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Film: THE OLD OAK

21.11.2023 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 24. November 2023 
THE OLD OAK
GB  /  2023 
Regie: Ken Loach
Mit: Dave Turner, Ebla Mari u.a.

„The OId Oak“ ist, das kann gar nicht anders sein, der Name eines englischen Pubs. Und vom Pub-Sterben, das den Briten sehr nahe geht, hat man schon gehört. Dennoch ist dies nicht das zentrale Thema des (vielleicht letzten) Films von Regisseur Ken Loach, der die sozialkritische Fahne in allen seinen Werken ganz hoch gehalten hat – also auch in diesem. Aber hier zielt die Problematik über das Pub hinaus.

Zwar geht es dem „Old Oak“ und seinem Besitzer  TJ Ballantyne (wunderbar: Dave Turner) schlecht, weil es dem ganzen Grubendorf in Durham im nordöstlichen England schlecht geht. Keine Arbeit, kein Geld, Abwanderung, aber auch undurchsichtige Spekulationen mit billig gewordenen Grundstücken. Nur wenige der Leute halten an ihrem Heimatort fest – man kennt das, es passiert nicht nur dort und ist immer traurig genug.

Aber darum und dass Besitzer  TJ Ballantyne sich weigert, das früher so frequentierte Hinterzimmer aufzusperren, weil er sich schon die Versicherung für den Rest des Ladens nicht leisten kann, geht es nicht (obwohl das schon eine Geschichte für sich wäre). Es geht darum, dass man 2016 schreibt und die Behörden (Brexit war ja erst 2020) beschlossen haben, die ihnen zugeteilten syrische Flüchtlinge in leer stehenden Häusern des Dorfs einzuquartieren.

Die heimische Bevölkerung reagiert, wie man es erwarten kann und wie sie es überall tut, mit Distanz und  schlecht verhohlener Feindseligkeit gegenüber den Fremden. Nur  TJ ist anders. Als er sieht, wie eine junge Frau bei einem Tumult um ihre Kamera kommt, die ihr wichtig ist, verschafft er ihr Ersatz. Sie ist (in Gestalt der attraktiven, tatsächlich syrisch-stämmigen Ebla Mari) Yara, eine bildhübsche Syrierin mit perfekten Englischkenntnissen (sie ist sogar imstande, den unsäglichen Nordenglischen Dialekt zu verstehen, vor dem man leicht kapituliert), und sie ist mit ihrer freundlichen rundlichen Mutter und einem jungen, stillen Teenager-Bruder da. Der Vater ist in einem syrischen Gefängnis verschwunden, und sie hofft auf nichts anderes, als dass er eines Tages vor der Tür steht.

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Es kommt, wie es kommen muss, und wie es auch bei Regisseuren, die nicht das Format von Ken Loach haben, passieren würde: TK und Yara, die sich (vernünftigerweise) sehr bemüht, Anschluß an die Einheimischen zu finden, schließen sich an einander an – rein freundschaftlich, aber für die Mitwelt doch seltsam genug.

Es ist eine Szene von demonstrativem Charakter, als TJ Yara zu der prachtvollen Durham Cathedral mitnimmt, um ihr etwas von seiner Kultur zu vermitteln, und sie entsprechend beeindruckt ist von dem  Bau und der Musik – aber gleichzeitig an das zerstörte Palmyra ihrer Heimat erinnern darf…

TJs Bemühungen, interaktiven Kontakt zwischen den Flüchtlingen und den Einheimischen aufzubauen, wird sogar von seinen besten Freunden sabotiert. Auch der einsame Pub-Wirt wird menschlich nahe gebracht – man erfährt, dass er schon einmal Selbstmord begehen wollte, am Meeresstrand stand, als ein kleiner, herrenloser Hund ihn abhielt – und man erlebt auch schmerzlich mit, wie er diesen Hund (der von anderen zerrissen wird) verliert.

Es ist eine seltsame Geschichte, und vor allem sollte man Ken Loach fragen, wie er, der für die Klarheit und Unbarmherzigkeit seiner Betrachtungsweise bekannt ist, hier so weich wäscht, beinahe schönfärbt, wenn die große Solidarität nach und nach erwacht. Eine schöne junge Frau, ihre liebenswerte Mutter, ein stiller Junge sind wohl kaum die typischen Repräsentanten der Ankömmlinge – wie könnte er die Geschichte der Versöhnlichkeit erzählen, wenn es um fundamentalistische alte und aggressive junge Männer ginge?

Schrittweise nähert man sich jenem Happyend, das einem „Lehrstück“ gleicht. Zwar geht es um die Todesnachricht des syrischen  Vaters, aber mittlerweile kommt das ganze Dorf  zur Behausung der Familie und kondoliert auf die derzeit übliche Prinzessin-Diana-Art, mit Blumen und Kerzen und Beileidsbekundungen.

So beweist „The Old Oak“ eigentlich nur, dass ein alter Regisseur, der einem in anderen Filmen mit seiner Wahrhaftigkeit das Herz umgedreht hat, noch einen Traum haben kann – nämlich, dass der Mensch ein der Einsicht und der Besserung fähiges Geschöpf ist. Schön wär’s.

Renate Wagner

 

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