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Film: THE ASSISTANT

11.10.2020 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 16. Oktober 2020
THE ASSISTANT
USA / 2019
Drehbuch und Regie: Kitty Green
Mit: Julia Garner, Matthew Macfadyen u.a.

Das Thema ist so aktuell, wie es nur sein kann, und eines lehrt der Film „The Assistant“ von Kitty Green (Drehbuch und Regie) von Anfang an: Nein, es ist kein Traumjob als „Assistentin“ (mit Aufgaben zwischen Putzfrau und „Erledige einmal rasch alles Drecksarbeit“) im Büro eines Filmmoguls zu arbeiten. Zumindest nicht, wenn man ein so verschrecktes Mäuschen wie Jane (die stets unbeweglich wirkende Julia Garner) ist…

Es soll eine Harvey Weinstein-Geschichte sein, bzw. eine rund um ihn (denn der große Mann erscheint nie, man sieht die nur die Leute, die in seinen Diensten herumhetzen). Die Frage hat sich gestellt, wie jahrelanger Machtmissbrauch (verbunden mit sexueller Nötigung) möglich war, ohne dass eine Umwelt, die alles wusste, eingegriffen hat. Es gab vor nicht allzu langer Zeit einen sehr wirkungsvollen Film zu dem Thema, allerdings haben sich in „Bombshell“ einige Frauen (gespielt von Nicole Kidman und Charlize Theron) effektvoll gewehrt (auch wenn es den Karrieren der anklagenden Ladies nicht unbedingt geholfen hat). Hier geht es um das erzwungene Schweigen.

Jane ist ein sehr ruhiger, schüchterner Typ und damit die dramaturgische Schwäche des Films: Man kann sich nicht vorstellen, dass sie sich in einer Schlangengrube wie diesem Büro länger als eine Woche halten könnte. Und schon gar nicht, dass sie es wollte. Und ob sie das Zeug hätte, einmal Produzentin zu werden . wie es  offenbar ihr Ziel ist,, bezweifelt man auch. Es gibt Branchen, da braucht man die Ellbogen noch mehr als in anderen. Und ihr würde man einen schnellen Jobwechsel raten.

Aber man hat es mit Jane zu tun, einem stillen Geschöpf, das eher beobachtet als agiert. Das geht einige Zeit lang so, wobei man vor allem erfährt, wie verächtlich und herablassend die jungen Männer im Büro sich ihr gegenüber verhalten. Sie hält still. Arbeitet sich zum Krüppel. Für die wütende Gattin des Bosses muss sie als Blitzableiter dienen (und ihn verleugnen), aber Zeit für den Geburtstag ihres Vaters hat sie nicht. Jane nimmt alles hin. Bis ihr im Namen des Chefs eine andere „Assistentin“ vor die Nase gesetzt wird, die von dem Job keine Ahnung hat… Wie sie ihn bekommen hat, ist auch klar, als Jane deren Ohrring im Sofa des Chefs findet…

Und nun entschließt sie sich endlich zur Tat. Es ist die einzige Szene in dem Film, die wirklich interessant, ja spannend ist, im psychologischen Subtext faszinierend – und ganz präzise in der Aussage. Jane geht zum Personalchef („hintergründig“: Matthew Macfadyen) und versucht auf Umwegen (direkt ist so etwas schwer auszusprechen) den Fall zu melden. Er wittert, worauf sie hinaus will, und macht es ihr nicht leicht, im Gegenteil – was immer sie vorbringt, unterwandert er, bis am Ende die ultimative Untergriffigkeit erfolgt: Wie nebenbei wirft er ein, sie sei eben nicht der Typ des Chefs. So macht er sie zu einer eifersüchtigen, kleinlichen Klatsche, die nicht ertragen kann, sexuell nicht interessant und übergangen worden zu sein – weshalb sie die „glücklichere“ Rivalin anschwärzen möchte… Die Drohung, dass ihr Job von ihrem Wohlverhalten und Schweigen abhängt, zeigt, wohin der Versuch, in einer hierarchisch geschlossene Männerwelt einzudringen, führt. Die Frau verliert immer.

Und wenn Jane dann am Ende einsam in die Stadt wandert, einsam in einem Imbiß landet und ihren Vater anruft… da kann man ihr nur wünschen, dass sie sich einen anderen Job sucht. Regisseurin Kitty Green hat ihr Anliegen vorgebracht. Und man möchte ihr sogar konzedieren, dass der Film – bis auf die eine Szene, in der auch nie vordergründig „dramatisch“ agiert wird – so gleichförmig verläuft, wie das Leben eben. Nur – das ist Kino. Da hätte man es halt gern ein bisschen spannender. Aber das ist nicht Mainstream, das ist Arthaus. Da macht man stolz keine Konzessionen.

Renate Wagner

 

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