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FLENSBURG/ Stadttheater: OLGA SCHEPS

Intensive Momente mit Beethoven und Chopin

12.02.2024 | Konzert/Liederabende

Bereits seit 1965 gastieren in Flensburg auf Einladung der Musikfreunde Flensburg e.V. regelmäßig namhafte Künstlerinnen und Künstler. So passiert es, dass die gefeierte Pianistin Olga Scheps ihr Recital mit Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven und Frédéric Chopin nicht nur im Prinzregententheater in München und in der Kölner Philharmonie zu Gehör bringt, sondern auch im beschaulichen Stadttheater Flensburg. Obwohl das Haus nur etwa 500 Plätze fasst, der Steinway Flügel offenbar aus dem 230 Kilometer entfernten Schwerin ausgeliehen wurde, und die Anreise der Künstlerin in Deutschlands Norden auch etwas beschwerlicher ist, gestalten sich die Eintrittspreise in Flensburg deutlich günstiger als in den größeren Städten. Großer Dank an den Veranstalter.

© Marc Rohde
Ruhe vor dem Sturm: Pianistin Olga Scheps begeistert in Flensburg – © Marc Rohde

Im Zentrum der Romantik fühle sich Scheps immer besonders wohl, heißt es. Dementsprechend sorgt die Programmauswahl hoffentlich nicht nur für eine Wohlfühlatmosphäre beim Publikum, sondern auch bei der Künstlerin selbst, die in Flensburg allerdings auch mit allerlei Unruhe (Husten, Niesen, Bonbonpapierknistern, zuschlagende Türen) im Auditorium konfrontiert wird. Dies ließ ihre Konzentration zum Glück nicht erkennbar leiden. 

Das Programm beginnt mit Ludwig van Beethovens Klaviersonate Nr. 8 c-Moll op. 13 „Pathétique“. Olga Scheps begeistert durch dramatische Intensität und Ausdruckskraft. Die düstere Atmosphäre, die durch den Einsatz von starken Dynamiken, kontrastierenden Abschnitten und leidenschaftlichen Ausdrucksmitteln erzielt wird, kommt exzellent zur Geltung. Leider ist während dieser Interpretation ein permanentes, von mir nicht eindeutig identifizierbares Störgeräusch (Lüftung?) im Saal präsent. In der folgenden, ebenfalls von Beethoven stammenden Klaviersonate Nr. 31 As-Dur, op. 110 besticht die Pianistin durch emotionale Tiefe und das intensive Ausloten tiefer spiritueller Dimensionen. Ob die Welt außerhalb dieses Theatersaales noch existiert, spielt in diesem Moment keine Rolle, so intensiv gelingen die Momente, die die Zuhörer mit der Kölner Musikerin erleben dürfen.

Auch die Werke von Chopin sind für die Künstlerin attraktiv, da sie ihr Klavier bei diesen ebenfalls wie eine menschliche Stimme erklingen lassen könne. Die vier Balladen bilden keinen zusammenhängenden Zyklus und doch gehören sie irgendwie zusammen, zumal sie zu den bedeutendsten Kompositionen Chopins zählen. Ich möchte das Programm, das ich sehr genossen habe, nicht sezieren und nenne daher kurz die Abfolge: Ballade Nr. 1, g-Moll, op. 23, Ballade Nr. 2, F-Dur, op. 38, Ballade Nr. 3, As-Dur, op. 47, Ballade Nr. 4, f-Moll, op. 52. Hierbei zeigt Olga Scheps immer wieder, dass sie nicht nur technisch in höchsten Maße versiert ist, sondern am Klavier wahrlich eine große Bandbreite an Emotionen durchlebt und jederzeit dazu fähig ist, musikalisch eine bewegende Geschichte zu erzählen. Von sanften und träumerischen Momenten erleben wir dabei eine dramatische Entwicklung bis hin zu triumphierenden Momenten, die dann alsbald in melancholische Reflexion übergehen.

Als Zugabe erklatscht sich das Flensburger Publikum das Precipato aus Sergej Prokowjews Sonate für Klavier Nr. 7 B-Dur op. 83. Die schnellen und rythmisch herausfordernden Passagen verlangen der Pianistin höchste technische Virtuosität ab. Die Musik treibt voran, oft mit einer pulsierenden Motorik, die den Eindruck von Geschwindigkeit und Dringlichkeit vermittelt.

Die harmonische Sprache ist charakteristisch für Prokofjews Stil, wobei dissonante Klänge und unerwartete Modulationen eine wichtige Rolle spielen und durch Olgas Hände zur akustischen Ekstase führen.

Marc Rohde

 

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