Filmstart: 12. September 2024
THE CROW
USA / 2024
Drehbuch und Regie: Rupert Sanders
Mit: Bill Skarsgård, FKA Twigs, Danny Huston: u.a.
Showdown in der Oper
Auch der Arbeitseifer und die journalistische Gewissenhaftigkeit eines Filmkritikers stoßen manchmal an ihre Grenzen. Natürlich müsste man sich, wenn man die Neuverfilmung von „The Crow“ ansieht, noch einmal auf das legendäre Original zurück gehen. Dieses hat man vor dreißig Jahren, als der Film heraus kam, gesehen, erinnert sich an das Aufsehen, das der Streifen damals erregte, vor allem durch seine Ästhetik, Gothic vom Feinsten, aber nicht ´deshalb, weil der Hauptdarsteller Brandon Lee damals während der Dreharbeiten durch einen Schußunfall 28jährig ums Leben kam. Diese Fassung der „Crow“, die Verlebendigung des gleichnamigen Graphik Novel von James O’Barr, galt jedenfalls als die Ultima Ratio für dieses Thema.
So etwas baucht kein Remake, erregten sich die einstigen Filmemacher (und auch jene kenntnisreichen Kollegen, die sich das Original offenbar wieder angesehen haben), aber seit wann hat das Hollywood schon davon abgehalten, aus einem effektvollen Stoff, der schon vom Titel her in die Kinos ziehen sollte, noch und noch herauszupressen? Also, noch einmal „The Crow“, die Science-Fiction, Magie, Teufelspakt mischende Geschichte von Eric Draven und seiner Freundin Shelley – und was einem in der Fantasy-Welt so alles passieren kann.
Man hat die beiden sehr jung besetzt: Bill Skarsgård, einer der gut aussehenden, begabten Söhne des großen Stellan, und die PcO-Dame mit dem süßen Kindergesicht, die sich mit FKA Twigs in die Reihe der sonderbaren Namen fügt, die nun modern sind, mögen zwar laut Geburtsdatum in ihren Dreißigern sein, wirken aber wie Twens – jung und gewissermaßen unschuldig verliebt.
Dann bricht das Unheil über Eric Draven und Shelley ein, die sich in einer Entzugsklinik kennen und lieben gelernt haben. Sie werden im Auftrag eines gnadenlosen Gangsters ermordet – und mit Hilfe einer Krähe feiert Eric schauerliche Auferstehung zu dem einzigen Zweck, den Tod der Geliebten zu rächen. Nun verändert er sich drastisch, durch Schminke einerseits, durch die übernatürlichen Fähigkeiten, die ihm die Geschichte zuschreibt. Superhelden dürfen auch düster sein…
Das alles ist inhaltlich und auch in der routinierten Machart (Regie: Rupert Sanders) eigentlich nur das Übliche, nicht übertrieben der Rede wert, bekäme der Opernfreund nicht als Showdown noch ein Gustostückerl, wie man es nicht alle Tage sieht (was heißt „Stückerl“ – die Sequenz ist sicher eine gute halbe Stunde lang).
Denn da bricht Eric in die Oper auf (und weil der Film großteils in Prag gedreht wurde, war ein Monarchie-Prachtbau von Helmer und Fellner zur Hand), wo Super-Bösewicht (Danny Huston) mit kühl-blonder Bösewicht-Gefährtin (Laura Birn) in der Loge sitzt, während eine sehr moderne, exzentrische, eindrucksvolle Aufführung von Meyerbeers „Robert der Teufel“ über die Bühne geht.
Aber das wahre Spektakel spielt sich auf der Haupttreppe und den Gängen ab. Dort metzelt Eric, nun „The Crow“, nämlich jeden, der ihm in die Nähe kommt, mit der Gnadenlosigkeit eines Splatter-Movies. Und da man ihn selbst wie alle auferstandenen Untoten ja nicht erschießen oder erstechen kann, macht er ungehindert weiter, immer mit der Opernaufführung quer geschnitten, das Opernhaus selbst integraler Bestandteil der Szene, ein herrliches, grausiges Spektakel, dessen logistische Meisterschaft man wirklich bewundern muss Choreographie und Stunts zeigen, was sie können.
Aber hat man das Remake der „Crow“ für Opernfreunde (mit Hardcore-Nerven) gedreht, die sich mehr für Historismus-Architektur und Meyerbeer-Inszenierungen interessieren als für Fantasy?
Renate Wagner