Filmstart: 12. Dezember 2024
WICKED
USA / 2024
Regie: Jon M. Chu
Mit; Cynthia Erivo, Ariana Grande, Jeff Goldblum, Michelle Yeoh u,a.
Ein Zuckerl-Film
„Wicked“ ist der ganz große Hit in den USA und kommt nun als Vorweihnachts- und Weihnachtsfilm zu uns. Zwei Hexenmädchen stehen im Mittelpunkt (na ja, eigentlich sind es junge Frauen), die eine die Blondine in Zuckerlrosa aus dem Bilderbuch, die andere mit einem grünen Gesicht. Die Außenseiter-Story kann man sich schon von der Konstellation her vorstellen, und genau das wird es auch.
All das spielt in der Zauberwelt von „Oz“ und soll gewissermaßen die Vorgeschichte der dort waltenden „Wicked Witch of the West“ erzählen – Dorothy, wie sie einst in Gestalt der kindlichen Judy Garland in der klassischen „Oz“-Verfilmung über die Leinwand tanzte, wird man hier allerdings nicht finden. Die damals neuen, grellen Bilder des kürzlich erfundenen Farbfilms sind hier einer Pastell-Orgie aus Pink und Grün gewichen, und da
die digitalen Künste mittlerweile auf ihrem Höhepunkt sind, rast die Show in nicht weniger als zweidreiviertel Spielstunden nur so über die Leinwand. Ach ja, und eine Fortsetzung brauchen die Macher der Geschichte auch noch, um sie auszuerzählen. Diese ist für nächste Weihnachten angekündigt.
Was hier verfilmt wurde, „Wicked“, ist ein Musical, das seit 2003 am Broadway läuft, auch für dortige Verhältnisse eine verdammt lange Laufzeit. Viele Songs sind Hits und werden von den Fans geträllert, obwohl man die Musik von Komponist Stephen Schwartz nicht unbedingt als höchstrangig einstufen würde. Getanzt wird bis zum Geht-nicht-mehr, und bei so viel optisch-akustischer Überwältigung ist es fast egal, worum es geht.
Oder doch nicht ganz. Denn wenn man sich fragt, woher der Erfolg kommt, liegt er zwar bei Optik und Akustik, aber durchaus auch daran, dass die Geschichte so unglaublich altmodischer daher kommt. Gestriger konnte auch ein Disney-Film aus den fünfziger und sechziger Jahren nicht sein – auch nicht in der belehrenden Haltung.
Aber da sieht man, dass alte Themen mit neuen Namen immer noch ziehen – ein grüngesichtiges Mädchen wie die junge Hexe Elphaba macht die Gesellschaft divers, ist aber gleichzeitig klassischer Zielpunkt für Hohn, Häme, Rassismus, Ausgrenzung. An ihrer anfänglichen Rivalin und späteren Freundin Galinda, die klassisch schöne „weiße“ Blondine, kann man zeigen, wie man seine Einstellung Andersartigen gegenüber wandelt und nicht auf die Hautfarbe blickt, sondern innere Werte erkennt.
Dass die Geschichte im ersten Teil die längste Zeit auf einer „Zauber-Universität“ spielt, hebt vor allem ein jugendliches Publikum in die Harry-Potter-Welt, die wohl (mag sie auch schon im Kino seit einem Dutzend Jahren vorbei sein) im Bewusstsein noch immer präsent ist. Und wenn man auch hier beim richtigen „Zauberer von Oz“ landet, zeigt sich, dass die Mächtigen durchaus böse sein können… Und wenn eine Außenseiterin wie Elphaba dann auch noch laut auf Mißstände hinweist, dann dient sie gerne dazu, als Feind auserkoren zu werden… Denn der Zauberer von Oz weiß, was schon Hitler „erfolgreich“ mit den Juden machte: „Willst Du eine Gesellschaft einigen, gib ihr einen Feind.“
Am Ende des ersten Teils zischt Elphaba, die nunmehr verfolgte „böse Hexe des Westens“ davon – im zweiten Teil wird dann nach vielen Schwierigkeiten wohl alles harmonisch zurecht gerückt…
Der Film von Regisseur Jon M. Chu lebt von seinen Hauptdarstellerinnen, die in der Entertainment-Branche berühmt und vielfach preisgekrönt, vor allem aber in ihren Rollen ausgezeichnet sind, nicht nur souveräne Sängerinnen und Tänzerinnen, sondern auch Schauspielerinnen, die genau und (wichtig für einen Film) kenntlich ausloten, wer sie sind, wie sie sich entwickeln und warum sie etwas tun. Cynthia Erivo sieht als Elphaba mit ihrem grünen Gesicht eigentlich drollig aus, lässt aber spüren, wie sehr ihre Widerständigkeit eine Gefahr für eine Gesellschaft darstellt, die im Lauf des Films zunehmen terroristischer wird (und dann eine Ziege als Uni-Professor nicht mehr duldet, zumal, wenn diese Toleranz predigt). Ariana Grande als Glinda, die so schrecklich hübsch ist, macht dennoch Erkenntnisprozesse klar.
Die beiden tragen den Film mühelos, der nur noch zwei prägnante Rollen aufweist – Jeff Goldblum als Zauberer von Oz, schillernd vordergründig, und in einer Rolle, in der man sich üblicherweise Helen Mirren vorstellen könnte, Michelle Yeoh (mit blonder Perücke) als Zauberprofessorin Madame Akaber, die das besondere Zaubertalent von Elphaba entdeckt…
Aber keine Angst, dass die politische Korrektheit den Film etwa allzu sehr beschwert: Vor allem ist es ein Zuckerlfilm, ein ach so buntes Musical mit Gesang und Tanz. Das, was man früher gemeiniglich unter einem „Weihnachtsfilm“ verstanden hat.
Renate Wagner