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FRANKFURT/ Alte Oper: DANIIL TRIFONOV-LONDON P.O.- VLADIMIR JUROWSKI“

16.03.2018 | Konzert/Liederabende


Daniil Trifonov, Vladimir Jurowski. Copyright: Ansgar Klostermann

Frankfurt / AOF: „DANIIL TRIFONOV-LONDON P.O.-

VLADIMIR JUROWSKI“ – 15.03.2018

Mit großer Erwartung fieberte ich wiederum der Begegnung mit dem Fixstern am Pianisten-Himmel Daniil Trifonov entgegen, welcher diese nicht nur erfüllte sondern in höchstem Maße übertraf. Denke ich zurück mit welch jugendlichen Elan, bereits pianistischem Können sich der damals 21-Jährige in die Tasten warf, gewann sein Spiel Jahr für Jahr an klaviertechnischer Meisterschaft und Intelligenz hinzu und ließ zu seinem Gastspiel in der Alten Oper das „Erste Klavierkonzert“ von Peter Tschaikowsky in völlig neuen Nuancen erklingen.

Nach den markanten einleitenden Hornrufen riss Daniil Trifonov in einem Hagel von Akkorden das Spiel an sich, ließ bereits währenddessen die folgende interpretatorische Sternstunde erahnen. Impressionabel näherte sich der Solist dem Allegro con spirito um sich allmählich den erregenden Anklängen des Hauptthemas zu offenbaren. In bezwingend hochkarätiger Brillanz durchleuchtete Trifonov die Solokadenzen, legte sein unglaublich versiertes Können in bewundernswerter Vielfalt dar. Für mich etwas irritierend unterzog Trifonov die Partitur einer akribischen pianistischen Analyse, in agogischer Feinarbeit die Tasten kaum berührend entfalteten sich glitzernde Filigran-Arabesken von unglaublicher Schönheit. Meiner anfänglichen Animosität zum Trotz erlag ich der Faszination der enorm nonchalanten Interpretation welche auch ganz besonders im Andantino semplice polytonale Demonstration erhielt.

Begleitend ließ Vladimir Jurowski das London Philharmonic Orchestra in akkurater Klangreinheit schwelgen, vermittelte trotz orchestraler Dominanz und rasantem Timing die Emotionen der “russischen Seele”. Dennoch wirkten auf mich so manche instrumental gemeißelten überproportionierten Soli, kantig-grelle Pentimenti zu vordergründig ungewohnt, welche ich jedoch bar zur atemberaubend musizierten Perfektion dieses ungewöhnlichen Klangkörpers gerne verzieh.

Variable Finessen attachierend steigerte sich der charismatische Tastenkünstler in das trefflich ausbalancierte finale Feuerwerk des Allegro con fuoco in flüssig, energischer, farbintensiver Gestaltung.

Die Bravostürme und den tosenden Applaus quittierte der bescheidene burschikose Künstler mit dem 2. Satz der „Klavier-Sonate Nr. 8“ (Prokofjew) hinreißend emotional variabel interpretiert.

Die festgefügten Kleinszenen auf rhythmisch-melodischer Grundlage beinhalten auch flutende Opernlyrismen, deren instrumentale Fassung oft wie Gesang ohne Worte anmuten, die Rede ist vom Ballett „Romeo und Julia“ (Sergej Prokofjew) dessen auserwählte Sätze Vladimir Jurowski zur siebzigminütigen Suite fügte. Ein surrealistischer Bilderbogen von funkelnder Massivität wechselt in eindringliches Verströmen und sanftes Glühen zur dramatischen Story um das Veroneser Liebespaar.

Phantastisch artikulierte der charismatische Dirigent mit dem kristallklar differenziert aufspielenden London P.O. die melodischen Linien, die Raffinessen der vertrackten Melodik zum expressiven Füllhorn deklarierter Klangschönheit. Vehement verstand es Jurowski in präziser Opulenz die instrumentalen Gruppierungen des englischen Klangkörpers in harmonischer Orchestersprache zu verflechten. Akribisch, feinnervig kontrastierend erklangen u.a. die Balkon-Szene – Julias Kammer – Julias Tod so herrlich fein touchant vermittelt um sodann konträr farbschillernd in orchestraler Ambivalenz Szenen wie Tanz der Ritter – Tybalts und Mercutios Kampf – Finale um nur wenige zu nennen, exemplarisch effektvoll zu servieren. Jurowski gelang es Prokofjews nicht leicht zu durchdringende Instrumentation geradezu röntgenologisch zu analysieren, steigerte orchestrale Extremwerte rasant schier an Schmerzgrenzen akustischer Wahrnehmungen. Einzigartig jedoch betörte der sparsame Zeichen setzende Dirigent ebenso mit dem umwerfend aufspielenden englischen Prädikats-Orchester mit transparent feingewebten, melodischen Klangpassagen von überirdischer Schönheit und mystischer Dimensionen. Eine auf ganzer Linie unbeschreiblich sensationelle Interpretation!

Mit langanhaltenden Ovationen bedachte das euphorisierte Publikum den Dirigenten und das grandiose Instrumentarium.

Gerhard Hoffmann

 

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