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FLORENT SCHMITT: Suiten aus „Antoine et Cléopâtre“, Symphonie Nr. 2 – BBC Symphony Orchestra unter SAKARI ORAMO

CHANDOS SACD

22.03.2018 | cd

FLORENT SCHMITT: Suiten aus „Antoine et Cléopâtre“, Symphonie Nr. 2 – BBC Symphony Orchestra unter SAKARI ORAMO, CHANDOS SACD

 

Dass die Briten bei aller strukturellen Sorgfalt so ganz und gar in spätromantischen Klangorgien schwelgen können und ein gutes Händchen für orchestrale showpieces haben, ist ja kein junges Phänomen. Wir sind daher beglückt über die auch klangtechnisch außerirdisch gut geratene CD des BBC Symphony Orchestra unter der fabulösen Leitung seines finnischen Chefdirigenten Sakari Oramo. Seit 2006 ist Oramo auch beim Royal Stockholm Philharmonic Orchestra Chefdirigent.

 

Gott sei Dank bewirkt der Brexit ja nicht, dass künftig kulturelle Zölle erhoben werden, bzw. der musikalisch noch intakten globalen Welt (Internet sei Dank) willkürlich imaginäre Grenzen gesetzt werden. Das Label Chandos setzt mit diesem Schmitt-Album das Engagement für den nach wie vor auf Tonträgern inzwischen gar nicht schlecht repräsentierten französischen Komponisten in Fortsetzung der Einspielung von „La Tragédie de Salomé“, „Le Palais Hanté“ und „Psaume 47“ erfolgreich fort. Schmitts dominierendes Faible für deutsche Vorbilder der deutschen Romantik und Spätromantik, die eigenständige Anwandlung impressionistischer Klangmalerei, die üppige Instrumentierung, aber auch der harmonische Reichtum, das Eruptive der Klangsprache führen zu hörenswerten Ergebnissen abseits billigen Epigonentums. Schmitt war damit grosso modo ein moderner und bis in die letzte Schaffenszeit hinein inspirierter Musiker außerhalb aller Schulen, wie dies nicht zuletzt anhand der hier eingespielten zweiten Symphonie nachvollziehbar ist.  Nicht ohne Grund schätzte auch Stravinsky sein Ouevre und nannte Schmitt in einem Atemzug mit Claude Debussy und Maurice Ravel.

 

Es gibt aber auch die dunkle Seite in Schmitts Biographie: In den 1990er-Jahren wurde seine Neigung für die Nazi-Ideologie bekannt. Jochen Hubmacher vom Deutschlandfunk  formulierte das Problem des Umgangs mit Schmitts Musik so: „Schmitts Musik ist qualitativ einfach zu gut, um ignoriert zu werden. Die kritischen Punkte in Biografie und Geisteshaltung Schmitts sollten aber stets klar benannt werden.“ Was im Booklet von Chandos leider nicht der Fall ist.

 

Die CD wartet mit einer klanglich opulenten und wirkungsvollen Wiedergabe der zwei Suiten in insgesamt sechs Sätzen aus „Antoine et Cléopâtre“ auf. Die Geschichte der Komposition ist romanesk. Die reiche und schöne Ida Rubinstein war mit Djagilews Ballett-Ensemble nach Paris gekommen, wo sie 1920 in der Oper die Rolle der Cleopatra übernahm. Die Musik Schmitts weckt Reminiszenzen an Ravels „Daphnis et Chloé“, kann aber zudem Einflüsse von Richard Strauss bzw. dem spätromantischen Schoenberg nicht leugnen. Sie changiert zwischen Meeresrauschen, Kampfgetümmel, exotischen Tanzrhythmen und sehnsuchtsvollen Liebesthemen. Auch ein Bacchanal durfte der damaligen Mode entsprechend nicht fehlen. 

 

Dahingegen stammt Schmitts letztes großes symphonisches Werk, seine Symphonie Nr. 2,  aus dem Jahr 1957. Schmitt war damals 87 Jahre alt. Paul Griffiths resümiert:“ Diese Sinfonie, die ebenso üppig ist wie seine frühe Musik, ebenso rhythmisch raffiniert, ebenso nachdrücklich schwungvoll in schnellen Passagen wie geschmeidig in langsamen, hat nichts von einem Abschied an sich.“ Die sogenannte zweite Symphonie wurde im Juni 1958 in Straßburg unter der musikalischen Leitung von Charles Munch uraufgeführt. Es weiß zwar niemand, warum sie als zweite Symphonie geführt wird, weil es keine erste gibt. Sei’s drum. Das BBC Orchester vollbringt Wunder an spätromantischer Entäußerung, sich ekstatisch gegeneinander aufbäumenden Orchesterwogen und instrumentaler Brillanz. Sakari Oramo lässt die Streicher seidig glänzen und bremst sein Orchester in keiner Sekunde aus. Hörenswert.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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