Filmstart: 24. Juli 2025
THE LIFE OF CHUCK
USA / 2024
Drehbuch und Regie: Mike Flanagan
Nach einer Erzählung von Stephen King
Mit: Tom Hiddleston, Mark Hamill, Chiwetel Ejiofor u.a.
Das Rätsel des Lebens
Zu Beginn wähnt man sich längere Zeit im falschen Film. Wo ist der titelgebende Chuck? Was man sieht, ist der Lehrer Marty Anderson (Chiwetel Ejiofor) und seine Reflexionen über den Weltuntergang, der sich überall abzeichnet – nicht zuletzt durch den Ausfall des Internets. Weshalb er sich zu seiner Exfrau Cecilia (Karen Gillan) aufmacht, einer Krankenschwester, in deren Spital Chuck, den man bisher nur auf Plakatwänden gesehen hat (warum, wird nicht völlig klar), stirbt. Mit nur 39 Jahren. Womit seine Geschichte ja wohl zu Ende wäre.
Aber was Regisseur Mike Flanagan verfilmt hat, ist eine raffinierte Erzählung von Stephen King, ein an sich als Horror-König bekannter Autor, hier aber auf einer fragenden, weltanschaulichen, philosophischen Schiene. Er erzählt Chucks Leben von hinten nach vorne. Und so lernt man ihn erst im zweiten Kapitel, das neun Monate vor seinem Tod spielt, so richtig kennen.
In einer so unwahrscheinlichen wie kinobetörenden Szene, als er, der schlichte Buchhalter, zu den Tönen, die eine Straßenmusikantin (Taylor Gordon) ihrem Schlagzeug entlockt, plötzlich – zu tanzen beginnt. Einfach so, auf der Straße, erst allein, dann mit einer jungen Frau, die sich zu ihm gesellt. Und er tut es mit einer Perfektion von der man erst im nächsten und dritten Kapitel erfährt, woher sie kommt.
Hat Ton Hiddleston, der unvergeßliche Loki der „Thor“-Filme, den tanzenden und dann sterbenden Chuck berührend verkörpert, ohne dermaßen im Mittelpunkt des Films zu stehen, wie es einem Titelhelden zukäme, so erlebt man im . dritten Kapitel gleich drei junge Chucks im Alter von 17, 11 und 7 Jahren, wobei die jüngste Version hinreißend, weil herzergreifend klug, nachdenklich und traurig, von Cody Flanagan, dem Sohn des Regisseurs, verkörpert wird.
Getreu der 50 Seiten-Novelle von King, der der Regisseur ziemlich genau gefolgt sein soll (wie man nur die Meinung anderer nachbeten kann, weil man die Vorlage nicht gelesen hat). führt der Regisseur auch einen Erzähler ein, was der Geschichte sehr gut tut. Sie ist übrigens, wie schon angedeutet, sehr traurig – Chuck verliert als Kind beide Eltern (samt ungeborener Schwester). Allerdings hat er Glück mit den Großeltern, Oma (Mia Sara) überträgt ihre Leidenschaft aufs Tanzen auf ihn, Opa (Mark Hamill) die Kenntnisse in Mathematik und die Philosophie über die Geschichte der Menschheit, die sich ja gerade nur in den letzten Minuten der Erde und des Universums abspielt… Überlegungen, die schon der Lehrer im ersten Teil gedreht und gewendet hat, ohne dass man damals wusste, warum eigentlich.
Gerade dieser Einstieg in den Film war schwierig, weil man so lange auf das Thema warten musste, das sich erst Schritt für Schritt im Kopf des Zuschauers rundet. Mag manches zu Beginn auch befremdlich sein, so steigt man nach und nach in die Geschichte des Durchschnittsmenschen, der dennoch entschlossen ist, sein unspektakuläres Leben bestmöglich zu leben – und den das Leben lehrt, wie unendlich viel an Eindrücken und Erfahrungen in so einem menschlichen Kopf Platz haben.
Und es passiert ja nicht alle Tage, dass man von einem Film auf die Frage, was das Leben eigentlich sei, zurück geworfen wird.
Renate Wagner