Filmstart: 18. September 2020
THE OUTPOST – ÜBERLEBEN IST ALLES
The Outpost / USA / 2020
Regie: Rod Lurie
Mit: Orlando Bloom, Scott Eastwood, Milo Gibson u.a.
Kriegsfilme sind ein Genre, das aus dem amerikanischen Kino nicht wegzudenken ist. Wenngleich die Heldenepen, in denen John Wayne oder Sylvester Stallone den Eindruck erweckten, den Vietnam-Krieg gewonnen zu haben, längst aussortiert wurden, scheint es Themen zu geben, die den Amerikanern unter den Fingernägeln brennen. An Kriegsschauplätzen fehlt es nicht, besonders lange haben sie sich zuletzt in Afghanistan umgetan. Und da begab sich am 3. Oktober 2009 etwas, was als „die Schlacht von Kamdesh“ in die Annalen der amerikanischen Kriegsgeschichte eingegangen ist.
Basierend auf dem Originalbericht „The Outpost: An Untold Story of American Valor“ von Jake Tapper hat Regisseur Rod Lurie diese Geschichte nacherzählt, er selbst ist ein Absolvent der legendären Militärakademie von West Point, weiß also, wovon er redet bzw. was er zeigt.. Der Zuschauer kommt zu Beginn mit vier Soldaten – Clint Romesha (Scott Eastwood), Justin Gallegos (Jacob Scipio), Michael Scusa (Scott Alda Coffey) und Josh Kirk (Jack Kesy) – in dem von Captain Keating (Orlando Bloom) geführten Militärcamp „Combat Outpost Keating“ im Hindukusch an. Das Lager könnte nicht schlechter liegen – am Ende sagt einer der Verantwortlichen das Richtige, nämlich dass es von Anfang an „a shithole“ war, in Nuristan, dem Nordosten des Landes, nahe der pakistanischen Grenze, eingekreist von drei Bergmassiven, mitten im Taliban-Gebiet.
Ob der Auftrag der im Endeffekt 54 hier stationierten Soldaten wirklich nur in der „Operation Enduring Freedom“ bestand, der heimischen Bevölkerung das Glück amerikanischer Entwicklungshilfe zu geben – man sieht genügend Szenen zwischen den Amerikanern und den einheimischen Männern, die auch dann höchst misstrauisch sind, wenn man ihnen Dollarbündel hinhält, mit denen sie eine Schule bauen sollen (andererseits wollen sie noch mehr Geld lukrieren, indem sie den Soldaten ein totes Mädchen hinlegen, behaupten, die Amerikaner wären an deren Tod schuld und finanzielle Ablöse verlangen…)
Kurz, dass da keinerlei Harmonie herrscht, ist klar. Der Dolmetsch erklärt auch, die Einheimischen warnten vor den Taliban, aber das wollen die Amerikaner nicht hören: Das seien einfach „Cry Wolf“-Behauptungen, wehren sie ab. Nun, meint der Dolmetsch, die Engländer waren hier, wollten nicht auf die Einheimischen hören, und sie konnten sich nicht halten. Desgleichen die Russen. Achselzuckend entfernt er sich. Und der Kinobesucher, sollte er am Ende nicht wissen, was dann geschah, weiß es nun auf Grund dieser Warnung: Die Taliban müssen kommen – sonst gäbe es ja auch keinen Film…
Zuerst erlebt man „Lagerleben“ (und es gibt so viele Protagonisten, dass niemand wirklich in den Mittelpunkt rückt) – dass jedes zweite Wort „Fuck“ ist, verwundert bei Soldaten nicht. Nebenbei reden sie sich ihre Situation schön, singen am Abend (irgendeiner hat immer eine Gitarre), telefonieren mit Frauen und Kindern (da wird es ein bisschen sentimental, wenn man dem Junior daheim erklärt, dass Papa die freie Welt beschützen muss), wehren immer wieder kleinere Angriffe ab und sind erleichtert, als sie hören, dass das Lager aufgelassen werden soll.
Die Taliban haben das unschwer auch erfahren, und dann sind sie auf einmal da – mit einer Übermacht von 400 Mann stürzen sie die Berge hinab auf die eingekesselten Soldaten. Und von da an gibt es die Schlacht, die in der Realität etwa zwölf Stunden gedauert hat, etwa die zweite Hälfte des Films lang – in diesem Genre hat es das US-Kino zu einiger Meisterschaft gebracht, man steckt drinnen in der Katastrophe, dass man sich nur ducken möchte, man sieht Männer fallen, man erlebt, wie andere die Nerven verlieren und von ihren Vorgesetzten wieder aufgerichtet werden… es ist laut und grausam, bis endlich die Unterstützung aus der Luft kommt. Sieben Tote und 27 Verwundete sind das Ergebnis, und Helden hat man keine gesehen.
Dann erlebt man eine Schar völlig kaputter Männer am Flug nach Hause und würde das für ein gutes Ende halten, aber es wird noch eine Szene draufgedrückt, wo einer der Soldaten bei der Psychiaterin von der schweren Last berichtet, die Kameraden nicht gerettet zu haben. Dann folgt – zu dem passenden Song „Who will be the last to die“ – das übliche Ende von Filmen, die auf wahren Begebenheiten beruhen: Fotos der „originalen“ Beteiligten stehen neben denen ihrer Darsteller.
Man atmet durch, dass man diese Ereignisse in Afghanistan, die auf der Leinwand so intensiv herab kamen, durchgestanden hat – und man kann mit Sicherheit annehmen, dass ein Film wie dieser in niemandem den Wunsch erwecken wird, Soldat zu sein…
Renate Wagner