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Film: VERGIFTETE WAHRHEIT

04.10.2020 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 9. Oktober 2020
VERGIFTETE WAHRHEIT
Dark Waters / USA / 2019
Regie: Todd Haynes
Mit: Mark Ruffalo, Anne Hathaway, Tim Robbins u.a.

Das Thema ist schon im wahren Leben ungemütlich genug, um wie viel mehr im Kino: lebensgefährliche Umweltverschmutzung – und die machtlosen Betroffenen. Es ist mutig, einen Film darüber zu drehen. Und hoffentlich gibt es genügend tapfere, selbstlose Anwälte, die gegen große Firmen los ziehen, die sich in ihren gewissenlosen Handlungen nun wirklich nicht stören lassen wollen…

Wieder einmal basiert der Film auf einer wahren Geschichte, die einst eine Recherche des New York Times Magazine öffentlich gemacht hat und die sogar in der Realität noch weiter geht. Im Film wird erst einmal um mehr als zwei Jahrzehnte zurück geblendet. Im Mittelpunkt steht der Anwalt Robert Bilott: Man glaubt Mark Ruffalo, dem glanzlosen, bulligen Durchschnittsmann, dass er sich auf die Sache des Rechts schlägt. Es ist auch Ruffalos Film persönlich, denn man hat gelesen, dass er es war, der das Thema zu dem Regisseur brachte.

An sich ist Robert Bilott bei der Kanzlei Taft Stettinius & Hollister in Cincinnati, Ohio angestellt, die ihrerseits den riesigen, reichen und mächtigen Chemiekonzern DuPont vertritt (hinter dem Millionenwerte und viele Politiker stehen). Dieser entsorgt seinen lebensgefährlichen Schmutz bei der Teflon-Erzeugung gewissenlos in den Boden von West Virginia.

Es sind die Farmer von Parkersburg, die klagen, dass ihre Kühe verenden und dass der Giftmüll, der auch ins Wasser gerät, daran schuld sei. Kann es eine klassischere David gegen Goliath-Situation geben? Und wie viele Anwälte würden sich auf so einen Fall zu Gunsten der Schwachen einlassen – wohl ahnend, welche persönliche Konsequenzen das für sie haben kann?

Robert Bilott tut es, zwar nicht auf Anhieb, aber bei näherem Hinsehen, schließlich ist das kleine, 130 Meilen von Cincinnati entfernte Parkersburg seine Heimatstadt und er kennt im Grunde die Leute, die hier betroffen sind. Wobei er zuerst gleich seine Chefs (machtvoll verkörpert etwa von Tim Robbins) überzeugen muss, die bei der Idee, sich gegen einen millionenschweren Kunden zu wenden, begreiflicherweise nicht begeistert sind. Will er wirklich seine Karriere für ein paar Kühe zum Teufel werfen? fragt man ihn.

Auch wenn es hier um „Kampf“ geht (immer eine klassische Kino-Situation) – das Thema ist nicht wirklich attraktiv, obwohl Regisseur Todd Haynes alles tut, um es dazu zu machen. Da ist auf der einen Seite nicht nur Robert Bilott, sondern auch seine Frau. Interessant, dass Stars, die dank ihres Aussehens und dank ihrer Ausstrahlung in Glitzerrollen brillieren könnten, gerne einfache Frauen spielen – Keira Knightley etwa oder hier Anne Hathaway. Eine Ehefrau und Mutter (die Handlung geht über viele Jahre, in der Zeit bekommt sie zwei Kinder, hat ein drittes und ein schweres Leben), die unter dem enormen Druck, den ihr Mann sich aussetzt, mitleidet. Aber sie ist (kinogerecht) tapfer genug, um zu erkennen, dass dieser Kampf für ihren Mann zu seinem Leben geworden ist.

Auf der anderen Seite die armen Farmer, die schmutzige Erde, die sterbenden Tiere. Irgendwann werden daran auch die Menschen sterben. Und da ist der Papierkrieg, der sich rund um solche Prozesse in tausenden und abertausenden Seiten ermüdend entfaltet. Schließlich ist man mit 3545 Klagen vor Gericht… Eine Heldengeschichte wird daraus nicht. Gewonnen ist auch nichts, wenn der Film zu Ende ist, aber das Versprechen gilt – wir kämpfen weiter. Das ist immerhin eine Botschaft.

Die Zeiten haben sich mittlerweile geändert seit dem Ende des vorigen Jahrtausends, als dieser Streit begann, Umweltschutz und Klimawandel sind in aller Munde – aber ist eigentlich schon Entscheidendes geschehen? Solche ehrenwerte Filme erheben mahnend den Zeigefinger, setzen ein Zeichen. Aber was passiert in der Realität? Lösen Gerichtsprozesse moralische Fragen zwischen dem, was fraglos richtig wäre, und den Brutalo-Kapitalismus, der genau weiß, was er tut, und nicht damit aufhört, weil er damit durchkommt? Es bleibt die Bewunderung für Menschen, die wissen, dass ihr Kampf letztlich chancenlos ist, und die ihn trotzdem auf sich nehmen.

Renate Wagner

 

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