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FRANKFURT/ Alte Oper: CHRISTIANE KARG – exorbitanter Liederabend

05.10.2016 | Konzert/Liederabende
Frankfurt: „CHRISTIANE KARG“  Exorbitanter Liederabend 04.10.2016
 
Liederabende oder Auftritte von Christiane Karg wirken stets umflort der Aura des Aussergewöhnlichen und verheißen Genüsse besonderer Prädikation, das Versprechen wurde allerdings beim heutigen Liederabend in der Alten Oper in überreichem Maße eingelöst. Zur extravaganten Programmgestaltung gesellte sich zudem die Kontextur begleitender Instrumente.
Zur imaginären Hauptgestalt der ersten Pretiosen trifft Bilitis auf den Hirtengott Pan quasi die „Flöte“ und somit ist nicht von ungefähr, dass auch jenes Instrument zum „Musikfest Nachmittag eines Fauns“ mit eingebunden wurde.
 
Mit „Chansons de Bilitis“ (Claude Debussy) eröffnete Christiane Karg den Reigen ihrer impressionistischen Liederauswahl. Davor erklang das wunderbar intonierte Flöten-Preludé „Syrinx“ (Clara Andrada de la Calle) aus Debussys Feder. Die Chansons scheinen geradezu ideal auf die warm timbrierte Stimme der exzellenten Sängerin zugeschnitten, welche im Höhenbereich stets angenehm fokussiert klingt und zudem eine gewisse Süße aufweist.
 
Frau Karg weiß stets was sie singt, denn sie interpretiert mit ihrer ausgefeilten akzentfreien Deklamation förmlich aus dem Sprachklang heraus. Schlank klingt der Sopran, anmutig im Ton, voll Farbe und Sentiment erklangen die „3 Poémes de Stéphane Mallarmé“ (Maurice Ravel).
 
Zum kulinarischen Spezifikum der besonderen Art wurden „4 Poémes hindous“ (Maurice Delage) welche in exotische indische Gefilde entführten, man wähnte sich inmitten blühender Palastgärten. Innig im melodischen Fluss, atmosphärisch in der Aussage, den vokalen Couleurs bestens gerecht werdend verlieh Christiane Karg diesen selten gehörten Liedern den Flair des Außergewöhnlichen. Ungewöhnlich ja regelrecht apart dazu die instrumentalen Begleitungen Malcolm Martineau (Klavier) des ausgezeichneten Liedbegleiters, dem Hába Quartett und zusätzlich den Instrumenten Flöte, Klarinette, Oboe, Harfe der Künstler: Thaddeus Whatson, Ulrich Büsing, Sven van der Kuip, José Luis Garcia Vegara, Bettina Link.
 
Exquisit zur Liedauswahl auch das Intermezzo „Prélude á l´aprés-midi d´un faune“ (Debussy) zur Version für Flöte und Klavier. In kunstvoller Plangestaltung musizierten wiederum de la Calle (Flöte) mit der ausgezeichneten Pianistin Sophie Patey in phantasievoller Satztechnik, suggestiver Klangharmonik, solistisch nie vordergründig in rhetorischer Sensibilität den sinnlichen Charakter dieser elegischen Komposition noch akzentuierend.
 
Singulär ebenso der weitere Programmteil der ausdrucksstarken vielseitigen Christiane Karg mit „5 Liedern nach Gedichten von Richard Dehmel“ zur Vertonung durch Anton Webern. Die Künstlerin stets bedacht, ihre Stimme nicht von Gefühlen „ersticken“ zu lassen, widmete Ideale Landschaft und Nächtliche Scheu melodisch-lineare Poesie, farbige Nuancen selbst im zarten Piani Am Ufer, leicht und biegsam klingt das edle Timbre in den Höhenlagen sowie mitreißend im Mittelbereich, grandiose Ausdrucksstärke erhielten Himmelfahrt und Helle Nacht.
 
Das Finale des unvergleichlichen Recitals krönte die Künstlerin sehr nachhaltig mit den „Wesendonck-Liedern“ von Richard Wagner. Ohne jedoch meine bisherigen unzähligen Live- und Konserven-Adaptionen grandioser Interpreten zu schmälern, vermittelte mir die Version von Christiane Karg völlig neue positive Sichtweisen. Unterliegen Timbre und Couleurs von Sängern jeweils der persönlichen Geschmacksfrage des Betrachters, muss ich meine heutigen Erkenntnisse als unvergleichliches Ereignis einstufen.
 
In makelloser Stimmführung, melancholischer Ausdruckssphäre sang Karg in Verbindung zur Deklamation Der Engel. Impulsiv und dennoch gefühlsbetont, völlig im melodischen Fluss folgte Stehe still! Der schwülen Atmosphäre Im Treibhaus schenkte die Sängerin das sehnende Verlangen, den resignierenden Unterton. Welch ungebrochene Faszination widmete der silbern schimmernde Sopran in merklichen Abstufungen dem Lied Schmerzen in schier demütiger Vortragsweise. Berührend die lyrische Stimmführung des edel gefärbten Soprans zur elegischen Grundstimmung der Träume, Karg singt nicht nur – nein sie spricht musikalisch, sodass ihr differenzierter Vortrag wie gelebt erschien. Zur schlichtweg wunderbaren Interpretation hatte natürlich der subtil begleitende Malcolm Martineau gewichtigen Anteil.
 
Das Publikum im kleinen Mozartsaal feierte alle Beteiligten euphorisch und wurde mit dem wunderbar hinreißend interpretierten „Chansons madécasses Nr. 3“ (Ravel) belohnt, dessen Text Christiane Karg zuvor in deutscher Übersetzung rezitierte, wiederum instrumental apart von Klavier, Flöte, Cello untermalt.
 
Gerhard Hoffmann
 
 
 

 

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