Frankfurt / Alte Oper: „ DAS LIED VON DER ERDE“ – 14.10.2019
Dem 2. Abo-Konzert des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters erteilte Peter Seiffert krankheitsbedingt eine Absage und somit übernahm Nikolai Schukoff den Tenor-Part in „Das Lied von der Erde“ (Gustav Mahler) im Mozartsaal der Alten Oper.
Mit ins Transzendente zielenden Worten: Still ist mein Herz und harret seiner Stunde! Die liebe Erde allüberall, blüht auf im Lenz und grünt- aufs neu! Allüberall und ewig blauen Licht die Fernen! Ewig…ewig. Endet das Werk, welches im spätromantischen Repertoire eine schwer zu deutende Mittelstellung zwischen Vokalsymphonie und Orchesterzyklus einnimmt.
Somit bleibe ich auch gleich bei der Solistin Katharina Magiera der jungen Mezzosopranistin der Oper Frankfurt welche auf beeindruckende Weise die immense Scala ihrer wohlklingenden Stimme demonstrierte. Den abgründigen Tiefen der tragfähigen Mittellage folgten reine, die Orchesterfluten überstrahlende Höhen-Sphären. Wunderbar interpretierte die Künstlerin mit resignierendem Unterton Der Einsame im Herbst. Ausgezeichnet in vokaler Variation Von der Schönheit und schließlich wie entrückt in schwebender Schönheit die bereits oben zitierten Worte beim finalen Abschied.
Nikolai Schukoff setzte bereits beim eröffnenden Trinklied vom Jammer der Erde mit seinem höhensicheren Tenor gestalterische Akzente voller Komplexität. Lyrisch ohne heroischen Operngesang verströmte der Sänger sein ausdrucksstarkes Material in nuancierten Varianten. Pathetisch, vortrefflich variiert erklang Von der Jugend und Schukoff schenkte dem Refrain bewegende Tiefenwirkung mit seinem wunderbar timbrierten Tenorstimme. Beste Textverständlichkeit korrespondierte mit punktgenau differenzierter Feinfühligkeit bei Der Trunkene im Frühling krönend mit tenoralen Finessen der finalen Textzeile Was geht mich der Frühling an? Lasst mich trunken sein. Mit Freude im Herzen, zuweilen den Schalk im Nacken schenkten die beiden sympathischen Solisten den Texten besondere exorbitante Prägnanz.
Vorzüglich erfüllte Sebastian Weigle am Pult des Frankfurter Opern- und Museumsrochesters die Strophen und Nachklänge mit symphonischer Dichte. Jubelnde Hornfanfaren zu Beginn, melancholische Zauberklänge, dem behaglichen Scherzo sowie berauschende Schönheit des Finales verstand es das prächtig aufspielende Orchester zur Inspiration seines GMDs gleichwohl vortrefflich umzusetzen. Eine tiefbewegende Interpretation ausgezeichnet dargeboten wurde nach kleinen Besinnungsmomenten lautstark vom Publikum gefeiert.
Vor der Pause erklang „Verklärte Nacht“ jenes übersinnliche erkenntnisbedingte symphonische Poem von Arnold Schönberg. Die Auseinandersetzung mit dessen Werken und Schreibweisen sorgte und wird immer wieder Diskussionen hervorrufen, jedoch ganz besonders bezüglich des jeweiligen Hörergeschmacks. Mich persönlich begeisterte jener Musizierstil, der herrlich breitgefächerte Streicherklang des Frankfurter Orchesters in seiner satten Farbigkeit, im elegischen musikalischen Dahinfließen dieser „verklärten“ Komposition. Zur orchestralen Formation von Sebastian Weigle entwickelte sich das zart filigrane, symphonische Aufstreben zum schwerblütigen Diskant der dimensionierten Grundstimmung um sodann instrumental elegisch zu entschweben. Ein genialer harmonisierender Auftakt zur Mahlers elitärer Tonsprache. Bravos und langanhaltender Beifall für die bemerkenswerte Interpretation.
Gerhard Hoffmann