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FLENSBURG/ Landestheater: KALTER WEISSER MANN

scharfzüngig und komisch

07.02.2025 | Theater

FLENSBURG/ Schleswig-Holsteinisches Landestheater:
KALTER WEISSER MANN
5.2.2025 


von links: Tomás Ignacio Heise, Annika Utzelmann, Felix Ströbel, Reiner Schleberger (Foto: Thore Nilsson)

Die Handlung spielt während der Trauerfeier für Gernot Steinfels, den 94-jährigen Gründer einer Unterwäschefirma. Der designierte Nachfolger, Horst Bohne, hat eine Trauerschleife mit der Aufschrift „In tiefer Trauer – Die Mitarbeiter“ vorbereitet. Dies führt zu einer hitzigen Debatte unter den Anwesenden, da die weiblichen Mitarbeiterinnen nicht explizit erwähnt werden. Die Diskussion eskaliert schnell und berührt Themen wie LGBTQIA, Rassismus, kulturelle Aneignung, Sexismus, Body-Shaming, Me-Too, Machtmissbrauch der „alten weißen Männer“. Die verschiedenen Generationen innerhalb des Unternehmens prallen aufeinander, und die Auseinandersetzung gerät zunehmend außer Kontrolle. Das Social Media Team hat durch einen Post der politisch inkorrekten Wortwahl auf der Trauerschleife einen Shitstorm im Internet verursacht und im Verlauf der Trauerfeier, bei der das Publikum die Trauergemeinde darstellt, wird klar, dass auch aus den eigenen Reihen kritische Inhalte in den sozialen Netzwerken geteilt werden. Natürlich unter Pseudonym.

Während der gesamten Vorstellung wird das Ensemble, nicht zuletzt wegen der spritzigen und oft ins Satirische reichenden Dialoge, mit viel Zwischenbeifall bedacht und es wird den ganzen Abend über häufig gelacht. Am Ende bleibt bei all der Heiterkeit aber auch Nachdenklichkeit: müssen wir einander wirklich immer und überall belauern und nach (vermeintlichen) Fehlern beim Gegenüber suchen? Das Stück endet mit der Erkenntnis, dass Zuhören und gegenseitiger Respekt in solchen Debatten unerlässlich sind und letztendlich hat jeder der sechs Protagonisten auf irgendeine Art und Weise im Laufe des Abends politisch und / oder moralisch nicht ganz korrekte Dinge gesagt oder getan. Mit etwas mehr Gelassenheit bei allen Beteiligten würden solche Situationen in den meisten Fällen auch überhaupt nicht zum Eklat führen. Fast beiläufig fällt die zentrale Frage, aus dem Munde von Sekretärin Rieke Schneider: „Wieso sind hier eigentlich alle so sicher, dass sie recht haben?“

Regisseur Jörg Gade hat das Werk am Landestheater schlüssig und für die kleine Studiobühne bestens passend inszeniert. Das Tempo der Dialoge und die oft unerwarteten Wendungen, die sich manchmal in Windeseile aus dem Text heraus ergeben, arbeitet er im Bühnenbild und den Kostümen von Martin Apelt wunderbar heraus. Die Urne des Verstorbenen steht dabei (fast immer) im Mittelpunkt.

Felix Ströbel als Geschäftsführer Horst Bohne, Illi Oehlmann als Sekretärin Rieke Schneider, Annika Utzelmann als Head of New Development Alina Bergreiter, Tomás Ingancio Heise als Social Media Experte Kevin Packert, Julia Bella Berchtold als Praktikantin Kim Olkowski und Reiner Schleberger als Pfarrer Herbert Koch zaubern die jeweiligen Charaktere leicht überspitzt, aber doch dennoch realistisch und überzeugend auf die Bühne.

Marc Rohde

 

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