermöglichten dem Solopart, sich organisch einzufügen.

Der zweite Satz, ein intimes Larghetto, offenbarte die poetische Seite des Pianisten. Seine fein abgestufte Dynamik verlieh den melodischen Bögen eine berührende Zartheit, ohne den orchestralen Fluss aus den Augen zu verlieren. Besonders hervorzuheben war die Durchhörbarkeit des Klangs, die selbst in den leisesten Passagen eine klare Artikulation bewahrte. Das Orchester unterstützte Helmchens lyrische Interpretation mit einem wunderbar ausgewogenen Streicherklang und einer dezenten, aber ausdrucksstarken Holzbläserbegleitung, die Young mit sicherem Gespür für Mozarts Klangästhetik formte.

Das abschließende Allegretto präsentierte sich als heiterer Tanz voller Esprit. Hier zeigte sich Helmchens brillante Technik in den anspruchsvollen Läufen und Verzierungen, während sein Gespür für rhythmische Präzision das Orchester zu einem spritzigen und spielfreudigen Finale anregte. Young dirigierte mit einer charmanten Leichtigkeit, die das Orchester zu einem festlichen und lebendigen Musizieren inspirierte. Insgesamt ein herrlicher Vortrag und dafür gab es reichen Applaus, den Helmchen mit dem langsamen Satz aus Mozarts F-Dur Klaviersonate bedankte.

Erich Wolfgang Korngold, ein einstiges Wunderkind, komponierte seine einzige Sinfonie in Fis-Dur in der Nachkriegszeit. Dieses Werk ist eine Würdigung an die spätromantische Klangwelt von Mahler und Strauss, durchdrungen von Korngolds einzigartiger melodischer Handschrift und orchestraler Opulenz. Mit der Sinfonie versuchte Korngold, sich von seinem Ruf als Filmkomponist zu lösen und sich einer moderneren Tonsprache anzunähern. Doch seine Versuche, zeitgemäßer zu sein, blieben eher Ansätze, da seine musikalische Sprache stark in den Traditionen des späten 19. Jahrhunderts verwurzelt blieb. Gerade das Unzeitgemäße macht das Werk jedoch zu einem faszinierenden Klanggemälde, das seinem Komponisten eine unverwechselbare Identität bewahrt.

Den ersten Satz eröffnete Simone Young mit einer kraftvollen Lesart. Schroff und unzugänglich beginnt diese eigenartige Sinfonie, die zunächst so gar nicht nach Korngold klingt. Fast wirken die ersten Minuten so, als würde Korngold, der Wohlklingende, von seiner inzwischen neu tönenden Umwelt vor sich hergetrieben. Wenn nach etwa fünf Minuten ein berückendes Flöten-Solo beginnt, dreht sich die Komposition und wendet sich einer kantablen Stimmung zu. Dann drängt der Satz aufrauschend weiter. Starke Einwürfe der Trompeten erinnern deutlich an Korngolds Meisterwerk „Die Tote Stadt“. Mit fahlen Holzbläserklängen und hohen Streicherakkorden endet dieser ereignisreiche Satz. Das Frankfurt Opern- und Museumsorchester zeigte seine prachtvolle Klangfülle, die Korngolds dramatische Spannungsbögen und subtile harmonische Wendungen bezwingend zur Geltung brachte.

Das rasante Scherzo überzeugte mit verspielter Eleganz und rhythmischer Finesse. Fortwährend ist die Musik in Bewegung und findet keinen Halt. Ein Feuerwerk der Kontraste. Und auch hier, ähnlich wie im ersten Satz, kommt die Musik dann nach einigen Minuten zur Ruhe. Die Streicher formulieren fragende Klänge und bannende Harmonien. Dann springt das Scherzo seinem furiosen Ende entgegen. Simone Young verstand es gut, die teils geheimnisvollen, teils schalkhaften Momente dieses Satzes zu einer organischen Einheit zu formen. Die permanenten Sprunghaftigkeiten und rhythmischen Vertracktheiten bewältigte das Orchester tadellos.

Das Adagio im dritten Satz ist das emotionale Herzstück der Sinfonie, intensiv, berückend und staunenswert faszinierend. Welcher Reichtum an Einfällen! Bereits die Eingangsklänge in den feierlich tönenden Posaunen führen weit hinaus in das ganz persönliche musikalische Universum von Korngold. In wenigen Augenblicken zeigt sich darin sein ganzes Genie, faszinierende Stimmungen zu schaffen und hinreißend zu orchestrieren. Die tiefgründige, melancholische Klangwelt wurde vom Orchester mit einer solchen Intensität dargestellt, dass der Saal in gebannter Stille verharrte. Feine Soli-Momente in den Streichern und die sich darüber legende Flöte geben der Musik viel Eindringlichkeit. Die warmen Streicher, die raunenden Holzbläser und die nuancierte Dynamik des Orchesters unter Youngs präziser Leitung zeigten die ganze emotionale Ausdrucksstärke dieses Satzes. Young ließ sie glühen und blühen, welch eine Wonne, diesen seltenen Solitär der Konzertmusik derart tiefgründig zu erleben!

Im finalen Allegro con fuoco kehrte sodann die Lebensfreude und das durchaus auch Humorige zurück. Noch einmal saust die Musik durch alle Register und Orchestergruppen. Herrlich, wie klar Korngold die Themen aus den voraus gegangenen Sätzen nochmals aufgreift und faszinierende Ruhepunkte setzt, um dann sein Werk plötzlich furios zu beenden. Auch in diesem Finale hatte die Schlagzeug-Gruppe des Orchesters mitreißende Momente und sorgte somit für hinreißende Effekte. Ein mitreißender, fast triumphaler Abschluss, in dem das Frankfurter Opern- und Museumsorchester erneut seine Virtuosität und klangliche Vielseitigkeit unter Beweis stellte. Simone Young dirigierte mit scharfsinnigem Verständnis für Korngolds verschlungene Strukturen und verlieh dem Satz zugleich eine überwältigende Energie.

Das vierte Sinfoniekonzert der Frankfurter Museums-Gesellschaft war eine bewegende Reise durch die musikalische Geschichte zweier Wunderkinder. Martin Helmchen faszinierte mit einer tief empfundenen, technisch brillanten Interpretation des „Krönungskonzerts“, während Simone Young und das Frankfurter Opern- und Museumsorchester Korngolds Sinfonie mit großer Intensität und Strahlkraft zum Leben erweckten. Korngolds Bemühen, moderner zu klingen, mag nicht gänzlich gelungen sein, doch gerade darin lag der Reiz, eine individuelle musikalische Welt zu erleben, die sich dem Zeitgeist entzieht und doch sich letztlich ganz treu geblieben ist. Ein Abend, der Vergangenheit und Gegenwart auf beeindruckende Weise verband und dabei dem Jubiläum des Verlags André eine würdige Bühne bot. Viel Begeisterung für einen außergewöhnlichen Konzertabend!

Dirk Schauß, 17. Dezember 2024

Besuchtes Konzert am 16. Dezember 2024

Martin Helmchen, Klavier

Frankfurter Opern- und Museumsorchester

Simone Young, musikalische Leitung

 

 

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