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Film: WAVES

13.07.2020 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 16. Juli 2020
WAVES
USA / 2019
Drehbuch und Regie: Trey Edward Shults
Mit: Kelvin Harrison Jr., Taylor Russell, Sterling K. Brown, Renée Elise Goldsberry, Lucas Hedges u.a.

Tyler Williams ist ein durchaus fröhlicher Teenager, Hautfarbe schwarz, Haarfarbe strahlend blond. Er trainiert mit eiserner Entschlossenheit an einer Karriere als Wrestler. Zuhause hat er einen stolzen Vater (Sterling K. Brown), der meint, dass Schwarze das Doppelte leisten müssen wie Weiße, um etwas zu erreichen, und der dies auch tut. Tyler hat auch in Emily eine sanfte, ungemein liebenswerte Schwester, und obwohl er seine Stiefmutter Catherine (Renée Elise Goldsberry) nicht mag, lernt man sie als Kinozuschauer doch nur als liebevoll und bemüht kennen.

Alles könnte bestens laufen, aber die „Waves“, die wellenartige Bewegung des Lebens, bewahren niemanden vor der Eventualität, in den Abgrund geschleudert zu werden. Regisseur Trey Edward Shults lässt das Tyler in der ersten Hälfte des Films so grausam erleben wie nur denkbar. Eine Verletzung an der Schulter beendet die Karriere. Damit muss man einmal fertig werden, und die Verzweiflung entlädt sich in Fehden mit der Familie. Und als ihm Freundin Alexis (Alexa Demie) gerade in dieser Phase seines Lebens mitteilt, dass sie schwanger ist und das Kind nicht abtreiben will… da schlägt Tyler, betrunken und besinnungslos zu.

Nun, der Regisseur hätte seinen Helden auch zur Hinrichtung schicken können. Alexis ist zwar tot, aber das Gericht anerkennt auf „nur“ Totschlag – das bedeutet lebenslänglich. Nach 30 Jahren darf er vielleicht wegen einer Begnadigung nachfragen. Im Klartext: Alles zu Ende.

Damit verlässt der Regisseur seinen Helden, den er uns in einem dramatischen, vordergründigen Erzählstil hingeknallt hat, man begegnet ihm nur noch bei unerfreulichen und kurzen Besuchen seiner Familie im Gefängnis. Diese Familie knirscht auch in ihren Beziehungen – Vater und Mutter beschuldigen einander gegenseitig, und Schwester Emily kann nicht umhin, den einst geliebten Bruder nun zu hassen, weil er auch ihr Leben ruiniert hat…

Aber nun vollziehen Regie und Film eine seltsame Kehrtwendung. Konnte es vorher nicht hart genug zugehen, wird es nun butterweich, geradezu klebrig kitschig. Emily lernt einen (weißen) jungen Mann kennen (Lucas Hedges, das einzige nachhaltig bekannte Gesicht des Films, war er doch schon der drogensüchtige Sohn von Julia Roberts) – und nun gibt es Liebe und Verzeihung (sie bringt diesen Luke dazu, mit ihr seinen sterbenden Vater zu besuchen, den dieser eigentlich hasst)… und die Musik braust auf, die Kamera zeichnet idyllische Natur, und gegen Ende hält man es nur noch schwer aus, wie es von der Leinwand trieft.

Dennoch erhielt der Film viel Lob. Nun sind die wunderbar verhaltene Taylor Russell als Emily und der intensive Kelvin Harrison Jr als Tyler Hauptdarsteller, die den Film tragen. Und man bemerkt dankbar, dass der Regisseur, ein weißer Texaner, nun nicht aus schlechtem Gewissen einen Film gemacht hat, der wieder einmal die Rassenfrage ausreizt und hier, die „Opferkarte“ spielend, Schuld für das Geschehen sucht. Im Gegenteil – an sich sind die Williams eine normale Familie, die viel Unglück hat, und die als Weiße vermutlich dieselben Schicksale erleiden könnten.

Man versteht letztlich auch, warum die Prädikatisierungs-Kommission (auch wenn es am Ende so knüppeldick kommt und der Kitsch überbordet) ihr „Besonders wertvoll“ vergeben hat. Zweifellos gilt es der Botschaft, dass es letztendlich nur die Liebe der Menschen für einander ist, die das Leben nicht nur erträglich, sondern auch lebenswert macht.

Renate Wagner

 

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