Filmstart: 17. Dezember 2021
WEST SIDE STORY
USA / 2021
Regie: Steven Spielberg
Mit: Ansel Elgort, Rachel Zegler, Rita Moreno u.a.
Es gibt Dinge, die so unzweifelhaft gelungen sind, dass man sie nach menschlichem Ermessen nicht besser machen kann. Folglich fragt man sich angesichts von so manchem Remake: Warum? Wenn allerdings Steven Spielberg meint, sechzig Jahre seien genügend Abstand, da könne man sich wieder filmisch mit der „West Side Story“ auseinandersetzen, kann man ihm schwer widersprechen.
Allerdings – er wollte sie offenbar nicht neu und anders machen. Sondern noch einmal im gleichen Geist wie damals, als Robert Wise und Jerome Robbins 1961 das Musical von Leonard Bernstein auf die Leinwand brachten. Es war damals das Glanzstück amerikanischen Musik- und Tanztheaters aus den späten fünfziger Jahren, 1957 am Broadway uraufgeführt.
Entscheidend dabei war bei der Verfilmung von 1961 neben Regisseur Robert Wise (ein Alles-Könner und Alles-Macher) der Choreograph Jerome Robbins, der das Werk gemeinsam mit Bernstein (als amerikanische Fassung von „Romeo und Julia“) entwickelt hatte. Und es waren wohl die mitreißenden Tanzszenen, die neben den sentimentalen Passagen den Erfolg und Ruhm des Werks weltweit entschieden.
Steven Spielberg beginnt seine Fassung mit einem Rundflug über New York, hoch genug, dass man nicht sofort entscheiden kann, ob es die Stadt einst oder heute ist. Kaum ist man am „Boden“ und sieht die typisch amerikanischen Riesenschlitten (sprich Autos), so weiß man: Spielberg hat das Werk in seiner Entstehungswelt belassen, das sind die fünfziger Jahre (und man hätte wirklich nicht gerne gesehen, dass sich Tony und Maria auf Smartphones Messages schicken…). Spielberg hat sich für das Libretto mit Tony Kushner einen großen Namen des derzeitigen amerikanischen Theaters gesichert, aber was hier neu sein sollte, erkennt man eigentlich nicht.
Spielberg ist überhaupt vor Respekt und Werktreue in die Knie gegangen, lobenswert, bewundernswert, aber das macht das Remake ja letztlich noch fragwürdiger. Denn es wird getanzt wie einst bei Robbins – aber die ungeheure Spannung, die der Originalfilm in diesen Szenen hatte, die erreicht man doch nicht…
Immerhin, „West Side Story“ ist eine Geschichte, über die man damals nicht viel reflektiert hat. In Verona waren es zwei verfeindete Familien, die die Liebe von Romeo und Julia töteten, bei Bernstein zwei Straßengangs, hier Puertoricaner (die „Sharks“), hier „einheimische“ Weiße (die „Jets“). Sie bestimmen das Leben im Viertel, und dass man es hier mit Menschen zu tun hat, die halb farbig ist und halb weiß, das entspricht ebenso unseren heutigen Vorstelllungen wie die sich daran knüpfenden Überlegungen zum Rassismus. Nur dass es ein Rassismus in beide Richtungen ist, die Lateinamerikaner verachten die Weißen ebenso wie diese sie verachten, und beide geben die ererbte Abneigung von Generation zu Generation ungefragt weiter. Damit solche Basis-Voraussetzungen auch immer schön klar werden, gibt es erklärende Dialoge zur Situation…
Zudem hat man es mit einer Gesellschaft zu tun, wo die Männer glauben, über die Frauen bestimmen zu können (und dass es auch starke Frauen da gibt, ändert daran grundsätzlich nichts). Und männliches Imponiergehabe gehört in dieser Welt dazu (die Softies leben anderswo). Kurz – vom Inhalt her kommt es uns als Gleichnis weniger shakespeare-haft als zeitgeistig vor, und „I like to be in America“ ist, wie man an den Grenzen der USA täglich sieht, immer noch der Traum vieler Südamerikaner…
Aber Spielberg will der Geschichte keine Gewalt antun, will sie nicht überzeichnen, will sie nur so schön wie möglich auf die Leinwand bringen. Maria (Rachel Zegler) könnte nicht lieblicher, Tony (Ansel Elgort) könnte nicht attraktiver sein. Statt den Kitsch zu bremsen, wird er schwelgerisch ausgeführt. Trotz der Tragik, trotz der Gegensätze gibt es wenige Ecken und Kanten, ist vieles bunt und geschleckt, letztlich harmlos und oft „lustig“, auch wenn in Details eine etwas „schäbigere“ Umwelt gezeigt wird (und auch schon einmal die Geschlechterfrage angeschnitten – männlich, weiblich, wer weiß?).
Berührend, wie Rita Moreno, einst die kraftstrotzende Antia der 1961er-Filmfassung, hier als alte Valentina Lebensweisheiten von sich gibt, die man ihr sogar glaubt. Sie schlägt eine Brücke von einst zu heute. Im übrigen wird man die „West Side Story“ von Spielberg als selbstverständlich brillant gemachten (wer würde ihm sein Können absprechen) und wohl bewusst sentimentalen Unterhaltungsfilm mit viel schöner Musik nehmen können. Ein Ereignis wie einstmals – das ist der neue Film nicht.
Renate Wagner