Filmstart: 6. Jänner 2022
THE KING’S MAN – THE BEGINNING
The King’s Man / USA, GB / 2020
Regie: Matthew Vaughn
Mit: Ralph Fiennes, Gemma Arterton, Rhys Ifans, Matthew Goode u.a.
Zu Beginn ist man etwa um die vorige Jahrhundertwende in Afrika, die Briten als Kolonialmacht (Lord Kitchener wird mehrfach erwähnt), und hohe Militärs haben ihre Frauen und Kinder mitgebracht. Eine geradezu bilderbuchschöne Mutter (Alexandra Maria Lara), die für das Rote Kreuz unterwegs ist, erklärt ihrem kleinen Sohn am Beispiel des runden Tisches von König Artus, dass alle Menschen gleich seien, dass aber die Privilegierten unter ihnen – so wie sie notabene – besondere Verpflichtungen hätten… Ein Überfall, Schüsse, die schöne Mrs. Oxford stirbt in den Armen ihres erschütterten Gatten, der kleine Junge ist fassungslos.
Das ist ein dramatisch-tragischer Auftakt für einen Film, in den man mit anderen Erwartungen gegangen ist. Schließlich haben sich die Vorgänger-Streifen – Kingsman: The Secret Service von 2014, Kingsman: The Golden Circle von 2017, beide Male mit Colin Firth als „Senior“ und Taron Egerton als in den Spionage-Job hineinwachsender Frischling – als veritable Komödien erwiesen. Beide Male hatte Matthew Vaughn inszeniert, er tut es wieder, aber es scheint, als wäre er diesmal total aus dem Tritt geraten.
Denn in diesem Film, der ein „Prequel“ zu den beiden anderen darstellt (längst eine immer wieder beschworene Form, um ein kassenträchtiges Format noch und noch zu melken), weiß er wirklich nicht, ob er eine groteske Komödie oder eine tragische Situationsschilderung rund um den „Großen Krieg“ (später als Erster Weltkrieg bekannt) inszenieren soll. Herausgekommen ist ein Tohuwabohu, das bestenfalls geringfügig den Erwartungen entspricht. Denn dass das Ganze auf einem Marvel-Comic basiert, hatte man bei den vorangegangenen Filmen eigentlich vergessen (und das soll ein Lob sein).
Als „Gründer“ der „Kingsman“-Organisation, einer geheimen Abteilung des britischen Geheimdienst am Rande des zu erwartenden Krieges, ist nun Ralph Fiennes als Orlando Duke of Oxford tätig, der seinen nun herangewachsenen Sohn in diesen Zirkel einführt – man erkennt aus den vorigen Filmen den eleganten Herrenausstatter, wo man nicht nur Maßanzüge bekommt, sondern durch eine Hintertür auch in die Welt der Spionage eintritt.
Und dann wird es angesichts des Krieges entweder überlustig oder übertragisch, als sähe man zwei Filme gleichzeitig, die nicht zueinander passen. Einst war Mark Strong als „Merlin“ der personifizierte Bösewicht, bei dem alle Stränge zusammenliefen. Den tückischen Drähtezieher gibt es diesmal auch, man sieht ihn allerdings die längste Zeit nur von hinten, bis man am Ende dann seine Identität entdeckt – Motiv: als Schotte will er die Welt in den Krieg treiben, um den totalen Zusammenbruch der Englände zu bewirken, die sein Heimatland so lange karniefelt haben…
Jungspund Conrad (Harris Dickinson) bekommt vom Papa nun die zynischen Erkenntnisse der Spionage mit – etwa, dass man nicht (wie der junge Mann es leidenschaftlich gerne getan hätte) für sein Vaterland sterben soll, sondern dafür sorgen möge, dass die Feinde es für ihres tun… Dazu müssen ein paar Nationen auf einander prallen. Zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs gibt es noch drei Kaiser (hier nimmt man zu Wilhelm II. und Zar Nikolaus II. nicht den österreichischen Kaiser, sondern King George V. dazu, und Tom Holland spielt alle in entsprechender Verkleidung).
Jetzt geht es flott durch die Weltgeschichte (ein bisschen Bildung wird dem Kinobesucher helfen) – bei den Österreichern trifft man auf Attentäter Princip (Robert Aramayo), bei den Deutschen auf Hanussen (Daniel Brühl), und bei den Russen auf Rasputin – hier liefert Rhys Ifans durchaus brillant, aber auch nervig, die total überzogene Show des zotteligen Wundermannes der Zarin. Und Mata Hari (gespielt von der Österreicherin Valerie Pachner) taucht auch auf – das ist ein wahrer Gift-Coctail, den der schottische Nationalist da angerichtet hat, um die Welt in den Abgrund zu stürzten.
Für Oxford agieren noch Gemma Arterton und Djimon Hounsou, beide in der Funktion von scheinbaren Hausangestellten, in der richtigen Erkenntnis, dass man diese Leute immer übersieht, sie also umso wirkungsvoller tätig werden können. Daneben gibt es immer wieder Szenen aus dem Schlachtfeld, ein Kriegsfilm aus echtem Schrot und Korn.
Was also? Nichts Rechtes, um die Wahrheit zu sagen. Der Mix von Blut und Blödelei geht nicht auf. Schade. Ist doch gut besetzt und vermutlich gut gemeint. Was auf der Leinwand nicht unbedingt etwas Gutes garantiert. Übrigens: Wo die Prädikatisierungs-Kommission da ein „wertvoll“ gesehen hat, bleibt ein Rätsel…
Renate Wagner