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Film: THE GOOD LIAR – DAS ALTE BÖSE

26.11.2019 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 29. November 2019
THE GOOD LIAR – DAS ALTE BÖSE
The Good Liar / USA / 2019
Regie: Bill Condon
Mit: Helen Mirren, Ian McKellen u.a.

Die nicht mehr ganz junge, aber durchaus attraktive Dame betrachtet ihr Profil im Internet. Switcht auf das Bild eines älteren Herrn. Schnitt. Schon sitzen sie sich in einem Londoner Restaurant gegenüber. Schließlich sind Tinder und Co. ja nicht nur für die Jungen erfunden worden?

Er ist Roy, sie ist Betty, und spätestens, wenn er mit tiefem Blick erwähnt, Ehrlichkeit gehe ihm über alles, ist dem Zuschauer klar, dass dem nicht so sein kann. Die Dame ist als Opfer ausersehen, und schnell besteht kein Zweifel daran, wenn man Roy mit seinem routinierten Freund Vincent (Jim Carter) sieht: Am langen Tisch überzeugen sie da Geschäftsleute davon, welch ungeheure Rendite sie für ihre Investitionen zu bieten haben. Und wenn die Herren auch anfangs zweifeln, die Überredungskunst funktioniert, und riesige Summen werden zugesagt…

Eine Gaunerkomödie? Wenn es nur so wäre, man würde sich mit Freuden unterhalten und zusehen, wie Helen Mirren zum Opfer wird oder nicht und wie Ian McKellen die charmante reiche Witwe hinein legt – oder doch nicht? Wirklich, man wäre angesichts dieses Darstellerpotentials wirklich glücklich gewesen, wenn in der Regie von Bill Condon nur dieses schlichte Film-Muster angepeilt worden wäre. Der Regisseur hat zwar noch nicht viele Meisterwerke geliefert, aber „Mr. Holmes“ (auch mit Ian McKellen) war doch ein schöner Film?

Aber das Drehbuch greift ganz tief in die Kitsch- und Klischee-Kiste. Dass Betrüger und potentielles Opfer die Rollen umdrehen, das kennt man. Man kennt aber leider auch die „Sünden der Vergangenheit“. Darum muss dieser Film 2009 spielen, sonst wäre es für die Überlebenden aus dem Zweiten Weltkrieg zu spät. Und wenn da einst ein Deutscher in Berlin einem jüdischen Mädchen schweres Unrecht zugefügt hat… ja, dann steht Rache auf dem Plan. Und was so leichtfüßig begonnen hat, endet geradezu schockhaft tragisch… Und für den Kinobesucher ist es, als begänne ein neuer, anderer Film.

(Anmerkung zur Originalfassung: Wenn da Szenen unter Deutschen in Berlin spielen und man nur Schauspieler findet, die das Deutsche elendig radebrechen, statt es glaubhaft zu sprechen, ist das eigentlich ein Armutszeugnis).

Natürlich ist da Helen Mirren. Sie spinnt den Faden fein, gibt wunderbar vor, in die Fänge des Verführers zu geraten. Da ist der Enkel (Russell Torvy), der sie warnt – aber nein, sie glaubt an diesen Mann. Sie ist auch bereit, ihm ihr Vermögen (ein paar Millionen Pfund, mit der linken Hand erwähnt) zu übergeben, damit er es vermehrt und an der Steuer vorbei leitet. Ist doch glaubhaft? Und dann dreht sie den Spieß um. Freundlich und gnadenlos. Die Dame ist wirklich eine große Schauspielerin.

Und was soll man über Ian McKellen sagen? Der Mann ist ein Meister. Er hat nicht nur den routinierten, fast vergnügten Betrüger zu spielen, er muss auch noch entdecken, dass er sich in die treuherzige Betty verliebt hat… Und was sie ihm dann antut…. Nein, man wird nicht recht glücklich mit dem Film, am wenigsten mit den patscherten Rückblenden in Berlin. Hätten sie doch eine schlichte Gauner gegen Gauner-Story daraus gemacht!

Renate Wagner

Die Unabhängige gemeinsame Filmbewertungskommission der Länder verlieh das Prädikat: Sehenswert

 

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