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Film: THE HOLDOVERS

24.01.2024 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 26, Jänner 2024
THE HOLDOVERS
USA  /  2024
Regie: Alexander Payne
Mir: Paul Giamatti, Dominic Sessa, Da’Vine Joy Randolph u.a.

Lehrer und Schüler ist eine Beziehung, die wohl jeder Mensch erlebt hat, zumindest als Schüler. Und ganz selten ging es konfliktfrei ab, weshalb dies (vom „Schüler Gerber“ bis  zum „Club der toten Dichter“ und vieles mehr) ein ewiges Thema für Buch und Film ist. Dass es „The Holdovers“ gelungen ist, ein besonders schöner Beitrag zu dieser elementar schwierigen Situation zu werden, obwohl keine Probleme und Schmerzlichkeiten ausgespart werden, das ist – ja, das ganz Besondere daran. Es gab „Golden Globes“ in den Hauptkategorien, und auch die „Oscars“ sollten sich verdientermaßen einstellen. Und vor allem das Publikum.

Ort der Handlung: 1996. als die Sitten auch in Schulen noch nicht so rau waren. Eine private US-High School in Massachusetts für die Kinder der Reichen (die zahlen und dafür auch Zugeständnisse erwarten). Paul Hunham ist einer jener Lehrer, die keiner leiden kann, gnadenlos versunken in sein Fach, Geschichte, Spezialthema die alten Römer, deren harten Lebensstil er predigt. Und für geschenkte Noten ist er auch unter Druck nicht zu haben. Die Schulleitung würde ihn nicht behalten, wenn er in seinem Fach nicht so exzellent wäre. Die Schüler stöhnen.

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Und dann sind Weihnachtsferien, Hunham hat keine Familie, bleibt also auf jeden Fall da, und soll – da alle anderen Lehrer   zu ihren Familien reisen – bitte gefälligst jene Schüler betreuen, die auch zu Weihnachten nicht heim können. „Pretend to be a human being, it is Christmas“, meint der Direktor. Am Ende bleibt nur ein Schüler übrig, Angus Tully, dessen Mutter neu und sehr reich geheiratet hat und in ihre Flitterwochen fliegen will. Es macht dem Sohn doch nichts aus, während der Ferien in der Schule zu bleiben? Also Hunham und Tully und Mary (die an die „Mamie“ in „Vom Winde verweht“ erinnert), die sonst die Kantine führt und die beiden versorgen soll. Die „Holdovers“, die übrig Gebliebenen, um die sich keiner kümmert

Natürlich ist diese Vorgabe ebenso Klischee wie die drei Protagonisten, und auch die Stadien der Annäherungen sind prinzipiell solche. Aber Regisseur Alexander Payne hat nach dem unglaublich sensiblen Drehbuch von David Hemingson einen wunderbaren Film gedreht, der zutiefst menschlich ist, ohne penetrant zu „menscheln“. Nach und nach erfährt man den emotionalen Hintergrund der drei in sich zurück gezogenen Einsiedler-Figuren, denen man gegenüber steht, die Enttäuschungen, die sie prägen und in den Rückzug getrieben haben.  Und auch die Drei erkennen nach und nach den Schmerz der anderen.

Und wenn sich der Lehrer am Ende für den Schüler „opfert“ und seinen eigenen Ausschluß aus der Schule auf sich nimmt – dann ist das kein sentimentaler Tränendrüsen-Drücker, sondern eine logische Entwicklung in der stillen Zuneigung, die die Beteiligten für einander entwickelt haben.

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Eine Geschichte, die so leicht ins Billige und Sentimentale hätte abrutschen können. ist nur möglich durch die Interpreten: Paul Giamatti, anfangs hinter seine alten Römer verbarrikadiert, jeden Kontakt scheuend, muss die Verantwortung für diesen einzelnen, rebellischen Schüler auf sich nehmen und tut es, indem er ihn nach und nach erkennt. Dominic Sessa in seiner ersten Rolle bringt alles von der bockigen Störrigkeit junger Menschen mit, die ihre Verletzungen nicht zeigen wollen und wild um sich schlagen. Und die absolut wunderbare Da’Vine Joy Randolph macht jeden Augenblick glaubhaft, dass man dennoch eine noble, großzügige Seele sein kann, auch wenn das Leben einem übel mitgespielt hat. Zwischen diesen drei Figuren knüpfen sich wunderbare Fäden des Verständnisses und des Zusammenspiels, dass man nur seine höchste Bewunderung zollen kann.

Renate Wagner  

 

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