Filmstart: 17. Juli 2024
TWISTER
ISA / 2024
Regie: Lee Isaac Chung
Mit: Daisy Edgar-Jones, Glen Powell, Anthony Ramos u.a.
Von Stürmen verweht
Es gibt Genres, die sind dermaßen Bestandteil in der Welt des Films, dass sie immer wieder kehren, auch wenn sie längere Zeit keine Konjunktur hatten. Die Katastrophenfilme gehören dazu, und in unserer Welt, die sich noch an den Tsunami erinnert und wo heute als Folge der Klimakrise mit Tornados, Überschwemmungen, Hitzekatastrophen immer wieder kehren, könnte man das Thema fast ernst nehmen.
Aber „Twisters“ von Regisseur Lee Isaac Chung bedient eigentlich nur den Unterhaltungs- und Effektstandpunkt des Themas. (Dass es 1969 schon einen Vorgängerfilm gab, muss man nicht einmal wissen.) Das erstaunt, denn der amerikanische Regisseur, Sohn koreanischer Einwanderer, hat vor vier Jahren mit „Minari“ einen Film vorgelegt, der in seinem Anspruch (die Geschichte koreanischer Einwanderer, die versuchen, sich im ländlichen Amerika zu integrieren) sechs „Oscar“-Nominierungen und viel berechtigte Bewunderung erhielt. Rein technisch war der Vorgängerfilm allerdings einfacher als dieser, der die Macht der Natur auf der Leinwand perfekt entfesselt.
Erzählt wird die Geschichte dreier junger Leute – die Meteorologin Kate, die den Stürmen schon zu nahe gekommen ist, um sie noch einmal erleben zu wollen. Aber ihr Freund Javi holt sie trickreich „an die Front“ zurück. Und weil es ohne Romanze nicht abgeht, muss es da noch den „interessanten“ Mann geben, der ein nicht unbedingt positiver Charakter ist, denn für Tyler ist jede Sensation (also auch ein Wirbelsturm) nur dazu da, um in den Sozialen Medien das immer neue Bedürfnis der Menschen nach Extremen und Sensationen zu befriedigen.
So fahren also diese Drei (und noch Dutzende andere) entweder zu Forschungs- oder Abenteuerzwecken direkt in die Katastrophe der Stürme hinein, auch wenn sie wissen, dass mit der Natur nicht zu spaßen ist. Und diese ist denn auch der „Held“ des Films – alles andere wird von den Stürmen verweht.
Sicherlich, die Britin Daisy Edgar-Jones ist eine sehr sympathische junge, coole, moderne Blondine, und dass Anthony Ramos als ihr liebenswürdiger Buddy Javi keine Chance hat, Love Interest zu sein, wenn Glen Powell auftaucht, meist mit schiefem Lächeln und oft mit einem weißen Stetson am Kopf, ist klar. Obwohl Powell nicht einmal annähernd eine Leistung liefert, wie er sie kürzlich in Linklaters „Hit Man“ gezeigt hat. Aber die Romanze muss sein und gerinnt am Ende zu Kitsch. Aber was soll’s?
Auch wenn ein bißchen die soziale Geige gespielt wird (Mitleid mit den Menschen, deren Leben von den Stürmen buchstäblich in Trümmer gelegt wurde – und denen man jetzt noch die letzten Besitztümer für einen Bettel abzukaufen versucht), das ist ja alles nur Dekoration für die wirklich beeindruckenden Szenen. wo die Zerstörungswut der Stürme und die Gewalt der Natur so eindrucksvoll gefilmt sind, dass man sich von einer dieser Szenen in die andere rettet und einfach bewundert, was da optisch erreicht wurde.
Man kann bei dieser Art von Filmen immer wieder über das Phänomen reflektieren, warum Menschen Katastrophen gerne aus zweiter Hand erlebten, quasi als Ersatzhandlung für das (glücklicherweise) undramatische Alltagsleben. Sich bequem im Kinosessel fürchten bei dem „Als ob“-Gefühl der Katastrophe, die Gott sei Dank mich nicht wirklich betrifft, und dann gemütlich essen und etwas trinken gehen. Auch dazu ist Kino da.
Renate Wagner