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Film: THE KING OF STATEN ISLAND

26.07.2020 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 30. Juli 2020
THE KING OF STATEN ISLAND
USA / 2020
Regie: Judd Apatow
Mit: Pete Davidson, Marisa Tomei, Bill Burr u.a.

Zu diesem Film muss man die Hintergrundgeschichte vorausschicken. Sie besagt, dass Hauptdarsteller Peter Davidson in der Gestalt des Scott Carlin den Bericht über seine eigene Jugend abliefert. Der erst 27jährige, der tatsächlich aus Staten Island (einem nicht berühmten Außenbezirk von New York) stammt, hat es mittlerweile zu einem Mitglied von „Saturday Night Live“ gebracht, wo sich bekanntlich nur die besten Comedians halten, und auch zum Darsteller in einigen Filmen. Was man angesichts seiner Geschichte hier kaum zu glauben vermag – „King“ von Staten Island? Man hat selten eine deprimierendere „Loser“-Studie erlebt.

Gut, Scott Carlin wächst nicht gerade in privilegierten Verhältnissen auf. Der Vater war Feuerwehrmann, starb heldenhaft in Erfüllung seiner Pflicht, die Mutter Margie (Marisa Tomei) ist als Krankenschwester bemüht, ihre Kinder über die Runden zu bringen. Die Tochter Claire (Maude Apatow) weiß, dass sie ihr Leben in die Hand nehmen muss, hat ein Stipendium für eine Universität erarbeitet. Ihr Bruder Scott hingegen ist das mit 24 Jahren schon recht reife Problemkind, der nicht weiß, was er mit sich anfangen soll, mit nichtsnutzigen Freunden herumhängt, ein “Tattoo-Restaurant” aufmachen möchte und es für ganz selbstverständlich hält, bei Mama zu wohnen und von ihr erhalten zu werden.

Immer schlecht gelaunt, immer aggressiv, immer Streit suchend, sind für ihn an allem, was schief geht, die anderen schuld, er kann sich nur ununterbrochen maulig über alles beschweren, von Selbstverantwortung hat er nie gehört. Hinter seinem Protest gegen alle und jeden steht keinerlei Ideologie, kein Konzept, kein Intellekt. Kurz, man tut sich schwer, diesen jungen Mann als Zentralfigur eines Films zu akzeptieren, die irgendeine Art von Anteilnahme verdient, zumal sein Schicksal auch recht langsam, konturlos und sprunghaft dahin plätschert…

So albern und verantwortungslos, wie er sich verhält, traut man ihm auch zu, dass er einen Zehnjährigen überredet, sich von ihm tätowieren zu lassen, worauf der Junge angesichts der Schmerzen natürlich brüllend davon läuft. Irgendwann steht dann dessen Vater Ray Bishop (Bill Burr) wutentbrannt vor der Tür von Scotts Mutter. Was für diesen nicht so gut ausgeht, denn nach ersten Querelen ergibt sich zwischen Margie und Ray (er ist auch Feuerwehrmann wie der verstorbene Gatte) eine Romanze mit logischer Folge – sie hätte ganz gern, dass der Sohn auszieht und auf eigenen Beinen steht…

Den Rest des mit zweieinviertel Stunden viel zu langen und meist mühseligen Film von Judd Apatow, der vage das Unterschichtsmilieu nachzeichnet, in dem die Geschichte spielt, tobt Scott gegen Gott und die Welt, will die neue Beziehung der Mutter um jeden Preis zerstören, entkommt knapp dem Gefängnis, landet bei den Feuerwehrleuten (wo sein Vater noch legendären Ruf hat) und… ja und? Unvermittelt steht man vor einer Art von vagem Happy End, wobei Scotts Exfreundin Kelsey (Bel Powley) ihm rät, er solle sich mal in der Kulturszene von New York umsehen (was man sich, so wie man Scott kennen gelernt hat, nie und nimmer vorstellen kann).

Von Scott wird gesagt, dass er jeden Menschen, den er trifft, schlechter mache, und so, wie Pete Davidson bösartig vor sich hin starrt, glaubt man ihm das. Allerdings müsste diese “Entwicklungsgeschichte” um einiges stringenter und glaubwürdiger erzählt werden – vor allem, wenn am Ende dann ja doch die (hier total unglaubwürdige) “Wendung zum Besseren” stehen sollte. So hat dieser Film, dem Kritiker schwer zu findende komödiantische Elemente zugeschrieben haben, nur eine Stärke, die stellenweise seine permanente mangelnde Überzeugungskraft besiegt – jene Szenen, wenn Marisa Tomei als Mutter erscheint, die zwar gelernt hat, alles im Leben zu erkämpfen, aber deren Liebe zum Sohn doch stärker ist als alle Erkenntnisse über seinen Charakter… Der, und das ist die Schwäche des Films, leider nie wirklich interessant wird.

Renate Wagner

 

 

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