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Film: THE ZONE OF INTEREST

28.02.2024 | FILM/TV, KRITIKEN

film zone of interest x

Filmstart: 29. Februar 2024
THE ZONE OF INTEREST
USA, GB, Polen  /  2023
Drehbuch und Regie: Jonathan Glazer
Mit: Christian Friedel. Sandra Hüller u.a.

Ein opulent großes Landhaus mit Garten und Swimmingpool, geschützt von einer weinlaubbewachsenen Mauer, Blumen blühen, eigenes Gemüse wird gepflanzt („Dafür habe ich Gärtner“), Kindergeschrei und Geschirrklappern… Es gab diese Idylle, sie stand direkt neben dem Konzentrationslager Auschwitz, und die Gattin des Lagerkommandanten hatte sich hier in Polen, als brave „Deutsche im Osten“ für den Führer tätig, ihr Paradies eingerichtet. Und weil es eine wahre Geschichte ist, ist sie umso grauenvoller und auch gruseliger, als man sie je erdenken könnte…

Wie kann man erzählen, was man vernünftigerweise nicht für möglich halten würde? Regisseur Jonathan Glazer nimmt den Weg dokumentarischer Nüchternheit. Er muss nicht marktschreierisch anklagen, was hier geschehen ist – es ganz einfach zu zeigen, erreicht das Ziel. Das geht über die Familie Höss hinaus, wenngleich das, was Hedwig Höss in Auschwitz tat, nahezu beispiellos erscheint. Neben einem Lager zu leben, in dem Menschen vergast und ihre Leichen verbrannt wurden, und vorzugeben, davon nichts zu wissen, weil man es nicht wissen wollte – das ist zweifellos der Gipfel an Schuld.

Aber so, wie man zwar den Blick auf das Lager mit Weinlaub fernhalten konnte, die Schüsse, die Schreie waren nicht auszulöschen. Und metaphorisch muss auch ein großer Teil der Deutschen, je weiter der Krieg voran schritt, diese Schüsse und Schreie gehört haben… außer man wollte es nicht. Außer man fühlte sich wohl in der Bewunderung für den Führer und dem Bewusstsein, ihm, wie Hedwig Höss, fünf Kinder geschenkt zu haben. Und ihr Mann hatte schließlich eine wichtige Aufgabe hier am Ostrand des Reiches, nicht wahr?

Es ist ein Film der Details – die Banalitäten eines zufriedenen weiblichen Alltags. Der Versuch des Gatten, tatsächlich alles von der Familie fern zu halten und Blut, Mord und Tod abzuschütteln, bevor er in sein Familienidyll eintrat. Dabei haben sie doch eben erst die Effizienz der Verbrennungsöfen diskutiert. Aber man liest den Kindern Märchen vor und diskutiert einen möglichen Italien-Urlaub. Ganz „normal“. Das Lager ist der „Beruf“ – gut, dass Hitler endlich die 700.000 ungarischen Juden gewissermaßen zum Abschuß frei gegeben hat, das sichert Nachschub. Ja, und SS-Leute, die Flieder abschneiden, müssen Strafen gewärtig sein, schließlich dient der Flieder zur Ausschmückung des Lagers…

Sandra Hüller spielt Hedwig Höss mit der Selbstzufriedenheit einer Frau, die feststellt, dass ihr Mann sie die „Königin von Auschwitz“ nennt. Christian Friedel als Höss mag manchmal Unruhe, Unsicherheit andeuten, aber da geht es wohl in erster Linie um seine Karriere. Was kann man tun, wenn „Berlin“ ihm vielleicht die Kommandantur wegnimmt? Für Hedwig Höss ist klar: Dann muss der Gatte zumindest sicher stellen, dass sie mit den Kindern in ihrem „Paradies“ bleiben kann…

Der Film wendet sich nach und nach den aktiven Tätern zu – in den Verhandlungsräumen in Berlin agieren die Herren der einzelnen Konzentrationslager wie die Manager in einem Riesenkonzern, wobei der Regisseur durchaus den Druck ahnen lässt, unter dem sie stehen, sie müssen „liefern“, sie spüren Konkurrenz, dürfen nicht die kleinste Schwäche zeigen. Nicht, dass man Mitleid mit ihnen hätte – auch wenn gerade Rudolf Höss keinesfalls als sadistisches Monster gezeigt wird. Er und seinesgleichen waren die Chefs des Grauens, so wie die Israeli später Adolf Eichmann als Buchhalter des Grauens vor Gericht gestellt haben und Hannah Arendt schon damals die „Banalität des Bösen“ registrierte, die hier voll zum Ausdruck kommt.

Der Film bietet nicht das „Danach“, muss nicht erzählen, dass Hedwig Höss angeblich nichts wusste. Muss nicht zeigen, dass Rudolf Höss in Auschwitz selbst, im Garten der Gattin, hingerichtet wurde. Was hier an „Botschaft“ zu transportieren ist, der Film tut es mit selten gesehener Meisterschaft. Da wären viele „Oscars“ fällig.

Frau Höss hat nichts gewusst, weil sie nichts wissen wollte. Herr Höss hat „Arbeit“ erledigt, ohne Entsetzen darüber, was er tat  –  und dies mit deutscher Gründlichkeit. Basta. Sie stehen für viele Deutsche damals, in der Zeit des Nationalsozialismus. Das Böse ist unter uns. Damals – und heute.

Renate Wagner

 

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