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FLENSBURG/ Stereo: DER SPELUNKENWIRT

Ein mitreißend getanzter Krimi

04.05.2024 | Ballett/Performance

FLENSBURG/ North German Performing Arts Youth Company: 
DER SPELUNKENWIRT
Ein getanzter Krimi nach einer Idee von Benjamin Kühn und Denison Pereira da Silva
3. Mai 2024

 

Schwülwarm ist es im Club Stereo am Flensburger Hafen. Nebenan hat erst am vergangenen Wochenende eine der letzten Spelunken der Stadt für immer geschlossen und soll nach einer aufwändigen Sanierung des historischen Gebäudes in ein Café umgewandelt werden. Doch die North German Performing Arts Youth Company lässt in ihrem neuesten Projekt authentisches südamerikanisches Spelunkenfeeling aufkommen. 

Aktuell zwölf Teilnehmende im Alter von zehn bis zwanzig Jahren aus fünf Nationen (Deutschland, Rumänien, England, Italien und Brasilien) werden in der NYC auf professionellem Niveau ausgebildet und erhalten so die Grundlage für eine berufliche Karriere in der Welt des Tanzes. Denison Pereira da Silva, Choreograph und künstlerischer Leiter, ist von der Motivation seiner jungen Kompagnie begeistert und findet es beeindruckend, mit welcher Hingabe und Freude die Jugendlichen trainieren und wie schnell sie sich weiterentwickeln. Sie alle haben einen ganz individuellen Background und harmonieren trotz der großen Altersunterschiede perfekt miteinander.

Ziel der als eingetragener Verein agierenden Organisation ist es, Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichsten sozialen und nationalen Hintergründen in ihrer persönlichen und künstlerischen Entwicklung zu fördern. Letztendlich geht es auch darum, den künstlerischen Nachwuchs in Schleswig-Holstein zu unterstützen. 

Die Veranstaltung ist bis auf den letzen Platz ausverkauft, denn die optisch schön gestalteten und mit ungewöhnlich wenig konkreten Informationen aufwartenden Plakate, die in der Stadt ausgehängt waren, machten neugierig. Mich ja auch. 

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Sänger Marius Rothe (links) mit dem begeisternden Ensemble (Foto: Grauton)

Immer öfter berichtet die Zeitung in einer Kleinstadt über mysteriöse Todesfälle (hinreißend: Louise Sitzwohl als kindlicher Zeitungsträger). Juwel Margot (Thea Nissen), eine attraktive argentinische Frau und ehemalige Tangotänzerin, zog vor Jahren in diese Stadt und eröffnete eine Bar mit dem Traum von finanzieller und persönlicher Unabhängigkeit. Doch nun ist ihr Geschäft zu einer Spelunke verkommen, zu deren Stammkundschaft auch der elegante, aber alkoholabhängige Typ (Allan Monti) gehört, der dort wiederholt seine streng religiöse Frau betrügt. Oder der Kellner Otto, höflich, zuvorkommend und seiner angebeteten Margot treu ergeben. Dass die Mordfälle auch immer wieder im Umfeld der Spelunke geschehen, ist wohl auch keine gute Werbung für das Lokal. Mit einer Cabaret-Show will Otto die Spelunke vor dem Bankrott retten: Sein Gesang, Margots Tanzdarbietungen und junge, hübsche Damen, die das Risiko dieses Arbeitsplatzes nicht scheuen, sollen Geld und neue Kundschaft bringen. Es wird eine turbulente Nacht, in der der Typ nicht nur der Bar-Chefin Margot Avancen macht, sondern auch der Tänzerin Ninette (Mette-Maria Jensen). Dies entfacht doppelte Konkurrenzgefühle: Zwischen den beiden Frauen, aber auch zwischen Margots Verehrer Otto und ihm selbst. Der Auftritt der eifersüchtigen Gattin des Typen, Hannelore (Majra Andresen, die auch mit einer Gesangsnummer aufwartet), sowie das Mädchen Löckchen (Alice Campelo), aufreizend, aber naiv, schaukeln das Geschehen zusätzlich hoch.

Nur gut, dass sich Kommissar Dudelsack (Alexandru Moldovan), auf der Suche nach dem psychopathischen Mörder, selbst unter die illustre Gesellschaft gemischt hat.

Doch auch er lässt sich von der charmanten Blumenverkäuferin Hanna (Ludovica Fano) von seiner Arbeit ablenken. Es wandern die Frauen, aber auch die Trinkgläser reihum und durcheinander. Als dann ausgerechnet die sogenannte „Diva der Nacht“ Juwel Margot selbst zum Opfer eines vergifteten Drinks wird, klicken endlich die Handschellen.

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Schlussapplaus (Foto: Marc Rohde)

Die Tänzerinnen und Tänzer begeistern in rasanten Ensembleszenen und glänzen immer wieder solistisch mit ihrer individuellen Klasse. Neben diesem bemerkenswert professionell auftretendem Ensemble begeistert insbesondere der Bariton Marius Rothe in seiner Rolle als Spelunkenwirt Otto mit seinen zahlreichen Gesangseinlagen. „Willkommen, Bienvenue, Welcome!“ aus dem Musical Cabaret zu Beginn der Tanzrevue weckt das Verlangen, auch dieses Bühnenwerk einmal mit so guten Sängern wie ihn erleben zu dürfen. Begleitet wird er am Klavier vom Korrepetitor des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters Peter Geilich.

Die Show entstand nach einer Idee von Benjamin Kühn und Denison Pereira da Silva und wurde von Julia Gollner und Daniela-Alexandra Pascu-Bruhn arrangiert. 

Das begeisterte Publikum feiert schließlich alle Akteure frenetisch und bezeugt, dass die North German Performing Arts Youth Company eine wertvolle Bereicherung des kulturellen Lebens für die Region darstellt. 

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Ungewöhnliche Location: Der Club Stereo in Flensburg (Foto: Marc Rohde)

Auch kann ich mir weitere kulturelle Veranstaltungen in dieser sonst zu später Stunde als Disco beliebten Location vorstellen. Ähnlich wie das hr-Sinfonieorchester in Frankfurt Kammerkonzerte in Bars und Clubs veranstaltet und auf diese Weise erfolgreich neue Publikumsschichten für seine Konzerte gewinnt, könnte ich mir auch in Flensburg und insbesondere in diesem Club in prominenter Hafenlage ähnliche Formate vorstellen. Die Organisatoren des Spelunkenwirts zeigen sich von der großartigen Unterstützung des Stereos in jedem Fall begeistert. 

Marc Rohde

 

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