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FLENSBURG/ Schleswig-Holsteinisches Landestheater: SINGIN‘ IN THE RAIN

Ein Stückchen Hollywood an der schönen Förde

08.10.2018 | Operette/Musical

Das Schleswig-Holsteinische Landestheater wartete zur Spielezeiteröffnung mit allem auf was das Ensemble zu bieten hat: Mitglieder des Opernensembles, das Schleswig-Holsteinische Sinfonieorchester, das Ballettensemble, der Opernchor und die Statisterie des Hauses, sowie zwei Musicalsänger als Gäste.

Basierend auf dem klassischen Metro-Goldwyn-Meyer-Film aus dem Jahr 1952 entstand 1983 die Bühnenfassung von Nacio Herb Brown und Arthur Freed. Am Landestheater wird eine deutsche Übersetzung der Dialoge in Verbindung mit englischsprachigen Gesangsnummern präsentiert, so dass das vornehmlich deutsche Publikum der Handlung leicht folgen kann. Trotzdem klingen die Songs nicht so holprig, wie es manche Übersetzung mit sich bringt.

Uli Scherbel, Amelie Müller und Ensemble (c) Henrik Matzen

Die Story ist aktueller denn je. Don Lockwood und Lina Lamont sind die unangefochtenen Stars des Stummfilms. Während der Dreharbeiten von DER STREITBARE KAVALIER präsentiert die Konkurrenz den allerersten Tonfilm. Auf einmal steht „Monumental Pictures“ unter Zugzwang und versucht ebenfalls ins brandneue Tonfilmgeschäft einzusteigen. Frühere Werte gelten von heute auf morgen nichts mehr. Schnell offenbart sich, dass Linas Stimme und auch ihre Aussprache (auf der Flensburger Bühne herrlich von der Sopranistin Amelie Müller mit schnodderiger Berliner Schnauze dargestellt) für die neue Ära ungeeignet sind. Um den bereits zu großen Teilen zum Tonfilm umgearbeiteten Streifen zu retten, entscheidet der Studioboss, dass die von der Wienerin Jasmin Bilek verkörperte Theaterschauspielerin Kathy Selden in der neuen Musical-Version des STREITBAREN KAVALIERS Lina ihre Stimme leihen soll. Mit sicher geführtem und schönem Sopran sowie ausgeprägter Spielfreude gibt die Musical-Sängerin ein überzeugendes Rollenporträt ab und rangiert in der Publikumsgunst gleich hinter Uli Scherbel als Don Lockwood. Scherbel ist der unumstrittene Star des Abends. Er geht mit stimmlicher und darstellerischer Präsenz in der Rolle auf und punktet durch gekonnte Step-Einlagen. Kurz vor der Pause hat er mit dem Titelsong „Singin‘ in the rain“ den größten Hit des Abends zu singen. Da die Nummer zu den drei besten US-amerikanischen Filmhits überhaupt zählt, ist es umso bemerkenswerter wie Scherbel den Song mit einer natürlichen Leichtigkeit präsentiert, denn solch ein Hit kann ja auch schnell zur Bürde werden. Der spielfreudige Christopher Hutchinson als Cosmo Brown, Ansgar Hüning als Studioboss R.F. Simpson und Anna Schumacher (Mary Margaret), Marian Müller (Roscoe Dexter), Eva Eiter (Agatha), sowie Fabian Christen mit vielversprechendem Tenor trugen allesamt ohne Einschränkung zum äußerst positiven Gesamteindruck des Abends bei.

Christopher Hutchinson, Uli Scherbel, Ensemble – (c) Henrik Matzen

Das Schleswig-Holsteinische Sinfonieorchesterunter der Leitung von Ingo Martin Stadtmüller sorgte für peppigen Musical-Sound, der überhaupt nicht in die Jahre gekommen wirkte.

Der Etat der Produktion war im Vergleich zu den Shows der großen kommerziellen Häusern äußerst gering: für jedes der insgesamt 362 Kostüme stand (ohne Schuhe) jeweils nur ein Betrag in Höhe von 16,- Euro zur Verfügung. Unglaublich, was Ausstatter Erwin Bodein Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen der Gewandmeisterei damit auf die Bühne gezaubert hat. Auch die Maske unter der Leitung von Noreen Beckersei nicht zuletzt wegen der herrlichen Perücke der Lina (in die ein Segelschiff eingearbeitet ist) lobend erwähnt.

Drei vom Theater selbst produzierte Filmsequenzen (Thorsten Alich) im Stile der 20er Jahre und die Tanzeinlagen (Choreografie: Marie-Christel Zeisset) rundeten den schwungvollen Abend ab.

Die Inszenierung von Markus Hertelist auf große Show ausgelegt und orientiert sich stark an den Bildern, die man von der Filmvorlage im Hinterkopf hat. Auch ohne zwanghafte Aktualisierungsversuche lassen sich sehr leicht Parallelen zur heutigen Zeit erkennen. Wie die Stummfilmstars in den 30’er Jahren sind verdiente und erfahrene Mitarbeiter heute von einem auf den anderen Tag nichts mehr wert. Künstliche Intelligenz ersetzt Menschen oder Arbeitsplätze werden ins günstigere Ausland verlegt.

Marc Rohde

 

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