THE DEAD DON’T HURT
Filmstart. 6. August 2024
USA, GB, Dänemark / 2023
Drehbuch, Musik und Regie: Viggo Mortensen
Mit: Viggo Mortensen, Vicky Krieps, Danny Huston u.a.
Langeweile im Wilden Westen
Zu Beginn stirbt eine Frau. Dann schießt ein Mann am helllichten Tag auf offener Straße einen anderen nieder, steigt auf sein Pferd und reitet weg. Dann wird in trockener, trostloser Landschaft ein Grab ausgehoben… Ein Western? Wenn ja, dann der anderen Art. Hier geht es nicht um die tapferen Siedler, die sich gegen die bösen Indianer wehren müssen. Hier geht es um das nackte Überleben in einer Pionierwelt der 1860er Jahre.
Die Handlung fährt offenbar zurück. Die Frau ist jetzt jung, lebendig und weist entschlossen einen zudringlichen Verehrer ab. Der Mann lungert am Straßenrand und sieht ihr zu. Die Blicke treffen sich, und der Western weicht einer Liebes- und Beziehungsgeschichte.
„The Dead Don’t Hurt“ ist der zweite Spielfilm, den der amerikanisch-dänische Schauspieler Viggo Mortensen als Drehbuchautor und Regisseur verantwortet, wobei man offen eingestehen muss, dass sein erstes Werk, „Falling“ von 2020, eine Vater / Sohn-Geschichte, weit mehr beeindruckt hat. Bei diesem Film, der anspruchsvoll gedacht, gemacht und vor allem herausragend gespielt ist, weiß man am Ende nicht so recht, was er eigentlich erzählen wollte.
Zudem gibt Mortensen Rätsel auf. Was soll der Titel bedeuten? The Dead don’t hurt kann gleicherweise bedeuten, dass die Toten keinen Schmerz empfinden oder keinen bereiten, aber…? Ja, was? Und wenn der Held am Ende sein Haus verlassen hat und mit seinem Sohn ans Meer geritten ist und sinnend auf die Wellen blickt – was soll das nun andeuten? Zurück nach Dänemark? Dafür ist der Pazifik der falsche Ozean (zumal es noch lange keinen Panama-Kanal gibt). Was also sagt der Filmemacher damit?
Mortensen erzählt die Geschichte von zwei ungewöhnlichen Menschen. Holger Olsen (Mortensen selbst in der Hauptrolle) ist aus Dänemark nach Amerika eingewandert, Vivienne (Vicky Krieps), die Franko-Kanadierin, hat es auch nach San Francisco verschlagen, wo die beiden einander treffen. Sie folgt ihm nach Nevada, wo er in der absolut dürren Ödnis (eine Kleinstadt liegt in der Nähe) eine Hütte hat. Hier zu leben, ist nicht einfach.
Man kann nicht sagen, dass sich die beiden „zusammen raufen“, dazu ist dieser Film zu still, man möchte sagen, zu temperamentlos. „Leben“ kommt nur von den durchwegs miesen, korrupten, skrupellosen Männerfiguren, die die Kleinstadt beherrschen, voran der geschniegelte Bürgermeister (Danny Huston, herrlich elegant-ölig). Und was es bedeutet, als Frau allein einer solch gewalttätigen Männerphalanx gegenüber zu stehen, erlebt Vivienne, nachdem Olsen sich aus Überzeugung im Bürgerkrieg den Nordstaaten angeschlossen hat.
Schnitt. Als er nach fünf Jahren ziemlich abgerissen wiederkommt, erlebt er seine Frau mit einem kleinen Jungen, mit dem sie Französisch spricht. Nein, kein Wutausbruch, die ungetreue Gattin wird nicht halb tot geprügelt – wie sich im Gesicht von Viggo Mortensen Begreifen und Betroffenheit spiegelt, das ist hohe Schule der Schauspielkunst. Und Vicky Krieps hält mit – Mimik, Körpersprache, zurückhaltende, aber immer klar verständliche Charakterisierung – auch sie Schauspielkunst vom Feinsten.
Mehr ist es allerdings nicht in der Geschichte, die in zwei Stunden Spieldauer nur in den Szenen mit der bösen Umwelt etwas Fahrt aufnimmt (selbst die Rache an dem Vergewaltiger, die es geben muss, vollzieht sich seltsam emotionslos), sich aber sonst zurückhaltend dehnt. Dennoch, die Schauspieler. Ja, sie lohnen die dramaturgisch nicht sehr überzeugende Geschichte dann doch…
Renate Wagner