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Film: TRIANGLE OF SADNESS

11.10.2022 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart:  14. Oktober 2022
TRIANGLE OF SADNESS
Schweden / 2022 
Regie: Ruben Östlund
Mit:  Harris Dickinson, Charlbi Dean, Dolly De Leon, Zlatko Burić, Iris Berben, Sunnyi Melles,Woody Harrelson u.a.

Man hat von dem schwedischen Regisseur Ruben Östlund vor fünf Jahren einen mehr als bemerkenswerten, mit der „Goldenen Palme“ ausgezeichneten Film gesehen, „The Square“, eine brillante Abrechnung mit dem „weißen Mann“, der in der neuen Gesellschaft mehr und mehr demontiert wird. Obwohl eingebettet in eine Satire auf die Kunstwelt, war es eine „gerade“, klare, meisterliche Erzählung. So etwas macht neugierig auf mehr von einem solchen Regisseur, und wenn er mit seinem nächsten Film „Triangle of Sadness“ heuer in Cannes erneut die Goldene Palme gewonnen hat, dann erst recht.

Allerdings gab es hier und da in den Kritiken auch Zweifel, und denen muss man sich anschließen. Vor allem hat Östlund diesmal einen dramaturgisch gänzlich zerfaserten, zerflatternden  Film gedreht, der mehrfach die Richtung wechselt – allerdings gibt er die Dreiteilung der Geschichte selbst vor. Zu Beginn ist man in der Welt der Modelbranche, man blickt in Castings, nimmt die Erniedrigungen wahr, denen junge Frauen und Männer hier unter den gnadenlosen Blicken der Fleischbeschauer ausgesetzt sind. Dazu gibt es eine eher ekelhafte Schicki-Micki-Modeschau – und das wäre natürlich ein Ansatz, wie der Film weitergehen könnte.

Doch dann wendet sich die Geschichte dem Model Carl (Harris Dickinson) und der Influencerin Yaya (Charlbi Dean Kriek) zu, die sich ein seltsames Hickhack liefern, u.a. darüber, wer im Restaurant die Rechnung bezahlt. Eine Zukunft würde man diesen beiden total verkorksten Typen mit ihren Egoproblemen jedenfalls nicht zumuten.

Und plötzlich ist man in Teil 2 gelandet, auf einem Luxuskreuzfahrtschiff, das Personal wird eingewiesen, wie es sich vor den Gästen erniedrigen soll, und unser Pärchen ist an Bord, Influencer müssen die Sozialen Medien füttern, dazu sind sie da.

Nun fährt Ruben Östlund die Sozialsatire voll hoch. Die Leute an Bord sind überdeutlich als die „hässlichen Reichen“ gezeichnet  – der russische Oligarch, der mit dem Verkauf von Düngemitteln ein Vermögen macht (Zlatko Burić), mit Frau (Sunnyi Melles) und Geliebter  (Carolina Gynning) im Schlepptau; der einsame  IT-Milliardär (Henrik Dorsi); das englische Paar (Oliver Ford Davies und Amanda Walker); das ganz unschuldsvoll von seinem Waffenhandel spricht, aber die deutsche Industriellengattin im Rollstuhl (Iris Berben) ist stumm und kann nicht antworten, Die gelangweilte Ehefrau (Melles) will das Personal zu Rollenspielen zwingen, auf die sich diese eigentlich nicht einlassen dürfen… und dazu gibt es noch einen dauerbesoffenen marxistischen Kapitän (Woody Harrelson), den die geplagte Chefstewardess (Vicki Berlin) wenigstens zu seinen allernötigsten „Auftritten“ schleppen will, wo er dann seine ideologischen, antikapitalistischen Diskussionen führen kann. Sie alle benehmen sich wie die Idioten, eher Produkte von Drehbuch-Überlegungen als erkennbar aus dem wirklichen Leben. Der Begriff „Narrenschiff“ ist bei solchem Personal naheliegend.

Hat man sich in diesem Alptraum einer Kreuzfahrt endlich orientiert, folgt das Ende – unruhige See, gewaltige Orgien des Erbrechens (genussvoll unappetitlich ausgestellt, so dass der Verdacht aufkommt, nun folge ein Horrorfilm), Sunnyi Melles umarmt das Klo. Und schließlich Überfall,  Schiffbruch, so dass sich – und das ist die nächste, die dritte Geschichte – ein Teil der Leute auf einem einsamen Strand wieder findet.

Was hier passiert, ist dann so naheliegend, dass es die Enttäuschung voll macht – die Satire schmeckt sauer und bitter. Man ist der nicht sonderlich reizvollen Philippina-Putzfrau (Dolly De Leon) schon auf dem Schiff begegnet, ohne ihr besondere Beachtung zu schenken. Dass sie hier auf der Insel die einzige sein wird, die mit der Situation umgehen kann, ist gewissermaßen logisch – und wie sich die Machtverhältnisse umdrehen, auch. Und dass der Underdog die Überlegenheit genießt, desgleichen.

Die Hilflosen auf der Insel bieten ein vordergründiges Gleichnis, wobei man merkt, wie sehr der Regisseur den „Reichen und Schönen“, die so schön nicht sind und hier auch nicht mehr reich, ihre Demütigung gönnt. Mit dieser Erkenntnis wird man nach Hause geschickt. Und wenn man des Regisseurs Freude an der Erniedrigung, die er vielfach variiert, nicht teilt, wird man des Films nicht froh geworden sein. Auch wenn ihm viele Kritiker bestätigen, wie lustig er eigentlich sei. Wirklich?

Renate Wagner

 

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