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Film: WIE KOMMEN WIR DA WIEDER RAUS?

29.11.2023 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 30. November 2023
WIE KOMMEN WIR DA WIEDER RAUS?
Österreich  /  2023 
Drehbuch und Regie: Eva Spreitzhofer
Mit: Caroline Peters, Simon Schwarz, Hilde Dalik, Chantal Zitzenbacher, Michael Ostrowski u.a.

Vor fünf Jahren hat man sie mit großem Vergnügen kennen gelernt, die Chirurgin Wanda, denn erstens wird sie von Caroline Peters, einer der faszinierendsten Schauspielerinnen derzeit (sie sollte mehr Theater machen!) gespielt, und zweitens hatte Eva Spreitzhofer als Autorin und Regisseurin von „Womit haben wir das verdient?“ eine hoch vergnügliche Zeitgeist-Satire geschaffen. Hoffnungsvoll hat man die Protagonisten also nun (aus fast zu langer Distanz) wieder willkommen geheißen, um zu sehen, wie es ihnen geht – nun, sie sind noch verrückter als einst.

Wanda, die ,mit Tony (Marcel Mohab) zusammen ist, schläft mittlerweile wieder mit ihrem Exgatten Harald (Simon Schwarz) und wundert sich sehr, dass der gegenwärtige Gefährte das ohnedies weiß und gänzlich gelassen darauf reagiert. Familie und Freunde kommen zu einem ganz zeitgemäßen Weihnachtsfest mit einer veganen Gans zusammen, die sich schließlich als eine Art Kürbis entpuppt. (Festessen mit veganen Ritualen sind nicht ganz einfach, jedes Salatblättchen wird umkreist, alles muss bio. nachhaltig, glutenfrei und wer weiß was noch sein… und Spanferkel, pfui!)

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Und auch sonst ist Eva Spreitzhofer wieder eine Menge dazu eingefallen, was unsere Zeit an verkopftem Irrsinn zu bieten hat. Da wird der Zeitgeist auf die Schaufel genommen, dass es nur so kracht – ein Vergnügen für (bewusst so bezeichnete) normale Menschen.

Dabei ist der Islam als Thema nicht mehr ganz so dominierend wie im ersten Film, wo Tochter Nina (Chantal Zitzenbacher) damals noch zum inneren Händeringen aller konvertiert ist. Mittlerweise ist es ganz normal, wenn sie  mit dem grünen Kopftuch erscheint – oder auch nicht, denn sie hat aber neue Regeln für sich gefunden. Sie trägt es die halbe Woche als Loyalität mit den Muslimas, die es freiwillig fragen, und legt es die halbe Woche ab aus Loyalität mit den Frauen des Iran, die es nicht tragen wollen, es aber müssen. Wem diese Gedankengänge seltsam vorkommen, es sind nicht die einzigen…

Und Nina hat derzeit ja ein viel moderneres Problem: In der allgemeinen Diskussion über Gender / Trans / Bi etc. hat sie nämlich erkannt, dass sie eigentlich ein Mann ist und eine Operation zur Geschlechtsumwandlung anstrebt… Darin allerdings übertrumpft sie ihre Schwester, die mit einem Bräutigam erscheint, der eigentlich noch eine Frau ist (man hat ihr / ihm den nötigen Penis noch nicht anoperiert), aber das macht alles nichts, wenn man sich liebt… Zur Mann / Frau-Debatte gesellt sich noch, ob der Weihnachtsmann nicht auch eine Weihnachtsfrau sein kann. Und klären wir doch bitte, wie jeder angesprochen werden will, denn man kann sich schließlich heute so und morgen so und übermorgen soso fühlen…

Andere Probleme wälzt Wandas Freund mit dem schrägen Peter (Michael Ostrowski – er darf den elementaren Satz des Films sagen: „Ihr habt doch alle einen Huscher!“), denn immer auf der Suche nach neuen lukrativen Geschäftsideen geht es nun darum, ängstlichen Frauen den Samen von nicht-corona-geimpften Männern zu verkaufen. (Dass man nicht kontrollieren kann, ob die Samenspender wirklich nicht geimpft sind, darüber wird locker hinweg gesehen…)

Wandas Ex Harald, der mit seiner Frau Sissy (Hilde Dalik) am Weihnachtstisch dieser kreuz und quer-verbundenen Patchwork-Leutchen dabei ist, muss akzeptieren, dass die Gattin jedermann mit ihren Gutmenschen-Sprüchen und Reiki-Künsten belästigt.

Ja, und eine von Peter mitgebrachte Ostblock-Gefährtin mit Spanferkel-Angebot (Marina Lacković) erklärt kühl und illusionslos (und scheint der einzig wirklich vernünftige Mensch zu sein), dass man in ihrer Situation nur drei Möglichkeiten hat: Pflege, Prostitution oder Ehe. Dass ihr letzteres am mühelosesten erscheint, kann man nachvollziehen. Was für den auserwählten Mann dann auch wieder bedrängend sein kann.

Mitten drin steht Wanda, und Caroline Peters ist das Zentrum der Turbulenzen. Wenn sie auch als im Innersten wohl noch vernünftig denkende Frau auf den Tisch hauen und alle anbrüllen müsste, ob sie den Verstand verloren haben, geht sie verständnisvoll auf jede noch so irre, wirre Wendung des Zeitgeist-Theaters ein, das der Film ausbreitet.

Das Ende ist so typisch für unsere Zeit, wie es nur sein kann: Obgleich man sich dauernd angefahren,  gestritten und beschimpft hat, legt Nina am Heimweg Wert darauf, ihren Followern im Internet rasch noch zu versichern, wie schön und harmonisch Weihnachten gewesen sei, und wie viele gute Gespräche es gegeben habe – meine täglichen Internet-Lügen gib mir heute

Es darf gelacht werden, wenn auch mit einer Spur Bitterkeit, denn leider ist das nicht ausschließlich Kabarett, sondern es steckt ein gutes Stück unserer heutigen, offenbar schon hoffnungslos im Blödsinn versunkenen Realität drinnen.

Renate Wagner  

 

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