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Film: THE HOUSE OF GUCCI

17.12.2021 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart:  17. Dezember 2021 
THE HOUSE OF GUCCI
USA  /  2021 
Regie: Ridley Scott
Mit: Lady Gaga, Adam Driver, Al Pacino, Jared Leto, Jeremy Irons u.a.

Wie man hört, sind die gegenwärtigen Mitglieder des Hauses Gucci alles andere als begeistert von dem Film, den Ridley Scott über ihren blutigsten Familienskandal drehte. Aber wer sind die heutigen Guccis schon? Das Modehaus ist verkauft, geblieben ist der Name als glanzvoller Begriff von einst und vermutlich das daraus lukrierte Geld. Und die ungute Erinnerung an die Verwandten der vorigen Generation…

Fürs Kino eignet sich das allerdings vorzüglich, und das hat Ridley Scott, der so verschiedenartige Filme dreht, natürlich gewittert. Vor allem Patrizia Reggiani, die in die Familie hinein geheiratet hat, ist eine Figur wie aus dem Drehbuch – ein „social climber“, wie der alte Gucci sofort erkennt, aber  sein Sohn Maurizio Gucci hat sich sofort einfangen lassen, heiratet die junge Frau aus einfachen Verhältnissen gegen den Widerstand aller – und besiegelt damit sein eigenes Schicksal.

Eine Phalanx von Hollywood-Größen stand an, um diese Rolle zu ergattern, und man muss Ridley Scott hervorragenden Instinkt zugestehen, dass er Lady Gaga wählte – und niemand würde den blonden, glatten Pop-Star auf der Leinwand in dieser dunkelhaarigen Frau mit dem italienischen Akzent im Englischen und mit den ewig gierigen Augen wiedererkennen. Erstens ist da die totale optische Verwandlung in diese Patrizia Reggiani, und zweitens die Entwicklung einer Tigerin, die um jeden Preis erfolgreich werden will und in dieser Ehe ihre Möglichkeiten erkennt. Als Frau Gucci mauserte sie sich nicht nur zur Modeikone, sondern auch zur so nachhaltigen Intrigantin mit vitalen geschäftlich-finanziellen Interessen, so dass sie das damals ohnedies schon wacklige Haus Gucci fast zum Fall bringt… Man kennt viele große Darstellungen auf der Leinwand, aber indem sie sich dermaßen in diese Figur gestürzt hat, hat Lady Gaga sich an die Spitze katapultiert.

Das Drehbuch stellt ihr in Salma Hayek als  „Pina“ eine geradezu dämonische Figur zur Seite, halb Wahrsagerin, halb Psycho-Tante, die immer um Rat gefragt wird und immer alles Schlechte in Patrizia verstärkt, bis sie ihr hilft, einen Killer für den Gatten zu finden. („Don’t miss“, gibt Patrizia  diesem als Auftrag mit. Und er schießt auch nicht daneben.)

Adam Driver spielt den Maurizio als gutgläubiges Opfer einer berechnenden  Frau, und auch, wenn er selbst tief und unehrenhaft in die Familienintrigen einsteigt, bewahrt ihm Scott noch eine Aura der Anständigkeit, ein bißchen der hilflose Mann, der längere Zeit ein Spielball der skrupellosen Frau ist. Dabei sind er und sein Cousin Paolo Gucci, von Jared Leto innerlich und äußerlich herrlich verwahrlost gespielt, ein mit seinen Aufgaben überforderter Mann, heftig damit beschäftigt (von Patrizia auch noch angeheizt), die ältere Generation auszuhebeln. Die besteht immerhin aus Jeremy Irons (Rodolfo Gucci, Maurizios Vater) und  – besser geht es einfach nicht – Al Pacino (Aldo Gucci, Paolos Vater). Da weht der strenge Duft der Mafia, und keine Frage, dass die Geschäfte um dieses Modehaus auch in diesem Stil geführt wurden. Von der nächsten Generation kann man nur sagen, dass ihr Erbe aus Geldgier heruntergebracht und schließlich verschleudert hat…

Alles läuft ineinander in diesem Familienepos zwischen New York und Mailand, das ein wenig an Ridley Scotts Film „Alles Geld der Welt“ von 2017 erinnert wo es um die Entführung des Getty-Enkels und auch um die Kombination von großem Geld und Verbrechen ging. Patrizia, diese unkenntliche Lady Gaga mit der ungeheuren Intensität, fleht geradezu peinlich um ihre Beziehung, nachdem Maurizio von ihren Intrigen und ihren Machtspielchen endgültig genug hat. Er setzte die Scheidung durch. Wie das Leben so spielt – Jahre später, als er eine neue Ehe plante, ließ sie ihn ermorden. Der Killer traf – und Patrizia, von der aller Glamour abgefallen ist, wanderte geständig ins Gefängnis.

Das interessiert Ridley Scott nicht mehr (inzwischen ist die Dame, sie lebt noch, schon wieder auf freiem Fuß), da beendet er den Film rasch. Er hat die Geschichte aufbereitet, als ob man in „Oggi“ oder „Gente“ blätterte. Allerdings – wenn das nicht der Stoff ist, aus dem Boulevard-Geschichte bestehen? Mehr Unterhaltung als Analyse also, aber man kann ja nicht am laufenden Band Meisterwerke abliefern. Publikumswirksame Filme reichen ja von Zeit zu Zeit auch …

Ein kleines Nachwort für Opernfreunde. Bemerkenswert, wie Scott Opernklassiker dramaturgisch  zur Verdeutlichung einsetzt – wilde Liebesszenen zum Takt des „Brindisi“ aus „La traviata“, die Barbiere-Arie, wenn es lebhaft wird, die Arie der Königin der Nacht, wenn eine Modeschau abläuft, und als die mordlustige Madame gegen Ende darauf wartet, dass ihr Mann umgebracht wird, ertönt die Zwischenaktmusik aus „Madame Butterfly“, wo ja Puccini so unnachahmlich das „Tropfen“ der Zeit komponiert hat…

Renate Wagner

 

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