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FRANKFURT/ Alte Oper: „CHRISTIAN TETZLAFF-DSO BERLIN-ROBIN TICCIATI“

15.02.2018 | Konzert/Liederabende

 

Unbenannt
Christian Tetzlaff, Robin Ticciati. Copyright: Wonge Bergmann

Frankfurt / AOF: „CHRISTIAN TETZLAFF-DSO BERLIN-ROBIN TICCIATI“ – 14.02.2018

Beim 4. Abo-Orchesterkonzert der Alten Oper war das Deutsche Symphonie Orchester Berlin geladen und präsentierte einen höchst interessanten Programmablauf. Zu Beginn erklang „Choral“ des zeitgenössischen Finnen Magnus Lindberg, einem Werk mit leicht erkennbaren Parallelen zu Bach und Sibelius. In knapp acht Minuten wurden vor allem die dunklen Blechbläser gefordert, der komplette Orchesterapparat demonstrierte kurz und bündig die instrumentalen Gliederungen der wenig melodiösen Rhetorik dieser Komposition.

Ganz anders wurden die Ohren der Zuhörer während des „Violinkonzerts“ des genialen finnischen Meisters Jean Sibelius verwöhnt. Christian Tetzlaff, inzwischen der mittleren Altersgeneration zugehörige Geiger war der Solist und bot eine ganz andere Version des Sibelius-Werkes quasi jenseits der sonstigen Interpretationen meiner Hörgewohnheiten.

In überschäumender Ekstase, energisch, vehement stürzte sich Tetzlaff ins Allegro moderato, blieb dem Satz die melodische Linie schuldig, meisterte in technischer Bravour die Kadenz (in der Pause hörte ich den Wortfetzen: der vergewaltigte die Violine), da riss auch mal eine Saite zur expressiven Bogenführung.

Individuelle Akzente schenkte der technisch bestens versierte Solist dem Adagio di molto und ließ in feiner glasklarer Intonation melodische Atmosphären erkennen. In umwerfender Virtuosität und diabolischer Rasanz warf sich der Solist in das finale Allegro dem „danse macabre“ (wie vom Komponist selbst bezeichnet) und riss das teils sehr jugendliche Publikum auch bereits nach dem ersten Satz zu Jubelstürmen hin. Robin Ticciati setzte mit dem ausgezeichnet disponierten Deutschen Symphonie Orchester Berlin die gewichtigen Parts unter Spannung und schuf dabei allerdings überproportionierte rhythmische Verdichtungen wobei sich allerdings auch kleine Tempi-Koordinationen zwischen Solist und orchestraler Begleitung ergaben.

Die große Begeisterung wurde von Christian Tetzlaff  mit der souverän und sehr gefühlvoll musizierten  Sarabande aus „Partita Nr. 2“ (Bach) belohnt.

Nach der Pause brachten die Berliner Gäste ein weiteres Schmankerl zu Gehör: die „Sechste“ von Anton Bruckner. Als der Komponist dieses Werk 1881 vollendete war er bereits 13 Jahre in Wien ansässig, jedoch wurden von den Wiener Philharmonikern im Februar 1883 nur die beiden Mittelsätze aufgeführt. Entgegen der vielen Korrekturen welche Bruckner seinen meisten Werken vornahm, blieb die 6. Symphonie davon verschont, es gibt von ihr nur die eine authentische Version welche sich genau am Manuskript des Komponisten orientiert. Im Gegensatz zu den sonstigen gewaltigen Symphonie-Dimensionen wurde sie von Bruckner in eigenwilliger Orchestrierung angelegt und von ihm gar selbst als „keckste“ bezeichnet.

Am Pult des DSO Berlin begann Robin Ticciati während des einleitenden Maestoso mit einer stillen Ostinato-Figur in hoher Violinlage unter welcher sich das Hauptthema langsam aber kräftig aus den Celli und Kontrabässen erhob. In typischen Bruckner-Kombinationen von rhythmischen Zweier- und Dreierwerten führte der Dirigent seinen Klangkörper prägnant in die Tuttiüberschwänge, leitete zum Satzfinale das niederstürzende Unisono-Motiv zu neuen Steigerungen um sodann in Exposition ruhig auszuklingen.

Das folgende Adagio steigerte Ticciati mit der klagenden Oboe, den tiefen und dunklen Streicherkantilenen zur weitschwingend empfindungsvollen hymnischen Trauerstimmung und hob unverkennbar die qualitative Spielkultur des Orchesters hervor. In reich variierter Weise wurden die Themensätze als Steigerungselement effektvoll wiederholt und beschlossen den klar formal konzentrierten Satz auf wunderbare Weise.

Entgegen der sonstigen Bruckner-Scherzo-Sätzen mit den größtenteils energischen Wiederholungen, klingt das der Sechsten anders als alles, was der Tonschöpfer davor komponierte. In einer phantastischen Stimmung zog eine Mischung diverser Elemente an uns vorüber in klarer Trennung von Streichern, Holzbläsern, Blech. Im langsamen Trio erklangen die Pizzicati sehr melodisch, beantwortet von Hornrufen und einer Phrase der Holzbläser. Auf wunderbare Weise waren die mild und leise – Takte aus dem „Tristan“ herrlich variiert zu erkennen und unterstrichen die Wagner-Verehrung Bruckners.

Tonale energische Kontraste, Fanfarenrufe der Hörner und Trompeten, weitschwingende Melodien verschleiert in Kombinationen prägen das Finale ganz individuell. Robin Ticciati erst seit dieser Spielzeit neuer Chefdirigent dieses Orchesters demonstrierte ein ausgewogenes Klangbild ohne Schärfen, türmte die gewaltigen Instrumentalwogen im An-Abklingen zum grandiosen Klangdom und lieferte auf bezwingende Weise ein hörenswert-positives architektonisches Resümee der Deutungsmöglichkeiten.

Bravos und die herzliche Zustimmung des Publikums wurden völlig unüblich nach einer gewaltigen Bruckner-Symphonie mit der sehr transparent musizierten „Legende Nr. 10“ (Dvorak) bedankt.

Gerhard Hoffmann

 

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