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Film: WILLIAM TELL

Der Apfelschuss als Thriller

19.06.2025 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart:  19. Juni 2025
WILLIAM TELL
USA  / 2024
Drehbuch und Regie: Nick Hamm
Mit: Claes Bang, Ben Kingsley,Connor Swindells u.a.

Der Apfelschuss als Thriller

Wir kennen Wilhelm Tell als Schweizer Nationalhelden via Friedrich Schiller (und als Lieferant einprägsamer Zitate, etwa: „Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“ –unleugbar wahr). Allerdings – auf dem Theater ist man dem „Tell“ schon lange nicht begegnet, und das hat in Österreich sicher nichts damit zu tun, dass die Österreicher „die Bösen“ der Geschichte sind (es ist ja leider eine nationale Eigenschaft, sich lustvoll unter der eigenen Unzulänglichkeit zu winden).

Dennoch – im Kino hätte man Tell nicht erwartet, schon gar nicht als „William“, weil es nämlich ein amerikanischer Film ist, der zum Ärger der Schweizer nicht an Ort und Stelle, sondern in Italien (Südtirol und Roms Cinecittà) gedreht wurde. Das nennt man eben Globalisierung… Und der Weg von der deutschen Klassik zur US-Kinodramaturgie (durch einen irischen Regisseur…)  ergibt letztendlich einen spannenden Polit-Thriller, der allerdings auch alle Kitsch- und Woke-Elemente aufweist, die eben en vogue sind.

Ein Volk will frei sein. Der mächtige Unterdrücker kommt von außen, erpresst Steuern, erlegt unmenschliche Gesetze auf, regiert mit absoluter Willkür, die Menschen sind Freiwild, die Frauen auch sexuelle Opfer. Wie es Besatzer eben so tun – einst und heute.

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Hier trifft der Habsburger König Albrecht allerdings 1307 auf ein entschlossenes, hartes Bergvolk mit Guerilla-Qualitäten. Als ihre Führungspersönlichkeit kristallisiert sich der ehemalige Kreuzritter Wilhelm (Willian?) Tell heraus, gespielt vom dem knorrigen Dänen mit dem harten Gesicht Claes Bang, der dennoch sympathisch wirkt. (Welch eine Verwandlung vom gequälten Intellektuellen in dem dänischen Meisterfilm „The Square“ zum klassischen rauen Kinohelden.)

Natürlich braucht sich ein Filmdrehbuch nicht an Schiller zu orientieren, so kann man Tell hier eine farbige Gattin geben, die er aus dem Orient mitgebracht hat (die Iranerin Golshifteh Farahani), auch der Sohn (Tobias Jowett), der den Apfelschuss mehr ängstlich als tapfer über sich ergehen lässt, sieht nicht wirklich Schweizerisch aus, aber was macht das schon. Heutzutage.

Als Gegenspieler von Tell kristallisiert sich zuerst der Habsburger-König Albrecht heraus, als welcher Ben Kingsley, um ihn noch unsympathischer zu machen, eine Art verstümmeltes Auge hat (was interessanterweise sogar historisch richtig ist…!). Seine Ermordung hat übrigens, das sei nur erwähnt, anders stattgefunden als hier im Film gezeigt.

Den Vogel an Fiesheit schießt der Brite Connor Swindells als Gessler ab – seine lustvollen Demütigungsrituale, die er den Schweizern auferlegt, dieser privat bösartige Machtmißbrauch, erzeugen Gänsehaut. Wenn Tell sich – das weiß man von Schiller – weigert, vor dem Hut des Königs das Knie zu beugen, muss er seine Armbrust hervorholen und den Apfel vom Kopf des Sohns schießen. Mit dieser Szene ist Regisseur (und Drehbuchautor) Nick Hamm ein Exempel wirklich beispielhafter Intensität gelungen.

Die Frauen spielen hier nur eine marginale Rolle, wobei  Tells Gattin längere Zeit leidet, um sich dann dem Widerstand anzuschließen.  Erfunden ist die Figur einer hübschen Prinzessin (Ellie Bamber als Bertha), die Nichte des Königs, die ein bißchen feministische Borstigkeit in die Geschichte würzt (sie will sich partout nicht als Heiratsvieh behandeln lassen), aber dennoch keine besondere Rolle spielt.

Am Ende sind sie dann, wie’s bei Schiller steht, ein „einig Volk von Brüdern“, das sich seine Unabhängigkeit seit Jahrhunderten bewahrt hat (und jetzt, wie man hört, Gefahr läuft, sich an die EU zu verkaufen…). Dass dieser harte Widerstandsfilm allerdings mehr von „Braveheart“ an sich hat (der Vergleich wurde immer wieder gebraucht, weil er sich einfach aufdrängt) als von politischer Analyse, das wird diesem Tell beim Publikum vermutlich nicht schaden.

Renate Wagner

 

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