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Film: THE NEST

07.07.2021 | FILM/TV, KRITIKEN

filmcover the nest

Filmstart: 9. Juli 2021
THE NEST – ALLES ZU HABEN IST NIE GENUG
The Nest / USA / 2020
Drehbuch und Regie: Sean Durkin
Mit; Jude Law, Carrie Coon. Oona Roche, Charlie Shotwell u.a.

Die Achtziger, Reagan-Zeit in Amerika, wo eine wohl ondulierte Nancy an Seiten des Präsidenten zeigte, wie sich eine Frau zu verhalten hatte – lächelnd repräsentativ in seinem Windschatten. In diese Welt blendet der Film, den Sean Durkin als Drehbuchautor und Regisseur vorlegt, zurück. Das heißt, dass viel geraucht wird und es keine Handys und Computer und schon gar keine sozialen Netzwerke gibt. Nostalgie?

Gemütlich war es auch damals nicht, wenn eine Familie von einem gewissenlosen Mann, der eigentlich für deren Wohlbefinden verantwortlich wäre, in die stressigsten Situationen gestürzt wird – einfach aus dessen Geltungssucht heraus. Jude Law spielt ihn, mit seinem glatten Gesicht, das auf den ersten Blick gewinnend und sympathisch wirken kann, aber im Fall dieses Rory verbergen sich darunter nur Selbstsucht und Verantwortungslosigkeit und nach und nach die Verzweiflung angesichts der Schwierigkeit, seine eigenen Anforderungen erfüllen zu können…

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Man lebt zuerst in den USA, Rory O’Hara mit seiner Gattin Allison, seiner Stieftochter Sam und dem gemeinsamen Sohn Ben. Frau und Kinder mögen das Haus, in dem sie leben, man hat ein Pferd – warum nach England übersiedeln? Weil er von dort herkommt und der Meinung ist, dort als Investment Banker die großen Geldgeschäfte abziehen zu können. Und weil er in seiner Großmannssucht ein nobles altes Herrenhaus in Surrey anvisiert, in das man einzieht, und das er als Statussymbol so dringend benötigt. Ungeachtet dessen, dass das alte Gemäuer eher unheimlich ist und solcherart in dem Film nicht zuletzt als atmosphärischer Faktor eine große Rolle spielt.

Eine Übersiedlung kostet – Geld, Nerven. Dann brechen auch mühsam zurück gehaltene Ressentiments und Vorwürfe hervor, zumal, wenn das Pferd an dieser sinnlosen Aktion zugrunde geht. Und wenn sich ganz schnell herausstellt, dass die Geldgeschäfte keineswegs laufen. Die Ehehölle bricht aus, die Tochter ist bockig, der kleine Sohn extrem unglücklich, Rory antwortet auf alles mit den Aggressionen eines Mannes, der mit dem Rücken zur Wand steht, aber dennoch als geborener Angeber der Welt seine Wichtigkeit zeigen will. Während in einer unter die Haut gehenden Szene Allison einmal ihr totes Pferd ausgraben wird…

Um diese Verzweiflungen aller geht es den ganzen Film, quälend für die Beteiligten und ein wenig auch für die Kinobesucher: die Gewissenlosigkeit eines Mannes, der nicht einmal für sich selbst einstehen könnte (alle Geschäfte zerrinnen ihm unter den Fingern) und der seine Familie mit in den Abgrund reißt. Denn, wie der deutsche Untertitel des Films lautet, „Alles zu haben ist nie genug“. Und das macht die Geschichte, ohne dass es expressis verbis ausgesprochen wird, zu einer scharfen Kapitalismus-Kritik, zu einer In-Frage-Stellung eines heutzutage verbreiteten Bewusstseins, das unreflektierte „Haben“-Wollen, „Haben“-Müssen als Selbstbestätigung.

Die sich immer verlorener fühlende Allison (Carrie Coon). die nach und nach allein gelassenen Kinder – skeptische Tochter Sam (Oona Roche) und Ben, der kleine Junge (Charlie Shotwell) – liefern da unter die Haut gehende Leistungen neben Jude Laws monomanischer Studie eines Mannes, der nach und nach in den Untergang kippt und sich dabei selbst belügt, so lange es geht.

Und als Zuseher spürt man, wie viel Wahrheit in diesen tragischen Alltagsfiguren steckt und hinterfragt wohl auch das falsche Lebenskonzept.

Renate Wagner

 

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